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Wird der Fall Schmitz zu einem Fall Wowereit? Berlins Regierender Bürgermeister strapaziert die Geduld der SPD.
© dpa

Berlins Regierender Bürgermeister: Klaus Wowereit: Selbstherrlichkeit und Realitätsverlust

Klaus Wowereit hat den Steuerbetrug seines Beraters André Schmitz stillschweigend gedeckt. Das ist für die Genossen ein schwerer Sündenfall, sie verzweifeln allmählich am autokratischen Gehabe des Regierenden. Der Boss im Roten Rathaus hat die Geduld seiner Hauptstadt-SPD bald überstrapaziert.

Steuerbetrug ist eine Straftat, die das Vertrauen in den Rechtsstaat untergräbt und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdet. So stand es im Wahlprogramm der SPD für 2013, das zu einer Zeit beschlossen wurde, als Klaus Wowereit noch stellvertretender Parteivorsitzender war. Eine gerechte Steuerpolitik und Vermögensverteilung ist seit jeher ein Kernbestandteil sozialdemokratischen Gedankenguts. Dass ausgerechnet ein führender SPD-Mann, der selbst aus kleinen Verhältnissen kommt, den Steuerbetrug eines wichtigen Beraters und persönlichen Freundes stillschweigend gedeckt hat, das ist für die Genossen ein schwerer Sündenfall.

Die Berliner SPD-Führung konnte deshalb gar nicht anders handeln, als den Kulturstaatssekretär André Schmitz schleunigst zum Rücktritt zu drängen. Zumal der Regierende Bürgermeister nicht bereit war, seine Verweigerungshaltung aufzugeben, sondern sich im Skiurlaub hinter einer hohen Schneewehe versteckte. In der vagen Hoffnung, dass sich der Sturm der medialen Empörung nach ein paar Tagen legen wird. Eine grobe Fehleinschätzung. Viele Jahre hat Wowereit geglaubt, die eigene Partei als manchmal sperrige, aber letztlich folgsame Assistenz fürs einsame Regieren in Berlin nutzen zu können. Jetzt wendet sich das Blatt, weil der Boss im Roten Rathaus die Geduld und Leidensfähigkeit seiner Hauptstadt-SPD überstrapaziert.

Auch die CDU wird kaum ein gutes Wort für Wowereit einlegen

Als der Großflughafen in Schönefeld nicht fertig wurde, haben sie den Parteifreund und Regierungschef noch geschützt. Vor gut einem Jahr überstand Wowereit auch deshalb einen Misstrauensantrag der Opposition, weil der frisch gekürte Koalitionspartner CDU nicht gleich durch Neuwahlen wieder aus der Landesregierung katapultiert werden wollte. Inzwischen haben es die Sozialdemokraten mit einer selbstbewussten Union zu tun, die in den Meinungsumfragen führende politische Kraft in Berlin ist. Bei den Europawahlen im Mai wird dieser Trend wohl bestätigt werden, während die SPD fürchten muss, die 20-Prozent-Hürde zu reißen.

Nicht nur deshalb wird die CDU kein gutes Wort mehr für Wowereit einlegen, wie sie es nach dem Flughafen-Desaster noch getan hat. Die Parteiführung um Frank Henkel ist seit Wochen gekränkt und verärgert, weil der große Meister im Roten Rathaus glaubt, die Christdemokraten nur bedingt ernst nehmen zu müssen: Er spricht nicht mit jedem und nur dann, wenn er es will. An diesem autokratischen Gehabe verzweifeln allmählich auch die Genossen. Eine Selbstherrlichkeit, die dem schwierigen Charakter und den vielen Dienstjahren des Berliner Regierungschefs geschuldet ist. Und die sich paart mit einem zunehmenden Realitäts- und Kontaktverlust.

Disziplinarrecht missachtet? Für Wowereit könnte es eng werden

Vor kurzem schien es noch so, als wolle sich Wowereit ein letztes Mal aufrappeln – weil er den Flughafen BER unbedingt miteröffnen will. Der Turm zu Babel, sein Mega-Projekt, das er seit 2002 als Regierender Bürgermeister begleitet. Und mit kurzer Unterbrechung als Aufsichtsratschef. Auch die Kultur liegt ihm am Herzen. Aber was noch? Die strategischen Linien der Landespolitik werden seit 2012, als sich eine neue Generation in der Berliner SPD an die Spitze kämpfte, von Partei und Fraktion entwickelt. Gewiss hat Wowereit dabei noch ein Wort mitzureden, aber sein politisches Gewicht schwindet. Es fehlen ihm die Ideen, die Kraft und zunehmend auch die Lust, die Stadt zu gestalten.

Ja, es stimmt – Klaus Wowereit ist nicht völlig am Ende. Bisher hat er es immer noch geschafft, wieder aufzustehen, den Staub von der Jacke zu klopfen und weiterzumachen. Irgendwie. Augen zu und durch. Vielleicht übersteht er so auch den Steuerbetrug des Kulturstaatssekretärs, den er selbst vor den wichtigsten Entscheidungsträgern in SPD und CDU bis zum Montag geheim hielt. Wobei die Frage noch nicht befriedigend beantwortet ist, ob der Regierungschef in diesem Fall das für Beamte geltende Disziplinarrecht missachtet hat. Dann würde es für Wowereit sehr eng. Dann dürfte der Boden zu hart sein, um den Kopf in den Sand stecken zu können.

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