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Finanzsenator Matthias Kollatz hat 100 Millionen Euro für den sozialen Neubau der Landesfirmen zurückgelegt.
© Bernd Wüstneck/dpa

Soziale Wohnungspolitik in Berlin: Landeseigene Wohnungsunternehmen brauchen Zuschüsse

Die mieterfreundliche Wohnungspolitik kommt den Berliner Senat teuer zu stehen. Ohne Millionenzuschüsse sieht es schlecht aus für das Wohnungsbauprogramm.

Wegen des Immobilien-Monopoly auf dem Berliner Grundstücksmarkt kommt die mieterfreundliche Wohnungspolitik den Senat teuer zu stehen. Auf einer Veranstaltung der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen unter Beteiligung von Finanzsenator Matthias Kollatz gab der Sprecher der Firmen Jörg Franzen zu, dass ohne Zuschüsse des Landes der Erwerb von Miethäusern durch Ausübung des Vorkaufsrecht im Stadtteil Prenzlauer Berg ein Verlustgeschäft wären. Und auch das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm stoße schon bald ohne Millionenzuschüssen an seine Grenzen.

„Im Moment funktionieren die Neubauprojekte noch“, so Franzen, selbst auch Chef der landeseigenen Gesobau. „Aber wir können nicht ewig so weitermachen.“ Dass die Rechnung noch aufgeht liege auch daran, dass die Firmen „auf eigenen Grundstücken“ bauen oder auf Flächen im Gegenwert von rund 120 Millionen Euro, die ihnen der Senat dem Finanzsenator zufolge überließ. Aber mit diesen Reserven werden sie allenfalls „die nächsten zwei Jahre noch hinkommen“, um die zigtausende bezahlbaren Wohnungen in Berlin zu schaffen, die bisher fehlen. Danach brauche es Geld vom Land. Oder Grundstücke. Falls nicht noch mehr Berliner leer ausgehen sollen bei der Suche nach erschwinglichen Wohnungen: Jeder zweite Einwohner hat Anspruch auf eine Sozialwohnung.

Erste Gespräche laufen zu dem brisanten Thema, wie die soziale Wohnungspolitik von Rot-Rot-Grün weiter bezahlt werden kann. Das sagten Franzen und Kollatz übereinstimmend. Auch in der Einschätzung der Lage „liegen wir nicht auseinander“, sagte der Finanzsenator. Offen bleibe nur der Zeitpunkt, wann weitere Millionensummen für den sozialen Neubau in die Landesfirmen fließen müssen. Immerhin „haben wir 100 Millionen Euro zurückgelegt“, sagte Finanzsenator Kollatz auf Nachfrage. Mit dem Geld wollte der Senat eigentlich die Grundstücke des Bundes in Berlin kaufen. Doch der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble habe die Verhandlungen gestoppt. Einen anderen „größeren Ankauf“ schloss Kollatz nicht aus.

Soziale Verpflichtungen und die Grenzen des Wachstums

Wie kommt es überhaupt zur Notlage? Hieß es nicht die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen brächten Berlin Millionengewinne ein? Doch, und das betonte Kollatz und nannte Beispiele wie die Degewo, die ihren Gewinn im Jahr 2017 nahezu verdoppelt habe auf 207 Millionen Euro, aber auch alle anderen sind deutlich im Plus. Den Firmen kommen die billigen Kreditmarktzinsen zugute und die Wohnungsnot, die Mieterhöhungen erlaubt. Dass sie trotzdem an die Grenzen ihres Wachstums gelangen, liegt an den sozialen Verpflichtungen, die ihnen der Senat auferlegt.

Diese betreffen auch den Neubau: Jede zweite Wohnung, die sie neu bauen, müssen sie für 6,50 Euro im Rahmen der sozialen Wohnungsbauförderung vermieten. Die andere Hälfte der Wohnungen müssen sie für unter zehn Euro anbieten. Dabei fallen im Neubau nach Angaben der Branche Kosten an, die eine Vermietung der Wohnungen für 12 Euro je Quadratmeter erfordere. Nach dieser Rechnung würden die Landeseigenen in der Verlustzone wirtschaften, was ihnen erspart bleibt, weil sie keine oder nur geringe Kosten für das Grundstück haben.

So preiswertes Wohnen – „das macht sonst keiner“, sagt Franzen jedenfalls. Und es geht gleichsam auf die Substanz. „Die Grundstückspreise haben sich verdoppelt“ zitiert der Manager Berichte des Gutachterausschusses. Dazu kommt der Anstieg der Baupreise: „Die erhöhen sich fast schon in Halbjahresturnus um acht bis zehn Prozent“. Weiteres Problem ist der Malus, ein öffentlicher Auftraggeber mit hohen Anforderungen bei den öffentlichen Ausschreibungen zu sein: Viel Papierkram und Arbeit, den sich Baufirmen ungern antun, zumal es reichlich Alternativen auf dem leer gefegten Markt gibt.

"Das Beste kommt noch"

Diese Randnotiz einer Veranstaltung, die zu deren zentralen Botschaft wurde, soll nicht die guten Nachrichten derselben verdrängen: Eingeladen hatten die Firmen um den Bericht vom Pestel-Institut aus Hannover vorzustellen, der den Segen öffentlicher Firmen für das Land Berlin und die ganze Region anhand von Zahlen belegt. „Zahlungsströme“ in Höhe von 1,7 Milliarden Euro lösen die sechs Firmen aus und die ziehen erhebliche „Wertschöpfungen“ nach sich, die überwiegend in der Region bleiben. Das sind Löhne, Steuern und Abgaben und natürlich Aufträge an die Baubranche und allerhand andere Dienstleistungen rund um die Wohnungswirtschaft.

Finanzsenator Kollatz nahm die Vorlage auf, um den Kurs des Senats bei der Rekommunalisierung öffentlicher Aufgaben zu loben – die „spektakulärste“ darunter, der vollständige Rückkauf der Wasserbetriebe. Für das Land und die Bürger sei diese Politik von Vorteil, weil „möglichst viel der Wertschöpfung in der Region bleibt“ (und nicht beispielsweise über Beteiligungen in fernen Steueroasen abgeschöpft wird) – und für die Berliner weil die Wasserpreise sanken.

Mit einem Zitat von Ex-US-Präsident Obama („das Beste kommt noch“) kündigte Kollatz sogar an: „Sie werden noch mehr sehen von kommunalen“ Beteiligungen. „Wir versuchen das bei der Messe, bei der Berlinovo“ – und es klang wie ein Prüfauftrag bei allen 55 Firmen-Beteiligungen des Landes.

Zumal für den Finanzsenator nicht zuletzt der Rückgang der Zahl der Erwerbslosen auch mit dem „Hochfahren der Kommunalwirtschaft“ zusammenhängt und dem Versuch, die Wertschöpfungskette in Region „zu stabilisieren“.

Anm. d. Red. Unser Leser Stefan Grönebaum weist darauf hin, dass bereits US-Präsident Ronald Reagan den Satz "the best is yet to come" prägte. Zu erwähnen ist außerdem der Song von Frank Sinatra. Finanzsenator Kollatz berief sich ausdrücklich auf Obama, der mit dem Satz für seine zweite Legislatur warb.

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