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Was kann man tun gegen steigende Mieten in Neukölln?
© Kitty Kleist-Heinrich

Verdrängung: Berlin stößt beim Vorkaufsrecht an seine Grenzen

In der Braunschweiger Straße 51 müssen die Mieter um bezahlbaren Wohnraum fürchten und ihnen läuft die Zeit davon. Am Donnerstag endet die Frist für das bezirkliche Vorkaufsrecht.

Daniel Ospelt und seinen Nachbarn läuft die Zeit davon. In der Braunschweiger Straße 51 in Neukölln sitzen sie am Montagabend auf den Treppen des Hausflurs und besprechen die Lage. Es sind 24 Mietparteien in dem Altbau, vom Rechtsanwalt bis zum Sozialleistungsbezieher, junge Familien, Studenten und Senioren wohnen hier. Ein Mehr-Generationen-Haus. Was ihnen allen Sorge bereitet: Vor knapp zwei Monaten wurde ihr Haus an eine Immobilienfirma verkauft, die luxemburgische „Albert Immo S.a.r.l“. „Ein schwer durchschaubares Firmengeflecht. Das hinterlässt ein komisches Gefühl“, sagt Daniel Ospelt.

Am Donnerstag endet die zweimonatige Frist für das bezirkliche Vorkaufsrecht. „Die Angst vor krassen Mietsteigerungen nach Luxussanierungen ist natürlich da“, sagt eine 31-jährige Anwohnerin. „Die Verdrängung hat längst den S-Bahn-Ring erreicht. Das ist doch absurd.“

Als die Mieter im September erfuhren, dass der Eigentümer das Haus verkaufen will, wurden sie hellhörig, berichtet Ospelt. Ein Makler von „Grizzly Investors“ trat auf, betonte bei Wohnungsbegehungen, für eine luxemburgische Familie zu kaufen. Doch die Mieter hatten es mit keinem kleinen Vertreter der Branche zu tun. „Die Maklerfirma wirbt auf ihrer Homepage damit, bereits 100 Millionen Euro in Berliner Immobilien investiert zu haben. Weitere 500 Millionen sollen in den nächsten fünf Jahren folgen“, sagt Ospelt.

Die Bewohner wurden aktiv, bei Twitter, im Internet, schrieben Briefe an die Senatsverwaltung für Finanzen. „Wir fordern den Senat auf, den Bezirk bei der Umsetzung des Vorkaufsrechts zu unterstützen. Dafür ist das Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt doch da“, sagt Ospelt.

„Die Gespräche laufen noch. Ich habe die Hoffnung, dass es noch klappt“

Der Bezirk will von seinem Vorkaufsrechts durchaus Gebrauch machen. In der Vergangenheit hat der Bezirk das Instrument bereits eingesetzt, Prüfungen für zwei weitere Häuser laufen derzeit. „Wir sind vorbereitet, das Vorkaufsrecht auszuüben, sobald ein Käufer gefunden wurde“, sagte Stadtrat Jochen Biedermann (Grüne) am Dienstag. „Die Gespräche laufen noch. Ich habe die Hoffnung, dass es noch klappt.“ Doch eine sogenannte Abwendungsvereinbarung, mit der sich die Käufer auf die Ziele der sozialen Stadtentwicklung verpflichten und hohe Mietsteigerungen ausschließen, hat der Käufer nicht unterschrieben.

Der Fall des Hauses in der Braunschweiger Straße zeigt, wie schnell das Vorkaufsrecht an seine Grenzen stößt. In der Regel wird es zugunsten eines städtischen Wohnungsbauunternehmens ausgeübt. Wenn der Preis über dem Verkehrswert und einem vertretbaren Limit liegt, kann der Berliner Senat einen Zuschuss gewähren. Im Schnitt sind es laut Finanzsenatsverwaltung 362.000 Euro.

Doch wie soll verfahren werden, wenn der Kaufpreis deutlich darüber liegt? Das Haus in der Braunschweiger Straße soll laut Ospelt für 3,8 Millionen Euro verkauft worden sein – eine Million über dem Verkehrswert.

Bei 22 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten läge die Bezuschussung der Stadt bei jeweils rund 40.000 Euro für ein Haus, das sanierungsbedürftig ist, wie Ospelt zugibt. „Hier geht es nicht nur um die Sicherung unserer Mietverhältnisse. Das Ausmaß der Verdrängung sieht man doch überall im Kiez und in der Stadt. Die Politik müsste das Vorkaufsrecht erheblich nachbessern.“ Ospelt zeichnet das Bild einer Stadt, die Entwicklungen verschläft. Und die, um dies abzuwenden, nicht genügend Mittel hat. „Das Vorkaufsrecht ist so nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Der Bezirk muss aktiver werden

Die Mieter schickten bereits im Herbst 2017 Briefe an ihren Eigentümer, appellierten an seine soziale Verantwortung – eine Antwort kam nie. Seither stehen sie in Kontakt mit Biedermann. Obwohl Stadtrat und Bezirk Interesse an einem Ankauf signalisiert haben sollen, verkaufte der Eigentümer an den luxemburgischen Investor. „Auch der Bezirk muss aktiver werden“, sagt Ospelt. „Das gesamte Verfahren war für uns Bewohner viel zu intransparent.“

Um mehr Druck aufzubauen, waren Anwohner Ende Januar in der Bezirksverordnetenversammlung. Dort hatte Grünen-Stadtrat Biedermann Alarm geschlagen: Für die Ausübung des Vorkaufsrechts gebe es vorrangig nur einen Mitarbeiter, dessen Arbeitsfeld eigentlich ein anderes sei. Es gelinge nicht, alle Fälle in der gebotenen Zeit abzuhandeln. „Es braucht mehr Personal“, sagte Biedermann. Der Personalmangel hat Folgen: Ende Januar scheiterte der Bezirk mit dem Vorkaufsrechts für ein Haus in der Herrmannstraße. Das Bezirksamt hatte eine Frist versäumt, um dem Verkäufer notwendige Papiere zuzuleiten – es hatte sich um einen Tag verrechnet.

Bei den Anwohnern der Braunschweiger Straße läuft die Frist am Donnerstag ab. Egal was kommt: Sie denken weiter, wollen einen Verein gründen. Die Ironie daran: Stadtrat Biedermann soll bereits gefragt haben, ob er Mieter anderer betroffener Häuser an den Verein vermitteln könnte. Selbsthilfe aus Personalnot.

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