Gedenkstätte Hohenschönhausen: Knabes Klage gegen Freistellung: Panne beim Kultursenator
Hubertus Knabe will am Montag zur Gedenkstätte zurückkehren. Die Kulturverwaltung hätte dies offenbar durch einfache juristische Mittel verhindern können.
Der Senatskulturverwaltung ist offenbar eine Panne bei den juristischen Auseinandersetzungen um die Entlassung von Hubertus Knabe als Chef der Stasiopfer-Gedenkstätte unterlaufen. Die von Knabe beim Landgericht erwirkte einstweilige Verfügung gegen seine Freistellung und für eine vorläufige Weiterbeschäftigung hätte von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) durch einfache juristische Mittel verhindert oder zumindest gemildert werden können.
Nach Tagesspiegel-Informationen aus Kreisen der Gedenkstätte soll die Kulturverwaltung keine sogenannte Schutzschrift beim Landgericht hinterlegt haben. Die Kulturverwaltung war am Sonntag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Eine Schutzschrift ist eine Art Präventivverteidigung. Mit dieser hätte verhindert werden können, dass das Landgericht Knabes Antrag folgt, ohne dass die Kulturverwaltung angehört wird. Zudem hätte das Gericht die Argumente der Kulturverwaltung prüfen müssen. Häufig werden einstweilige Verfügungen beim Vorliegen von Schutzschriften nicht, nur teilweise oder erst nach mündlicher Verhandlung erlassen. Jetzt aber muss die Kulturverwaltung Knabes vorläufige Rückkehr hinnehmen und Widerspruch einlegen, damit die Zivilkammer darüber mündlich verhandeln kann.
Dass Knabe vor das Landgericht zieht, hätte der Kulturverwaltung spätestens seit der Entscheidung des Arbeitsgericht Berlin von vor eineinhalb Wochen klar sein müssen, hieß es. Nach einer Rüge der Gedenkstättenstiftung hatte das Arbeitsgericht entschieden, dass es nicht für Knabes Kündigungsschutzklage zuständig ist - sondern das Landgericht. Denn Knabe ist kein normaler Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst: Zunächst ist er als Vorstand ein Organ der Gedenkstättenstiftung, daran ist der Posten als Direktor gekoppelt.
Mit Spannung wird erwartet, wie Lederers Verwaltung mit Knabes Rückkehr umgeht. Die Kulturverwaltung muss die Anordnung, Knabe bis zum Frühjahr weiterzubeschäftigen, zwar zunächst umsetzen. Andernfalls droht ein vom Gericht verhängtes Ordnungsgeld von 25.000 Euro - oder Ersatzhaft. Als Dienstherr kann die Verwaltung Knabe aber auch Anweisungen geben.
Aus Kreisen der Gedenkstätte war am Sonntag von mehreren Seiten von einem Horrorszenario die Rede - vor allem für die Frauen. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und aber auch die breite Mehrheit der Mitarbeiter hätten Knabes Entlassung als Neuanfang, teilweise als Befreiung im Arbeitsalltag empfunden, hieß es am Sonntag von Insidern. Derzeit ist die als Vertrauensperson eingesetzte DDR-Bürgerrechtlerin und Ex-Chefin der Stasiunterlagenbehörde Marianne Birthler dabei, die Gedenkstätte zu stabilisieren und ein neues Arbeitsklima zu etablieren.
Knabe äußerte sich über Twitter
Auch Knabe, der in den vergangenen Wochen Anfragen unbeantwortet ließ, äußerte sich am Sonntag via Twitter. „Ich freue mich, dass ich mich ab Montag wieder meiner Lebensaufgabe widmen kann: der Aufarbeitung des in der DDR begangenen Unrechts“, erklärt Knabe. „Zusammen mit den Zeitzeugen und dem wunderbaren Team der Gedenkstätte möchte ich wieder mit ganzer Kraft meinen gesetzlichen Aufgaben nachkommen und dabei mit dem Stiftungsrat vertrauensvoll zusammenarbeiten.“ Er danke allen für den großen Zuspruch, den ich in den vergangenen Wochen erhalten habe.
Der Stiftungsrat hatte erklärt, kein Vertrauen zu Knabe mehr zu haben
Der von Lederer geführte Stiftungsrat, in dem auch eine Vertreterin von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sitzt, hatte am 25. September einstimmig entschieden, Knabe zum 31. März 2019 zu entlassen und bis dahin freizustellen. Er soll nach Auffassung Lederers und Grütters' über Jahre geduldet haben, dass sein ebenfalls entlassener Vize Helmuth Frauendorfer - wie von dessen Anwalt teilweise eingestanden - Mitarbeiterinnen sexuell belästigt hat. Zudem soll Knabe trotz Maßgaben der Kulturverwaltung nicht dagegen eingeschritten sein. Der Stiftungsrat hatte erklärt, kein Vertrauen in Knabe zu haben, den nötigen Kulturwandel an der Gedenkstätte herbeizuführen - im Gegenteil.
Der Fall schlägt politisch Wellen
Auch politisch schlägt Knabes Rückkehr Wellen. Kritiker werten die Entscheidung des Gerichts als Bestätigung dafür, dass Lederer und Grütters Knabe los werden wollen, weil dieser ein unliebsamer Kritiker der Linkspartei sei. Dabei hatten Lederer und auch Grütters das ausdrücklich dementiert. Bei den Äußerungen der Knabe-Unterstützer ist von den Vorwürfen gegen Knabe und seinen Vize Frauendorfer keine Rede. Vielmehr wird behauptet, Knabe sei vor der Entlassung nicht angehört worden. Auch das hatten Lederer und der Stiftungsrat dementiert.
Stefan Förster, Wissenschaftspolitiker der FDP im Abgeordnetenhaus wertet die Entscheidung des Landgerichts nun als „deutliches Signal dafür, dass dem unbequemen Gedenkstättenleiter eben doch aus politischen Gründen der Stuhl vor die Tür gestellt wurde.“ Dafür seien Lederer und Grütters die Hauptverantwortlichen. Sie sollten die Gerichtsentscheidung akzeptieren und die Kündigung zurücknehmen. "Sonst wird die Causa Knabe bald zum politischen Stolperstein für die politisch Verantwortlichen“, warnte Förster.
Mit einem Spendenaufruf soll Knabe finanziell unterstützt werden
Der sächsische Bundestagsabgeordnete und Vize-Chef der Unionsfraktion Arnold Vaatz sagte der "Bild"-Zeitung: „Das Gericht hat mit seiner Einstweiligen Verfügung klargestellt, dass Lederer die Stiftung ohne triftige Gründe seines Leiters beraubt hat.“ Vaatz ist einer von acht Erstunterzeichnern eines Spendenaufrufs, um Knabe bei seinen Klagen und Prozessen finanziell zu unterstützen. „Mit der Entlassung Knabes sollte ein Enthauptungsschlag“ gegen die Stasi-Gedenkstätte geführt werden. Wie nur wenige andere Historiker habe Knabe immer wieder auf die Verbrechen der SED hingewiesen, sagte Vaatz. „Mit fadenscheinigen Begründungen hat der Berliner Kultursenator versucht, ihn deshalb aus dem Weg zu räumen. Offensichtlich hat er damit gegen geltendes Recht verstoßen.“ Der Verdacht stehe im Raum, dass die handstreichartige Entlassung politisch motiviert war, um einen unbequemen Kritiker und Mahner auszuschalten.
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