Medizin für Flüchtlinge in Berlin: Lageso-Krise: Ärzte fordern mehr Personal
Am Lageso soll die Charité ran – Klinik und Lageso verhandeln über den Einsatz der Hochschulmediziner. Dabei sind Krankenhäuser nicht zuständig, doch Amtsärzte fehlen seit Jahren.
In den ausgedünnten Ämtern arbeiten viele Mitarbeiter am Limit, im Senat ringt man um Ad-hoc-Lösungen, und nun wird auch in den Kliniken der Stadt debattiert: Wie weiter in der Flüchtlingskrise? Nachdem der Tagesspiegel am Dienstag bekannt gemacht hat, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) mit der Charité um Ärzte verhandelt, fragen Beamte und Mediziner: Wer bezahlt die Universitätsärzte? Was ist mit den anderen Kliniken der Stadt? Und wo bleiben die Amtsärzte?
Bisher ist nicht klar, worauf sich der Charité-Vorstand und das Lageso, das Sozialsenator Mario Czaja (CDU) untersteht, einigen wollten. Es werden wohl Dutzende der Hochschulärzte gebraucht, schon weil witterungsbedingt Erkältungen und Infektionen unter den Asylbewerbern zunehmen dürften. Klar ist, die Krise sprengt Routinen und Ressorts: Eigentlich sind für Flüchtlingsuntersuchungen die Ärzte der Bezirke und des Lageso selbst da – also die Amtsärzte und nicht die zwei anderen Säulen des dreigliedrigen Gesundheitssystems: Weder Praxen noch Kliniken sind vorrangig für Reihenuntersuchungen zuständig.
Krankenkassen werden fragen: Wer zahlt?
Seit Jahren mangelt es an Personal in den Ämtern: Insgesamt dürften im öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes mindestens Dutzende – Kenner sprechen gar von bis zu 300 – der 1600 vorgesehenen Stellen unbesetzt sein. Mediziner verdienen in Ämtern weniger als in Kliniken. Es fehlen aber auch Pädagogen und IT-Spezialisten. Genaue Zahlen gibt es bald im Abgeordnetenhaus.
Wie berichtet hilft die landeseigene Charité bislang, indem sie ihre Mitarbeiter zehn Tage lang auf eigene Kosten an drei anderen Flüchtlingseinrichtungen einsetzt. Auf Dauer aber wird die Universitätsklinik, die nur mit viel Druck eine schwarze Null erwirtschaftet, Extramittel brauchen. An der Charité wird zudem um mehr Pflegekräfte verhandelt, denn auf den Stationen mangelt es seit Jahren an Personal – schon ganz ohne dass Flüchtlinge versorgt werden müssen.
Grundsätzlich wird Klinikpersonal von den Krankenkassen bezahlt und Technik sowie Gebäude von den Bundesländern. Die Versicherungen werden also Druck machen, dass die Kosten für den Ärzte-Außeneinsatz über Gelder des Senats an die Charité zurückfließen – zumal sie ohnehin darauf verweisen, dass der Senat weniger für die Instandhaltung seiner mehr als 50 Krankenhäuser ausgibt als andere Bundesländer. Gleiches gilt, wenn das Lageso systematisch Ärzte anderer Kliniken einsetzen sollte.
In Berliner Heimen helfen Mediziner aus vielen Krankenhäusern seit Wochen freiwillig. Einige Kliniken bezahlen ihre Mitarbeiter dafür tageweise. Peter Bobbert, Berliner Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, forderte: Der Staat müsse endlich seiner Aufgabe gerecht werden, statt sich auf die Ehrenamtlichen zu verlassen. „Das darf keine Selbstverständlichkeit werden.“ Der Berliner Ärztekammerchef Günther Jonitz regte an, der Senat solle Ehrenamtliche auf Honorarbasis bezahlen – so ließe sich die Freiwilligenhilfe der Ärzte wenigstens in der aktuellen Not verstetigen.
Situation am Lageso verbessert sich
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat das Lageso am Mittwoch mit dem Flüchtlingskrisenstab besucht. Aus der Senatskanzlei hieß es, Müller arbeite eng mit allen Beteiligten zusammen. Er habe angesichts der Not vor dem Lageso auch mit dem Charité-Vorstand gesprochen.
Die generelle Lage am Lageso hat sich verbessert. Mit Ehrenamtlichen wurde am Wochenende die Technik eines nahen Hörsaals ausgebaut: Nun können Asylbewerber im Haus J warten – und müssen nicht auf dem nassen Rasen vor dem Amt ausharren. Das Lageso befindet sich auf dem Areal des Ex-Krankenhauses Moabit.