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Marode Schulen gibt es in Berlin zur Genüge.
© picture alliance / Stefan Schaub

Schulbau und -sanierung in Berlin: Landeseigene Firma soll Milliardenkredite aufnehmen können

Banken sollen beim ambitionierten Senatskonzept zur Schulsanierung eine Milliarde beisteuern. Kritiker erinnern sich an ein ganz dunkles Kapitel des Berliner Finanzfiaskos.

Fünfeinhalb Milliarden Euro sollen es sein, und diese enorme Summe soll in zehn Jahren fließen: in neue und alte Schulgebäude, in Sanierung, Aufbau und Rekonstruktion von Bildungseinrichtungen. Dafür steht das „Konzept Schulbau und -sanierung in Berlin“, das der Senat auf Vorlage von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), wie berichtet, vor Kurzem beschloss.

Opposition und Regierungsfraktionen nahmen das Mammutprogramm mit Gleichmut auf. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Risiken des Vorhabens bisher nicht wirklich bekannt waren: allen voran der Aufbau einer neuen Firma, die Kredite in Milliardenhöhe aufnehmen soll – als neue Tochter einer Landesfirma.

Denn wie in der Senatsvorlage „S-469/2017“ vom Juni zu lesen ist, die dem Tagesspiegel vorliegt, wird „zur Entlastung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bei Neubau- und großen Sanierungsmaßnahmen über zehn Millionen Euro eine Gesellschaft mit eigener Geschäftsführung gegründet“. Deren Geschäfte wird der Senat nur mittelbar kontrollieren.

Tochterfirma soll an Kredite vom Kapitalmarkt herankommen

Die Details überlässt er der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die wiederum der Finanzverwaltung zugeordnet ist. Die Pointe der Konstruktion aber ist: Die neue Firma soll über ein „Profitcenter“ außerdem an Kredite vom Kapitalmarkt herankommen. Geplantes Gesamtvolumen laut Finanzverwaltung: eine Milliarde Euro.

„Da droht ein neuer Schattenhaushalt“ mit unkalkulierbaren Risiken, sagen Kritiker hinter vorgehaltener Hand und erinnern an ein ganz dunkles Kapitel in der Geschichte der Berliner Finanzierungsfiaskos: die abenteuerlichen Immobilienfonds der Bankgesellschaft Berlin. An deren Altlasten arbeitet sich eine Nachfolgegesellschaft (Berlinovo) noch heute ab. Und auch damals wurden die Schulden für Erwerb und Bau von Immobilien vom Land Berlin verbürgt. Bei der neuen Konstruktion ist das ähnlich: „Als Kreditsicherheiten gegenüber den Banken dienen die langfristigen Mieterträge über die Schulgebäude mit dem Land Berlin“.

Kaum zu steuernde Konstruktion aus Firmen, Ämtern und Verwaltungen

Die neue Firma mit dem Freibrief zur Verschuldung ist nicht das einzige Risiko einer undurchsichtigen und kaum zu steuernden Konstruktion aus Firmen, Ämtern und Verwaltungen, die in das 5,5-Milliarden-Projekt eingebunden sind. Da ist zum einen das Bauamt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Da sind außerdem die Bauämter der zuständigen Bezirke. Hinzu kommen „zwei bis vier GmbHs“, die die Bezirke entlasten sollen. Dabei ist bisher noch nicht einmal klar, welche Bezirke und wie viele jeweils eine GmbH gründen.

Zwar sollen die Aufträge entsprechend der Höhe der Bauausgaben verteilt werden – bis zehn Millionen Euro sind die Bezirke und deren GmbHs zuständig, darüber Senat und die neue Firma und Kredit-Profitcenter. Weil aber mindestens drei Senatsverwaltungen (Finanzen, Bildung, Stadtentwicklung) mitreden, dazu noch die Senatskanzlei und alle Bezirke auch Vertreter zum „Entscheidungsgremium“ aussenden werden, ist dichtes Gedränge zu erwarten bei dessen Tagungen.

Damit unter diesen Umständen überhaupt Entscheidungen fallen, soll ein kleineres vorgelagertes „Projektteam“ Vorschläge erarbeiten, über die die „Taskforce“ dann befinden kann, hieß es bei der Senatsverwaltung für Finanzen auf Anfrage. Durch die Konstruktion werde das Land den Interessen der Bezirke gerecht.

Berlin könnte von Hamburg lernen

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Hamburg. Dort gründete die Finanzbehörde vor sieben Jahren eine einzige Firma, die zuständig ist für 400 staatliche Schulen sowie den Bau und die Bewirtschaftung von rund 3000 Schulgebäuden: die „Schulbau Hamburg“ (SBH). Unter der Aufsicht der Finanzbehörde und mit einem Verwaltungsrat aus sieben Mitgliedern ist von einer schlanken, schlagkräftigen Einrichtung auszugehen: 1,3 Milliarden Euro investierte die SBH seit 2011, fast eine halbe Milliarde Euro war es im vergangenen Jahr.

In Berlin verteilt der Senat die 5,5-Milliarden-Investition auf zehn Jahre, die ersten Millionen kommen aus dem Haushalt, die ersten Kredite (90 Millionen) sollen erst im Jahr 2020 fließen und diese schwellen bis zum Ende des Programms auf 1,05 Milliarden Euro an.

Bei der landeseigenen Howoge hieß es auf Anfrage über die neu geplante Bauabteilung mit Kreditvollmacht: „Derzeit laufen erste Gespräche und Überlegungen über die Gründung dieser Gesellschaft“. Festlegungen hinsichtlich der Struktur der Gesellschaft, ihrer finanziellen Ausstattung oder ihrer Einbindung in die Konzernstruktur seien noch nicht getroffen. Diese bedürften der Zustimmung der Aufsichtsgremien, der Finanzverwaltung.

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