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Klaus Wowereit
© dpa

Der Fall André Schmitz und seine Folgen: Klaus Wowereit, allein zu Haus

Das Verhalten des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit in der Steueraffäre um André Schmitz provoziert immer mehr Kritik. Wer hält noch zu ihm?

Die Berliner CDU geht wegen der Steueraffäre um Staatssekretär André Schmitz zunehmend auf Distanz zum Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). An der Parteibasis wie auch in der Führung des kleineren Koalitionspartners herrsche „blankes Unverständnis, dass Wowereit einfach so weitermacht wie bisher“, sagte der Vize-Landesvorsitzende der Berliner CDU, Michael Braun, am Mittwoch auf Anfrage. „Wir sind enttäuscht, dass wir über den Vorgang nicht informiert wurden, das war ein politischer Fehler“, ergänzt der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel, der auch im Landesvorstand seiner Partei sitzt. Wowereit habe „politisch instinktlos“ gehandelt. Abgeordnetenhausmitglied Burkard Dregger, Beisitzer im CDU-Landesvorstand, kann es sich nicht erklären, „wie Wowereit davon ausgehen konnte, dass so etwas nicht in die Öffentlichkeit dringt“.

Was sind Wowereits Gründe für die Geheimhaltung?

Für Rechtsprofessor Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität hat Wowereit – der weiterhin im Skiurlaub weilt – in der Steueraffäre seines Staatssekretärs „nach Gutsherrenart“ gehandelt, indem er Schmitz mit seiner einsamen Entscheidung „vergeben“ habe. „Wowereit hätte mindestens ein Gremium einberufen müssen, das den Fall aufarbeitet“, sagt Schwintowski. Schmitz’ Anonymität hätte er in dieser Zeit wahren können. „Wir sollten einen Kodex für politisch herausgehobene Personen einführen“, fordert der Rechtsprofessor. Aktiengesellschaften hätten so etwas und sogar die landeseigenen Unternehmen Berlins. Zum Kern des politischen Auftrages zähle der „sorgsame Umgang mit Steuergeldern“. Dies sei eine Frage der „Kultur des Rechtsstaates“ und entscheide über das Vertrauen von dessen Mitgliedern in diesen. Dass er dies nicht begriffen hatte im Umgang mit Schmitz’ Steuerdelikt, nennt der Rechtsprofessor „Wowereits ethisches Defizit“.

Der Staatsrechtler und Mitglied der Ethik-Kommission des Landes, Christian Pestalozza, hält es für möglich, dass Wowereit das Steuervergehen von Schmitz abgewogen habe und den Verdacht eines Dienstvergehens „verneint habe“. Dann könne er auch kein Disziplinarverfahren einleiten. Aus Gründen der „politischen Hygiene“ hätte der Regierungschef aber „dem Senatskollegium die Information vorlegen müssen“, sagt Pestalozza. Denn der Senat entscheide über die Versetzung eines seiner Mitglieder in den einstweiligen Ruhestand. Und durch die Information hätte der Senat auch im Fall Schmitz „eine bewusste Entscheidung“ getroffen. Er sei sehr daran interessiert, „die Gründe für die Geheimhaltung“ zu erfahren.

Ramona Pop: "Wowereit hat eine gespaltene Persönlichkeit"

Grünen-Chefin Ramona Pop bescheinigt Wowereit eine „gespaltene Persönlichkeit“: Im Bundestagswahlkampf habe er im Namen der SPD harte Töne gegen Steuerbetrüger gefunden und sei Bayern-Manager Hoeneß wegen dessen Schwarzkonten hart angegangen – „den Steuerbetrug seines Staatssekretärs, der ihm zur gleichen Zeit bekannt war, verheimlicht er“. Wenn Berlins SPD-Chef Jan Stöß dieses Verhalten mit „persönlichen Loyalitäten“ rechtfertigt, dann bekomme das einen „Amigo“-Ruch, so Pop in Anspielung auf bayerische Finanzaffären: „Wer Freunde hat, die ihre Hand schützend über einen halten, der darf ruhig Steuern hinterziehen – ist das Wowereits Logik?“, so die Grünen-Chefin.

In welchem Umfang Wowereit seine „Dienstpflicht verletzt“ hat, will die Grünen-Chefin nun vom Regierenden selbst wissen und hat ihm dazu einen Fragenkatalog zugeschickt. Die Besonderheit im Fall Schmitz liege darin, dass der Ex-Staatssekretär nicht selbst ein Einsehen gehabt habe, sondern „wegen der Daten auf einer Steuer-CD aufgeflogen ist“. Dass dieses Steuervergehen gegen die Zahlung einer – gemessen am Betrag – geringen Nachzahlung eingestellt wurde, werfe Fragen auf: „War das schon etwa verjährt oder gab es einen Promi-Bonus“?

Als oberster Dienstherr der Staatsbeamten versagt

Das fragt sich auch CDU-Mann Braun. Er bezweifelt, dass Schmitz angemessen belangt wurde. Der Staatssekretär musste wegen der Hinterziehung von Steuern für eine vor dem deutschen Fiskus verheimlichte Anlage von 425 000 Euro in der Schweiz 5.000 Euro Strafe zahlen sowie Steuern in Höhe von rund 22 000 Euro nachzahlen. „Das ist in Anbetracht der Sache sehr gering“, sagt Braun, der vorübergehend Berliner Justizsenator war.

Braun findet es schwer verständlich, dass Wowereit so lange zu Schmitz hielt. Das umso mehr, als der Regierende Bürgermeister vor gut zwei Jahren rigoros Konsequenzen von der CDU forderte, als es Kritik an Braun wegen der Beurkundung sogenannter Schrottimmobilien gab. Der Vorgang kostete ihn damals das Amt, ohne dass es ein Strafverfahren gab, wie Braun betont. Schmitz hingegen habe eine Straftat begangen, sei ertappt worden, zeige keine Reue – und sei dennoch so lange von Wowereit geschützt worden, bis sein Vergehen durch Medienberichte öffentlich wurde.

Für Grünen-Politikerin Pop steht fest, dass Wowereit als oberster Dienstherr der Staatsbeamten versagt hat. Er habe Schmitz gedeckt, während von anderen Behörden Diziplinarverfahren etwa wegen nicht angemeldeter Verlängerungen von Nebentätigkeiten eingeleitet würden – „es gilt offenbar für Wowereit-Vertraute ein anderes Recht als für alle anderen Bediensteten des Landes“.

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