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Feuertanz im Mauerpark - zur Walpurgisnacht 2015.
© Kay Nietfeld/dpa

1. Mai in Berlin: Krawall? Auf das Wetter kommt es an

Der 1. Mai in Berlin: Oft war er ein Tag des Krawalls. Was ist in diesem Jahr zu erwarten? Fragen und Antworten zum Thema.

5000 Demonstrationen gibt es jährlich in Berlin. Die bekannteste und auch die größte findet am 1. Mai statt. Es ist die „Revolutionäre 1. Mai-Demo“, die diesen Tag traditionell beherrscht – und nicht ein Gewerkschaftsaufzug zum „Tag der Arbeit“. Ein Überblick über die Lage in Berlin an diesem Wochenende.

Die „Revolutionäre 1. Mai-Demo“

Sie wird gerne und kürzer auch „18-Uhr-Demo“ genannt, das ist aus der Zeit, als die Marxisten mittags separat mit Hammer und Sichel durch Kreuzberg zogen, damals die „13-Uhr-Demo“. Die Marxisten haben sich vor einigen Jahren aufgelöst, geblieben ist die Demo am Abend. Diese ist unberechenbar. In den vergangenen sechs Jahren hatte es nur einzelne Scharmützel gegeben. Unvergessen ist aber das Jahr 2009, als Minuten nach dem Start eine alle überraschende Gewaltorgie losbrach. Die Polizei wurde an der Skalitzer Straße – ohne offensichtlichen Anlass, aber von einem starken schwarzen Block organisiert – mit einem Steinhagel sondergleichen überzogen.

In diesem Jahr wird wieder der schwarze Block an der Spitze der Demo laufen. Dem Vernehmen nach hat es im Vorfeld eine Abstimmung im Demo-Bündnis gegeben, wer denn an die Spitze darf. 2013 und 2014 stand ein Block „Internationaler Arbeiter“ an der Spitze, die vermummten Autonomen mussten sich in der Mitte einreihen. Daran gab es später massive Kritik, die Demo wurde – aus militanter Sicht betrachtet – als „handlungsunfähig“ eingestuft. Im vergangenen Jahr lief wieder ein schwarzer Block an der Spitze – und es passierte nichts. In einer anschließend auf einer linksextremen Internetseite veröffentlichten internen Analyse hieß es: „Ein Frontblock von 150 Leuten zog fast vollständig vermummt los, hing aber völlig in der Luft, weil dahinter nur lose und unorganisierte Leute folgten, die sich weder kannten noch Ketten bildeten.“ Anders gesagt: Krawall und Revolte waren unmöglich, weil die Massen nicht spurten.

In diesem Jahr sind sich Polizei und Organisatoren sogar einig. Die Mobilisierung ist schwach für den 1. Mai, wie Einsatzleiter Siegfried-Peter Wulff sagte. Michael Prütz vom „Internationalistischen Block“ der Demo formuliert noch schärfer: „Die Mobilisierung ist ein einziges Desaster, ich bin nicht begeistert.“ Die Route der 18-Uhr-Demo ähnelt der des Vorjahres: Von Kreuzberg zum Rathaus Neukölln und dann vom Hermannplatz in Richtung Kottbusser Tor. Sie darf nicht durch das Myfest ziehen. Wie berichtet, gibt es heftigen internen Streit im Demobündnis wegen angeblich antisemitischer Formulierungen einiger teilnehmender palästinensischer Gruppen. Die israelfreundliche „Ökologischen Linke“ hat sich deswegen unter Protest aus der „Revolutionären“ Demo zurückgezogen. Streit zwischen israelfreundlichen und arabischen Gruppen gehört in der linken Szene dazu, vor vielen Jahren haben sich beide Lager am 1. Mai während der Demo gegenseitig verprügelt.

Das Myfest

Das gibt es seit 2003, soviel wie in den letzten Monaten wurde jedoch noch nie darüber diskutiert und gestritten. Bekanntlich ist das Fest in den Jahren immer größer geworden, 2015 war es dann zu einem exzessiven Massenbesäufnis gekommen, das nicht nur das eigentliche Festgebiet (über-)füllte, sondern halb Kreuzberg 36. Der Bezirk Kreuzberg hatte sich geweigert, das Myfest noch einmal zu veranstalten, es stand lange auf der Kippe. Da das Fest für die Polizei zur Krawall-Eindämmung ausgesprochen wichtig ist, wurde in den vergangenen Wochen eine neue Form gefunden. Die sieht so aus: Bei der Polizei sind jetzt drei „politische“ Versammlungen vom Bezirk angemeldet, jeweils in einer Straße. Dazwischen (auf den Rettungswegen) dürfen keine Bühnen oder Stände sein. Die Polizei erwartet dennoch wieder 40.000 Besucher, da der Event es in viele Reiseführer geschafft hat. In weiten Teilen von Kreuzberg 36 gilt am 1. Mai ein Verkaufsverbot von Glasflaschen und Getränkedosen. Die zugelassenen Stände von Anwohnern dürfen keinen Alkohol verkaufen.

