Kriminalität in Berlin-Moabit: Kleiner Tiergarten: Gefährlich oder nicht?
540 Drogenstraftaten in diesem Jahr, doch als "kriminalitätsbelastet" stuft die Polizei den Park nicht mehr ein - manche macht das skeptisch.
Es ist ein Stigma. Haftet es einem Ort einmal an, wird er es schwer wieder los: kriminalitätsbelasteter Ort, in Polizeideutsch: kbO. Der Kleine Tiergarten ist seit dem 24. Oktober kein kbO mehr, die Polizei hob den Status auf, ohne es groß mitzuteilen. Aber irgendwie ist er es für manche eben doch noch.
Marc Urbatsch, für die Grünen in Moabit direkt ins Abgeordnetenhaus gewählt, sagt: „Vor allem im Dunkeln geht da niemand gern durch." Der Kleine Tiergarten liegt zwischen den Ausgängen des U-Bahnhof Turmstraße, erstreckt sich diesseits der Stromstraße und jenseits des seit der Flüchtlingskrise weltbekannten Lageso, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales. Der Park schlängelt sich durch den Stadtteil Moabit, der durch Baumaßnahmen und das Hinzuziehen und Hinwegdrängen von Menschen sein Gesicht mit jedem Jahr zu ändern scheint. Wie dieser Park.
2015 waren es nur 65, jetzt über 500
Urbatsch fragte beim Senat die aktuellen Kriminalitätszahlen ab. 540 Fälle von Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln zählt die diesjährige Statistik. Zum Vergleich: 2015 waren es 65 im gleichen Zeitraum, von 1. Januar bis 20. November. Der große Anstieg kam schon vor einem Jahr. 2016 erhöhte sich die Zahl auf 480. Anwohner berichteten, viel häufiger von zumeist jungen Männern angesprochen zu werden, ob man Drogen kaufen wolle. Auch zu Beschaffungstaten kam es, etwa zu Raubüberfällen. Die Polizei reagierte und erklärte den Ort 2016 zum kbO. Eigentlich macht sie dies intern, eben um eine Stigmatisierung zu vermeiden, bei etlichen Berliner Orten aber ist klar, dass sie es sind.
Die Polizei legt es anhand von Häufung und Schwere der Straftaten, etwa bei Raub, gefährlicher Körperverletzung oder Drogenhandel fest. So darf sie ohne konkreten Verdacht kontrollieren.
Weniger Körperverletzung, weniger Raub
Im Kleinen Tiergarten darf die Polizei das jetzt nicht mehr. „Nur weil dieser Ort nicht mehr als kbO deklariert ist, heißt das nicht, dass dort keine Polizeimaßnahmen mehr stattfinden. Kontrollen und Einsätze wird es natürlich weiterhin geben“, sagt eine Polizeisprecherin. Viele Straftaten wurden auch weniger häufig begangen: Körperverletzungsfälle sanken von 228 im letzten auf 96 Fälle in diesem Jahr. Taschendiebstahl von 213 auf 105, Raub von 45 auf 21 Fälle. Karsten Woldeit, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion erklärt die positiven Zahlen so: „Wenn ich weniger Polizisten einsetze, habe ich auch weniger Straftaten, wegen denen ermittelt wird.“
Die Senatsinnenverwaltung verweist hingegen auf eine „brennpunktorientierte Kriminalitätsbekämpfung“, bei der Maßnahmen mit dem Schwerpunkt Drogenbekämpfung, Raub und Körperverletzung durchgeführt würden und „uniformierte Präsenzmaßnahmen“. Hakan Tas, Innenexperte der Linken in Berlin, findet das richtig, damit die Berliner sich sicher fühlen: „Allein, dass ein Ort als kbO geführt wird, heißt nicht, dass die Leute da sicherer sind“, sagt Tas.
"Erbsenzählerei, solange die Zusammenarbeit klappt"
So sieht es auch Ralf Köhnlein vom Verein Fixpunkt. Er leitet das Projekt „Mobile Sozialarbeit“. Die Sozialarbeiter knüpfen Kontakte zu den Trinkern oder zu denen mit anderen Suchtproblemen, die sich im Park treffen, und machen Hilfsangebote. Köhnlein kennt den Ort allzu gut. „Erst war der Park kein kbO, dann war er es, jetzt nicht mehr. Ich finde das ist Erbsenzählerei, solange es einfach klappt“, sagt Köhnlein. Damit meint er die Zusammenarbeit mit der Polizei. In seinen Augen reagiere die dort „sensibel und situativ“.
Marc Urbatsch möchte die positive Entwicklung gar nicht verneinen, doch ihn wundert, warum der neue Status nicht kommuniziert wurde: „Warum macht man dann keine Erfolgsmeldung?“ Ein freundlicher Ort sei der Kleine Tiergarten noch lange nicht.
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