Marode Schulen in Berlin: Keiner will für Schulsanierung zuständig sein
Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung soll Schulbauprojekte über zehn Millionen Euro abwickeln. Aber ihr fehlt das Personal.
Das fängt ja gut an. Kaum hat der Senat festgelegt, wer für millionenschwere Schulbauprojekte zuständig sein soll, erklären sich die Beteiligten für nicht zuständig. Zumindest sieht es danach aus, wenn man den Fall der maroden Ernst-Reuter-Schule in Gesundbrunnen betrachtet: Obwohl es kaum einen tristeren Lernort in Berlin gibt, ist noch nicht klar, wer ihn sanieren wird.
Auf dem Papier scheint alles eindeutig: „Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist bis zum Aufbau einer neuen Planungs- und Baukapazität auf Landesebene zuständig für die Planung und Vorbereitung im Bereich Schulneubau und Sanierungsfälle über zehn Millionen Euro“, heißt es im Senatsbeschluss zur „Schulbauoffensive“ vom 11. April.
Der Ball wird weitergespielt
Inzwischen fragt sich Mittes Bildungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) allerdings, was dieser Senatsbeschluss wert ist. Denn auf die Frage des Tagesspiegels, wer den 42-Millionen-Euro-Umbau der Ernst-Reuter-Schule abwickeln werde, antwortete die Verwaltung für Stadtentwicklung, das sei selbstverständlich Aufgabe des Bezirks – wegen des „Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes“, wonach die allgemeinbildenden Schulen Berlins in die Trägerschaft der Bezirke gehören.
Diese Antwort ist vor dem Hintergrund des besagten Senatsbeschlusses nicht nur unverständlich, sondern sie ist auch genau das Gegenteil von dem, was Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) angemahnt hatte: „Es soll sich nun keiner zurücklehnen und sagen, er wisse nicht, wer zuständig sei“, lautete ihr Statement bei der Vorstellung des Senatsbeschlusses am 11. April.
Warum hat Lompscher zugestimmt?
Aber die Ernst-Reuter-Schule ist nicht der einzige Fall, bei dem die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dem Bezirk Mitte einen Korb gab. Bereits im Februar hatte Spallek versucht, mit Hilfe eines Amtshilfeersuchens Unterstützung beim Umbau der Förderschule in der Berolinastraße zu bekommen. Dafür stünden „aktuell keine personellen Ressourcen zur Verfügung“, lautete die Antwort von Senatsbauddirektorin Regina Lüscher.
Tatsächlich hat die Bauverwaltung alle Hände voll zu tun. Sprecherin Katrin Dietl verweist allein auf zehn Amtshilfemaßnahmen, die im Rahmen des Modellvorhabens zur Beschleunigung von Schulneubauten abgearbeitet werde müssen, darunter mehrere Abrisse und komplette Neubauten von Grund- und Sekundarschulen. Zudem kümmert sich die Verwaltung von Senatorin Karin Lompscher (Linke) um so ambitionierte Vorhaben wie die Sanierung des Fichtenberg-Gymnasiums in Steglitz. Vor dem Hintergrund dieser außergewöhnlich vielen Verpflichtungen fragen sich einige Bezirksvertreter, warum Lompscher dem entsprechenden Senatsbeschluss überhaupt in dem Wortlaut zugestimmt hat, mit dem sie automatisch die Verantwortung für alle Projekte von über zehn Millionen Euro hat. Eine Antwort auf diese Frage gab es bislang nicht.
16 Millionen warten darauf, verwendet zu werden
Unterdessen ist der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) offenbar bemüht, beim Schulbau nichts dem Zufall zu überlassen. Erst kürzlich bat er alle SPD-Bildungsstadträte zu sich, um mit ihnen über das beschlossene Verfahren zu sprechen und mögliche Fallstricke auszumachen, denn angesichts der explodierenden Schülerzahlen weiß Müller, dass er nichts mehr dem Zufall überlassen darf: Schon jetzt ist absehbar, dass es nicht mehr überall genug wohnortnahe Plätze für alle Grundschüler gibt: Die ersten Ablehnungen – selbst für Schüler im Einzugsbereich der betreffenden Schulen – sollen bereits verschickt worden sein.
Neben dem Schulplatzmangel gibt es aber noch das große Problem der maroden Schulstandorte – allen voran die Ernst-Reuter-Schule. Unter Spalleks Vorgängern Sabine Smentek und Ulrich Davis (beide SPD) war es an der Schule nicht vorangegangen und auch Scheeres’ Schulaufsicht schaffte es über Jahre nicht, die Schule voranzubringen, obwohl sie im Turnaround-Projekt der Bosch-Stiftung gefördert wird. Der bauliche Zustand ist derart marode, dass bereits 16 Millionen Euro bereitgestellt wurden; auch eine Machbarkeitsstudie gab es inzwischen. Jetzt wird nur noch jemand gebraucht, der das Geld verbaut.