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Der Gebäudekomplex hat eine Gesamtfläche von 312 000 Quadratmetern. Doch der frei verfügbare Raum ist begehrt.
© picture alliance / dpa

Behörden drängen ins ehemalige Flughafengebäude: Konzept für das Tempelhofer Kreativzentrum wackelt

Rot-Rot-Grün streitet über den Nutzungsplan für das Gebäude. Die SPD hätte gern mehr Platz für Behörden – doch Kultur und Kreative hätten dann das Nachsehen.

Die Pläne für eine bunte, vielfältige Nutzung des Flughafengebäudes in Tempelhof stehen wieder infrage. Europas größtes Baudenkmal, großenteils immer noch in einem ruinösen Zustand, sollte in den nächsten Jahren für „Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“ hergerichtet werden. Inzwischen drängt vor allem die SPD darauf, den historischen Standort zu einem Verwaltungszentrum auszubauen.

Der Raumbedarf der Landes- und Bezirksbehörden, die aus allen Nähten platzen, wurde bereits abgefragt. Ende August trifft sich der Aufsichtsrat der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH, um in einer Klausurtagung die künftige Nutzung des Gebäudes neu zu sortieren. Der angemeldete Flächenbedarf der Verwaltung sei so groß, dass er „im Gebäude nicht abgebildet werden kann“, sagte die Sprecherin der Projektgesellschaft, Irina Dähne. Ziel sei aber weiterhin ein „breiter Nutzungsmix“. Das letzte Wort hat der Senat, der das neue Nutzungskonzept beschließen muss.

Polizei möchte weitere Flächen nutzen

Öffentliche Mieter sind bisher der Polizeipräsident, das Landeskriminalamt und die Verkehrslenkung Berlin. Die Berliner Polizei ist schon lange an weiteren Flächen interessiert. Auch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg würde sich gern im früheren Terminal einmieten. „Das riesige Gebäude muss auch für die Berliner Verwaltung nutzbar gemacht werden“, formuliert der SPD-Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz den koalitionsintern strittigen Anspruch seiner Partei. Er beklagt, dass die Regierungsfraktionen in dieser Frage bisher nicht auf einen Nenner gekommen sind.

Der Versuch, sich auf einen gemeinsamen Parlamentsantrag von SPD, Linken und Grünen zu einigen, blieb bisher ergebnislos. Zwar sieht der Koalitionsvertrag auch eine „öffentliche Nutzung“ vor, doch Polizei und Verkehrslenkung beanspruchen jetzt schon 70 Prozent der vermieteten Fläche im Flughafengebäude.

Zum Tag der offenen Tür waren noch Ideen gefragt, jetzt fordert die wachsende Verwaltung zusätzliche Flächen.
Zum Tag der offenen Tür waren noch Ideen gefragt, jetzt fordert die wachsende Verwaltung zusätzliche Flächen.
© Jörg Carstensen/dpa

Die Grünen sehen deshalb enge Grenzen für eine zusätzliche Vergabe von Räumen an die Berliner Verwaltung. „Wir sind unglücklich mit der Situation und es besteht das Risiko, dass wegen des Nutzungsstreits, aber auch wegen akuter Sanierungsprobleme bis zur Wahl 2021 nichts mehr passiert“, sagte ein führender Grünen-Politiker. Das Gebäude habe sich leider zu einer „großen Projektionsfläche“ für alle möglichen Bedürfnisse entwickelt.

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In nackten Zahlen sieht das so aus: Das alte Terminal verfügt über eine Gesamtfläche von 312.000 Quadratmetern. Davon sind derzeit 78.600 Quadratmeter an etwa hundert Einzelmieter vergeben. Für Veranstaltungen stehen in den Hangars 50.100 Quadratmeter zur Verfügung, zusätzlich 10.500 Quadratmeter für das geplante Alliierten-Museum. Weitere 107.000 Quadratmeter Neben-, Verkehrs-, Logistik- und Technikräume sind grundsätzlich unvermietbar.

Viele Flächen sind gar nicht nutzbar

Es bleibt ein nutzbares Flächenpotenzial von 65.800 Quadratmetern, von denen nach Angaben der Stadtentwicklungsverwaltung lediglich 20.000 Quadratmeter für Büroräume geeignet sind. Dies erklärt den aktuellen Konkurrenzkampf. Der große Rest ist als „Arbeitsstätte“ nicht nutzbar, es handelt sich um Keller- und Lagerräume oder Dachgeschosse. Außerdem muss die gesamte Flächenreserve erst einmal grundsaniert werden. Untersuchungen der Bausubstanz in den vergangenen zwei Jahren ergaben nach Angaben der Projektgesellschaft einen „deutlichen Handlungsbedarf im Bereich des Brandschutzes“. Ein Maßnahme-, Zeit- und Kostenplan für die schrittweise Sanierung des Gebäudes ist noch in Arbeit.

Bis es ein neues Konzept für die Flächennutzung in Tempelhof gibt, ruht auch die Bürgerbeteiligung. Das aufwendige Verfahren, das im November 2017 mit einer Ideensammlung begann, wurde im Februar dieses Jahres jäh gestoppt. Das Planungsbüro, das den Prozess im Auftrag der Stadtentwicklungsbehörde steuerte, gab auf. „Unklare politische Signale sowie ein fehlendes Gesamtnutzungskonzept“ hätten zur Verunsicherung der Beteiligten beigetragen, sagte Dähne. Klare politische Vorgaben seien Voraussetzung für die erfolgreiche Fortführung des Partizipationsprozesses.

Die Terrasse auf dem südwestlichen Kopfbau des Flughafengebäudes verspricht spektakuläre Aussichten.
Die Terrasse auf dem südwestlichen Kopfbau des Flughafengebäudes verspricht spektakuläre Aussichten.
© mlzd Architekten, Biel

Die Koalitionsfraktionen haben nun die Chance, diesen Klärungsprozess im Rahmen der parlamentarischen Haushaltsberatungen für 2020 und 2021 voranzutreiben. Vorsichtshalber bat die Stadtentwicklungsverwaltung den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses, der das Thema mangels verbindlicher Senatsberichte seit Monaten vor sich herschiebt, um Fristverlängerung bis Ende September.

Seit Januar 2018 wird über das schwierige Thema intern diskutiert. Damals schlug die SPD-Fraktion auf einer Klausurtagung vor, den denkmalgeschützten Bau so schnell wie möglich dauerhaft nutzbar zu machen. „Tempelhof darf kein zweites Internationales Congress Centrum werden“, forderte der SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Das ICC steht seit 2014 leer. Für Tempelhof stellte Rot-Rot-Grün daraufhin 131,9 Millionen Euro zur Verfügung, von denen bisher nicht einmal eine Million Euro ausgegeben wurde.

Immerhin soll in diesem Herbst in der Eingangshalle des alten Flughafen-Terminals als „vorgezogene Maßnahme“ ein Besucher- und Informationszentrum eröffnet werden. Der alte Tower und das Dach werden nach einer umfänglichen, teuren Sanierung frühestens 2022 öffentlich zugänglich sein.

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