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Gehäufter Stundenausfall ist eine Facette des Lehrermangels.
© dpa
Update

Lehrermangel in Berlin: Landeselternausschuss misstraut dem Senat

Elf Forderungen an den Regierenden Bürgermeister zeigen, dass das höchste Elterngremium die Lehrerplanung anzweifelt. Ein Beschluss betrifft die Meldeportale.

Der Berliner Landeselternausschuss (LEA) misstraut der Lehrerbedarfsplanung des Senats und vermisst Transparenz und Nachvollziehbarkeit der angekündigten Schritte.

"Als Landeselternausschuss stellen wir fest, je tiefer wir in das Thema eintauchen, umso undurchsichtiger wird es. Dieser wichtige Bereich liegt in so vielen Händen und wir haben nicht das Gefühl, dass die verantwortlichen Köpfe im Austausch sind oder angemessen auf die Aussagen der anderen reagieren", lautete am Mittwoch die Bestandsaufnahme von Landeselternsprecher Norman Heise. Er kritisierte zudem, dass das Bemühen des LEA um einen Termin bei Wissenschafts-Staatssekretär Steffen Krach (SPD) seit 25. Oktober "ohne Rückmeldung" geblieben sei.

Daher hat Berlins höchstes Elterngremium am Dienstag einen höchst ungewöhnlichen Beschluss gefasst und an den für die Hochschulen zuständigen Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) geschickt. Krach ist sein Staatssekretär und in dieser Funktion - zusammen mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) - für den Lehrernachwuchs zuständig. Die Beiden gehören auch zum erweiterten Adressatenkreis.

Warum kündigten so viele Lehrer?, wollen die Eltern wissen

Ungewöhnlich ist der Beschluss insofern, als die darin enthaltenen Forderungen die Ankündigungen des Senats zur Bewältigung der Nachwuchskrise hinterfragen und damit unverhohlenes Misstrauen transportieren.

Genährt wird das Misstrauen etwa dadurch, dass der Senat nicht untersucht, warum es im vergangenen Schuljahr zu den vielen Kündigungen durch Lehrkräfte gekommen ist. Der Tagesspiegel hatte darüber berichtet. Zudem fürchtet der LEA, dass die bessere Bezahlung der Lehrer dazu führen könnte, "dass Berufseinsteiger auf Grund des vergleichsweise üppigen Gehalts direkt in Teilzeit einsteigen". Das könne weitere Löcher reißen, sei aber noch nicht in der Planung berücksichtigt.

Der Hochschulverträge als Ausgangspunkt

Der Lea bezieht sich auf den Berliner Hochschulverträge 2018 - 2022, in dem das Land Berlin und die Universitäten eine Verdopplung der Zahl in Berlin ausgebildeter Lehrer auf jährlich 2000 beschlossen hatten. Wie berichtet sollen die dafür notwendigen Aufnahmekapazitäten durch zusätzliche Stellen gesichert werden. Daran anknüpfend fordert der LEA den Regierenden Bürgermeister in seiner Funktion als Wissenschaftssenator auf:

1. umgehend darzulegen, ob die Veröffentlichung der Kultusministerkonferenz zum „Lehrereinstellungsbedarf und Angebot 2018 - 2030“ vom 11. Oktober 2018 in Bezug auf die dort gemeldeten statistischen Zahlen zum Berliner Lehrereinstellungsbedarfs eine Aktualisierung und ggf. Korrekturen des Berliner Hochschulpaktes 2018 – 2022 im Kapitel „Gute Lehrkräfte für die wachsende Stadt“ 2 erforderlich macht,

2. umgehend zu erläutern, ob die mit den vier Berliner Universitäten vereinbarte Steigerung der Ausbildungskapazitäten für die Lehrkräftebildung nach der aktuellen KMK-Prognose in Bezug auf die einzelnen Hochschulen und Lehrämtern ausreicht, um die genannte Zielgröße von 2000 Absolventinnen und Absolventen im Jahr 2022 zu ermöglichen,

3. verständlich darzustellen, auf welcher Grundlage die Zielgröße von 2.000 Absolventinnen und Absolventen im Jahr 2022 entwickelt wurde,

4. zu erklären, welche weiteren Maßnahmen - außer der Kürzung der Zuschüsse - das Land Berlin ergreifen wird, wenn die Zielvorgaben, die mit den Hochschulen ausgehandelt wurden, nicht umgesetzt werden (können),

Ausgleich für die Nichtverbeamtung?