Die Walpurgisnacht

Der 1. Mai beginnt in Berlin immer schon am 30. April, mit der so genannten Walpurgisnacht. Diese findet seit mehreren Jahren im Wedding statt, um „politischer“ zu sein. Frühere Walpurgisnachten waren Massenbesäufnisse von Punks am Boxhagener Platz in Friedrichshain oder am Mauerpark in Mitte, mit anschließendem Steinwerfen auf die Polizei. Das ist vorbei. In diesem Jahr startet die Demonstration am Sonnabend gegen 17 Uhr am U-Bahnhof Osloer Straße. Sie zieht unter dem Motto „Gegen Verdrängung“ durch Gesundbrunnen bis zur Bernauer Straße.

Die Gewerkschafter

Sie machen jedes Jahr das gleiche Programm: Es gibt den „Traditionellen DGB-Aufzug“ (O-Ton Polizeipräsidium) als Demonstration, als Motorrad- und als Fahrradkorso. Die drei Teile sammeln sich jeweils um 9 Uhr, um 10 Uhr beginnt auf der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor die Kundgebung des DGB. Sie steht unter dem Motto „Zeit für mehr Solidarität“. „Wir treten ein für eine solidarische Gesellschaft mit guter Arbeit, Bildung, sozialer Absicherung und sicherer Rente für alle“, heißt es im Aufruf des DGB. Hauptredner am 1. Mai in Berlin wird DGB-Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell sein.

Und sonst?

Es mischt auch wieder die NPD mit. In diesem Jahr wollen bis zu 50 Teilnehmer um NPD-Chef Sebastian Schmidtke an drei Orten Kundgebungen abhalten, und zwar um 10 Uhr am Antonplatz in Weißensee, um 12 Uhr am Prerower Platz in Hohenschönhausen und um 14 Uhr am Bahnhof Schöneweide. 2015 hatte es zwei derartige Auftritte gegeben, die störungsfrei verliefen. Die letzte große rechtsextremistische Demo am 1. Mai hatte es 2013 in Schöneweide gegeben. Damals hatten mehrere tausend Gegendemonstranten versucht, den Aufmarsch von knapp 500 Rechten zu verhindern. Die Polizei war mit mehreren tausend Beamten schon am Vormittag im Einsatz gewesen, um beide Lager zu trennen. Diese Doppelbelastung bleibt der Polizei erspart, stationäre Kundgebungen lassen sich polizeilich einfach abschirmen, zudem dürfte das Interesse linker Gruppen zu Protesten gegen Minikundgebungen nur schwach sein. Zudem gibt es am Mittag des 1. Mai eine kleine linksextremistische Demo „Neukölln bleibt rot“ vom Karl-Marx-Platz zum Hermannplatz.

Die Polizei

Sie muss die Demonstrationen sichern und den Verkehr regeln. Aus Erfahrung der Vorjahre gilt: Für die Verkehrsregelung ist vor allem am Nachmittag und am Abend in Kreuzberg kein Personal mehr da, der Autoverkehr muss sich irgendwie seinen Weg suchen. Wie im Vorjahr werden voraussichtlich 6500 Beamte im Einsatz sein, darunter etwa 1800 aus sieben anderen Bundesländern. In den Jahren zuvor waren es etwa 7000. Neu ist in diesem Jahr, dass alle Unterstützungskräfte – teilweise für drei Nächte – in Hotels untergebracht werden. Denn die Polizeikasernen, in denen sie sonst Quartier bezogen, sind derzeit mit Flüchtlingen belegt. Luxushotels wie das Adlon wurden nicht gebucht, sondern Häuser wie das Estrel in Neukölln, die viel Platz auch für die zahlreichen Polizeiautos bieten.

Das Wetter

Es wird wohl nicht so schön wie im Durchschnitt der vergangenen fast 30 Jahre, wenn man den Meteorologen Glauben schenkt. 17 Grad sollen es werden, mit 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit. Das könnte die Köpfe ein wenig kühlen.

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