Michael Müllers Regierungserklärung zu Coronakrise: „Krisen zu überstehen gehört zur DNA Berlins“
Der Regierende hat bei der Sitzung des Abgeordnetenhauses versucht, die Berliner zu beruhigen. Er appelliert an das Durchhaltevermögen der Menschen.
Trotz der steigenden Zahl von mit dem Coronavirus infizierten Menschen in Berlin will Michael Müller (SPD) drastischere Maßnahmen als die bereits beschlossenen vermeiden. „Wir sollten die beschlossenen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit prüfen, bevor wir neue ergreifen“, sagte der Regierende Bürgermeister während einer Regierungserklärung zum Thema Corona im Abgeordnetenhaus.
Müller zeigte sich „überwältigt von der Disziplin und Hilfsbereitschaft“ einer großen Mehrheit der Berliner und erklärte: „Ich halte eine generelle Ausgangssperre für das allerletzte mögliche Mittel und will sie vermeiden.“
Zwar schränkte der Regierungschef kurz darauf ein, dass es im Fall einer Verschlechterung der Lage „noch weitere Maßnahmen geben kann, die uns weiter einschränken“.
Andererseits warb er für „Besonnenheit, Menschlichkeit und Verständnis“. „Kriegsvokabular“, wie es zuletzt der französische Staatschef Emmanuel Macron mit Blick auf die Corona-Pandemie verwendet hatte, bezeichnete Müller als „leichtfertig und verantwortungslos“.
Sicherheit für Mieter
Er sagte: „Wir brauchen in diesen Zeiten nicht mehr, sondern weniger Ängste“ und nahm für die eigene Koalition in Anspruch, mit den beschlossenen Maßnahmen „den richtigen Ton“ zu treffen. Müller versuchte außerdem Mietern Sicherheit zu geben. „Niemand wird seine Wohnung wegen Zahlungsrückständen verlieren“, versicherte der Bürgermeister.
[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]
Er appellierte außerdem an das Durchhaltevermögen der Berliner. „Krisen zu überstehen gehört zur DNA Berlin“, sagte Müller. „Großeltern werden wieder mit ihren Enkeln übers Tempelhofer Feld spazieren. Wir werden wieder unser Berlin leben. Und dafür lohnt es sich.“
Linke beschwören Freiheitsrechte, Grüne die Rolle des Parlaments
Die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und Linken pflichteten Müller bei. Carola Bluhm (Linke) rief dazu auf, „alle Maßnahmen, die wir jetzt ergriffen haben, mit Augenmaß und Balance“ zu begleiten. Die Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte müsse einhergehen „mit dem unbedingten Willen“, diese wiederherzustellen. „Es ist wichtig, dass uns ein Mindestmaß ein Freiheit erhalten bleibt“, sagte Bluhm und erklärte – genau wie vor ihr bereits Müller – Ausgangssperren seien „kein Allheilmittel“.
Silke Gebel (Grüne) erklärte in ihrer Rede: „Grundrechte sind systemrelevant“. Sie warb dafür, schon jetzt, „am Anfang der Pandemie“, über die Frage „Wie geht es eigentlich weiter?“ nachzudenken.
Gebel lobte ausdrücklich die Arbeit des Regierenden Bürgermeisters, warnte vor „politischen Spielchen“ und betonte die zentrale Rolle des Parlaments. Mit dem auch von der Opposition beklatschten Satz „Gerade in der Krise braucht es starke Parlamente“ erteilte sie der zuletzt aus den Reihen der SPD befeuerten Debatte über die Einführung eines Notparlaments eine klare Absage und ergänzte: „Wir dürfen als Parlament der Exekutive nicht allein das Regieren überlassen.“
Burkard Dregger rät von Vorkaufsrecht ab
Der CDU-Fraktionschef Dregger hingegen nutze seine Redezeit unter anderem dazu, um anzuraten, das Vorkaufsrecht zu auszusetzen. Er forderte die Koalition auf, die Finanzmittel des Landes in der Coronakrise nicht mehr für Immobilienkäufe zu verwenden.
Das brachte ihm wütende Zwischenrufe von der Tribüne und Kritik durch SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der nach Dregger sprach.
[Das Coronavirus in Berlin – alle aktuellen Entwicklungen lesen Sie in unserem Liveblog.]
FDP-Fraktionsvorsitzender Sebastian Czaja mahnte an, dass sich die Landesregierung nicht in „Zuständigkeits-Pingpong“ verlieren dürfe. Die Schließung von Bars, Cafés und Restaurants sei viel zu spät gekommen. Und es bleibt Czaja ein „Rätsel, warum die Spielplätze so lange offen geblieben sind“. Er könne als Vater seiner dreijährigen Tochter nicht erklären, wie die Abstandsregeln eingehalten werden können - auf Spielplätzen.
Czaja sprach davon, dass die Wirtschaft davor stehe, „der nächste Beatmungspatient“ in diesem Lande zu werden. Die Insolvenz stehe bei vielen Unternehmen „im Türrahmen“. Czaja forderte Planungen für ein Konjunkturpaket und als eine Maßnahme eine Halbierung der Gewerbesteuer.