5. die Maßnahmen zu erläutern, die laut Hochschulpakt den „Ausgleich des Wettbewerbsnachteils gegenüber Bundesländern, die Lehrkräfte verbeamten“ unterstützen sollen,

6. umgehend zu veröffentlichen, wie viel Studienanfänger im Wintersemester 2018/2019 für das Lehramtsstudium gewonnen werden konnten und ob bereits eine Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren sichtbar ist,

7. zu konkretisieren, welche zusätzlichen Maßnahmen in Bezug auf die Schwundquote von ca. einem Drittel der Lehramtsstudierenden von Bachelor- zu Masterstudiengang ergriffen werden,

8. umgehend eine Ausschreibung einer prozessbegleitenden (formativen) Evaluation des Hochschulpaktes 2018 - 2022 bezogen auf den Bereich Lehrkräfteausbildung und Zielvorgaben durch unabhängige, nicht an den Berliner Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen beschäftigte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu veranlassen. Ziel dieser Evaluation durch externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es, mit dem „Blick außerhalb Berlins“ die Kapazitätsplanungen und qualitätssichernden Maßnahmen der Universitäten zu begutachten und kontinuierlich zu optimieren, um die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung zu erhöhen,

Vorbild München

9. umgehend zu prüfen, ob das Konzept der TUM School of Education (Technische Universität München) durch eine bessere Abstimmung der beiden Phasen „Masterabschluss und Vorbereitungsdienst“ in drei statt vier Jahren zu absolvieren, in Berlin eingeführt werden kann,

10. zu veranlassen, dass die Berliner Prognose zum Lehrkräftebedarf ab 2019 jährlich veröffentlicht wird und somit alle am Lehrerberuf interessierten Abiturientinnen und Abiturienten jährlich über das

fachspezifische Angebot und den fachspezifischen Bedarf an Lehrkräften informiert werden,

11. in enger Abstimmung mit der Senatsbildungsverwaltung zu garantieren, dass eine entsprechend hohe Anzahl an Praktikumsplätzen für die schulpraktischen Studien sowie ausreichend Plätze im Vorbereitungsdienst für Lehramtsabsolventinnen und -absolventen zur Verfügung stehen.

Der LEA hatte sich zuletzt im Juli mit Forderungen an den Senat gewandt. Auch damals war es um den Lehrermangel gegangen, jedoch waren die Forderungen direkt an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gerichtet und bezogen sich vor allem auf die Personalsteuerung bei Einstellungsgesprächen, um die Verteilung von Lehrkräften zu verbessern.

Haltung zu Beschwerdeportalen

Außerdem fasste der LEA am 16. November noch einen am 20. November veröffentlichten Beschluss anlässlich des im Oktober einrichteten AfD-Beschwerdeportals: "Der Berliner Landeselternausschuss lehnt Meldeplattformen, die durch politische Parteien und Fraktionen initiiert werden, ab. Sie sind keine geeigneten Instrumente für ein konstruktives und kritisches Beschwerdemanagement für die qualitative Verbesserung und Entwicklung der Berliner Schulen, egal vor welchem Hintergrund", lautet das Statement.

Der LEA empfiehlt den Eltern, sich nicht an Meldeportalen zu beteiligen und "stattdessen die direkte Kommunikation mit den Lehrkräften, Schulleitungen, Elternvertretungen, Schulaufsichten oder der Beschwerdestelle der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zu nutzen".

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