Monika Herrmann, 1. Mai: Bezirksbürgermeisterin stellt Myfest in Frage
Überfüllt, nicht mehr sicher, zugemüllt: Für das Myfest in Kreuzberg erwägt Bürgermeisterin Monika Herrmann radikale Lösungen – bis hin zur Absage. Und die Bilanz der Polizei: Der friedlichste 1. Mai seit Beginn der Krawalle.
Polizeilich hat Berlin den 1. Mai inzwischen im Griff – aber ein anderes Problem macht dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zunehmend zu schaffen. Das „Myfest“, einst als Mittel gegen den Krawall eingeführt, ist außer Kontrolle geraten. „Die Kapazitätsgrenze ist erreicht“, sagt die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann am Tag danach. Schon um 14 Uhr war am Freitag das erlaubte Limit an Besuchern erreicht, die ersten Eingänge wurden von den Ordnern gesperrt. In jedem Jahr seien mehr Besucher gekommen, so könne es nicht weitergehen.
Kritisch sei die Sicherheitslage wegen der vielen Baustellen vor allem am Kottbusser Tor gewesen. Das war ein Flaschenhals, sagt Herrmann, auch dort habe sie vorher „Bauchschmerzen“ gehabt. Vorsorglich hatte die Polizei in diesem Jahr erstmals den Kreisverkehr ganztägig komplett abgegittert, nur die äußeren Gehwege waren offen. Der Einsatzleiter der Polizei, Michael Krömer, sagt, dass der Platz wegen der Baustellen „völlig unübersichtlich“ sei: eine immense Gefahrenquelle. „Wir haben viel Glück gehabt“, lautet das Resümee der Bezirkschefin.
Fest vergrößern, verkleinern oder sogar absagen
Wie geht es nun weiter? Herrmann nennt drei Lösungen, die „intensiv diskutiert“ werden sollen: Das Festgelände vergrößern oder verkleinern oder es sogar ganz absagen. Die vierte Variante mögliche Variante sei eine Verlagerung, zum Beispiel aufs Tempelhofer Feld. Diese scheide jedoch aus, „Das Fest gehört nach 36.“ Denkverbote dürfe es nicht geben, sagt Herrmann. Auch unter den Anwohnern wachse der Unmut: „Viele aus dem Kiez sagen, das ist nicht mehr das Fest, das wir uns mal ausgedacht haben“.
Tatsächlich waren am Freitag viele Tausend Touristen auf dem Fest unterwegs, in Kreuzberg, in den Parks und selbst auf der 18-Uhr-Demo. „Der Termin steht ja mittlerweile in jedem Reiseführer.“ Nach Polizei-Einschätzung ist das Festgebiet mit 40.000 Menschen maximal ausgelastet. Auch mit der Polizei will Herrmann nun „genau analysieren“, ob es so weitergehen kann. Michael Krömer, der zum zweiten Mal den gesamten Einsatz am 1. Mai leitete, bestätigt, dass die Lage am Fest ausgewertet werde: „Die Frage ist, wie können wir mehr Sicherheit einbauen?“, sagt Krömer.
39 Polizisten leicht verletzt, niedrigste Zahl seit 20 Jahren
Und das, wo der 1. Mai ansonsten weitgehend befriedet scheint. Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt zogen am Sonnabend ein „überwiegend positives Fazit“. Nur 45 Menschen wurden festgenommen, nur einer erhielt einen Haftbefehl. Im ebenfalls friedlichen Vorjahr gab es 65 Festnahmen. „Die Dominanz der Gewalt ist gebrochen“, sagt Henkel. Unter den 18.000 Demonstranten bei der abendlichen Demo waren 650 potenzielle Gewalttäter, doch der „Funke der Gewalt sprang nicht über“, sagt Henkel.
39 Polizisten wurden leicht verletzt, die niedrigste Zahl seit mehr als 20 Jahren. Zum Vergleich: Bei den bislang letzten heftigen Ausschreitungen 2009 wurden 500 Beamte verletzt. Zahlenmäßig war es dieses Jahr der friedlichste 1. Mai seit Beginn der Krawalle im Jahr 1987. „Das Myfest war wieder der Erfolgsgarant“, sagt Henkel. Bekanntlich war das Kiezfest vor 13 Jahren von Polizei und Bezirk erfunden worden, um den Randalieren den Raum zu nehmen. Und um diesen Teil von „SO36“ am 1. Mai den Bewohnern zurückzugeben.
18.000 Menschen bei der Demo am Abend
Was jetzt offenbar an seine Grenzen stößt. Das Gedränge in und vor dem Myfest ist dabei nur ein Problem. Das „wilde Fest“ außerhalb des offiziellen Myfest-Geländes habe fast ganz 36 erfasst, sagt Bürgermeisterin Herrmann. In allen Straßen rund um den Görlitzer Park und in der Grünanlage selbst waren weitere Menschenmassen unterwegs, die nur keiner gezählt hat. Alle, wirklich alle Lokale rund um das Myfest-Gelände hatten ebenfalls Stände auf den Gehwegen aufgebaut mit Musik und Essen. Der Straßenverkehr war wegen der Feiernden schon nachmittags zum Erliegen gekommen. „SO36 ist zu klein für dieses Fest“, sagt Herrmann.
Heikel sind aus Sicht von Experten neben den Eingängen auch die großen Bühnen, die in den engen Straßen aufgebaut sind und jeweils hunderte Zuhörer anziehen. Selbst einzelne Passanten können kaum noch diese Stellen passieren, Mütter mit Kinderwagen gar nicht mehr. In diesem Jahr blieb sogar die traditionelle „17-Uhr-Demo“ im Festgewühl mehrfach stecken. Dass die „Revolutionäre“ Demo am Abend, an der laut Polizei 18.000 Menschen mitliefen, am Lausitzer Platz endete, sei nicht gut gewesen. Der Platz sei schon voll gewesen, auch dort habe man Glück gehabt, sagt Herrmann.
Berge von Gerümpel im Görlitzer Park
Ein weiteres Problem ist der Müll. Noch keinen Überblick gebe es über die Mengen nach dem Fest. Zuständig dafür ist nach Herrmanns Angaben die Stadtreinigung BSR. Anders in den Grünflächen: Auf dem Oranienplatz bezahlt der Bezirk mit Myfest-Geld Alba, der Mariannenplatz wird auf Kosten der Linkspartei, die dort feiert, von Alba gereinigt.
Das größte Problem hat das bezirkliche Grünflächenamt, nämlich den Görlitzer Park. Zigtausend Besucher haben dort gut 10.000 Flaschen und Berge von Gerümpel hinterlassen. Ganztägig saßen dort dichtgedrängt Menschen und feierten – ohne sich um ihre Hinterlassenschaften zu kümmern.