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Eine Maske liegt im Unterricht auf Unterlagen.
© Matthias Balk/dpa
Update

Berliner Schulstreit: Keine Einigung im Senat – Schülerin kündigt Verfassungsbeschwerde an

Gegen den eingeschränkten Regelbetrieb will eine Grundschülerin vor Gericht ziehen. Der Senat ist bei der Öffnungsfrage uneins. Schulverbände unterstützen Scheeres.

Eine weitere Öffnung der Berliner Schulen noch vor den Sommerferien ist weiter offen. Nach Tagesspiegel-Informationen gab es bei einer Schaltkonferenz des Senats am Freitagvormittag keine Einigung in der Schulfrage. Das Thema dürfte bald auch die Justiz beschäftigen: Eine Elterninitiative kündigte am Freitag an, dass eine Grundschülerin Verfassungsbeschwerde beim Berliner Verfassungsgerichtshof einreichen werde.

Innerhalb des Senats und auch der SPD gibt es weiterhin unterschiedliche Auffassungen über das weitere Vorgehen, wie der Tagesspiegel aus Senatskreisen erfuhr.

Der Regierende Bürgermeister soll nach Angaben von Teilnehmern erklärt haben, dass im Laufe des Tages weitere Gespräche erwartet werden. Eine schnelle Einigung ist bislang nicht abzusehen, weil die Fronten verhärtet sind.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hält an seiner Weigerung fest, die neue Schulschutzverordnung zu unterschreiben, die einen Präsenzunterricht nach dem Wechselmodell ermöglicht. Die Justizverwaltung zeichnet im Rahmen einer Rechtsförmlichkeitsprüfung solche Beschlüsse mit. Allerdings könnte die Bildungsverwaltung die Verordnung auch allein und ohne einen Senatsbeschluss durchsetzen.

Eine tatsächliche Gefahr, dass die Schulen im Falle des Auslaufens der alten Verordnung am kommenden Montag schließen müssten, gibt es demnach nicht.

Uneinigkeit zwischen Giffey, Scheeres und Müller

Im Laufe des Tages wird sich die SPD-Spitze zu einem Treffen zusammenfinden. Zwischen Spitzenkandidatin Franziska Giffey auf der einen und Schulsenatorin Sandra Scheeres und Regierungschef Michael Müller besteht noch immer Uneinigkeit über das weitere Vorgehen.

Giffey hatte sich am Mittwoch in einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“ dafür ausgesprochen, die Entscheidung gegen eine Rückkehr der Berliner Schülerinnen und Schüler in den Präsenzunterricht bis zu den Sommerferien zu korrigieren. „Wenn wir weiter so eine positive Entwicklung haben, sollte auch in Berlin die Entscheidung noch mal überdacht werden“, sagte die Landesvorsitzende.

Für Kontinuität bis zu den Ferien: Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD).
Für Kontinuität bis zu den Ferien: Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD).
© Britta Pedersen/dpa

Wenn sich die Lage weiter verbessere und die Inzidenz auch bei den Kindern unter 50 komme, dann seien selbst ein paar Tage Regelunterricht vor den Sommerferien es wert, darüber noch mal zu diskutieren. Auch die Grünen wollen noch vor den Sommerferien wieder mehr Präsenzunterricht stattfinden lassen.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hingegen lehnt Regelunterricht vor den Ferien, die am 24. Juni beginnen, weiter ab. Eine Rückkehr zum Regelunterricht sei erst „nach den Sommerferien“ angestrebt, sagte Scheeres am Donnerstag im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Das sei „auch mit Franziska Giffey besprochen“, sagte Scheeres.

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Seit die Corona-Zahlen sinken, steht Scheeres von vielen Seiten unter Druck und in der Kritik. Sie will den Wechselunterricht, bei dem Schülern abwechselnd in kleinen Gruppen in der Schule und zu Hause lernen, bis Ferienbeginn beibehalten.

Lehrerverbände und -Gremien unterstützen diese Linie. Sie verweisen wie Scheeres auf den hohen Aufwand, um mehr Präsenzunterricht mit volleren Klassen vorzubereiten. Außerdem seien die Infektionszahlen an Schulen deutlich höher als im Durchschnitt der Bevölkerung und noch nicht alle Lehrer durchgeimpft. Manche Elternvertreter, aber auch Grüne und CDU fordern hingegen, noch vor den Ferien mehr Präsenzangebote in den Schulen. Das sei sowohl für die Schüler als auch für überlastete Eltern wichtig.

Grundschülerin will Verfassungsbeschwerde einreichen

Eine Berliner Grundschülerin will unterdessen Verfassungsbeschwerde gegen den Unterricht im Wechselmodell einlegen. Das teilte die Landesgruppe der "Initiative Familien" am Freitag mit. Die Schülerin werde noch am selben Tag beim Berliner Verfassungsgerichtshof im Eilantrag eine Beschwerde einreichen, weitere Anträge sollen in der kommenden Woche folgen, hieß es.

Der Senat habe angekündigt, den Wechselunterricht mindestens bis zu den Ferien fortzusetzen, "um den Schulen organisatorische Kontinuität zu sichern", hieß es in der Mitteilung der Initiative. In einem Schreiben an die Eltern habe die Bildungsverwaltung ausgeführt, "dass Unterricht im Regelbetrieb Öffnungen in anderen Bereichen gefährden könnte".

[Lesen Sie mehr: "Fake" vom Amt: Berliner Gesundheitsverwaltung sagt Impftermine ab, die gar nicht ausfallen sollten (T+)]

Dagegen richtet sich nun die Verfassungsbeschwerde. Es sei "offensichtlich gesetzeswidrig", eine schwere Einschränkung des Rechts auf Bildung "mit ablauforganisatorischen Erwägungen zu begründen", hieß es in der Mitteilung weiter. "Es zeugt auch von einer tiefen Missachtung der Bedürfnisse von Kindern nach Monaten der sozialen Isolation mit Schule und Kita im Ausnahmezustand."

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Mit Blick auf sinkende Infektionszahlen und einem hohen Anteil von Geimpften unter den für schwere Corona-Verläufe anfälligen Berlinern, was auch für Lehr- und Erziehungskräfte gelte, erklärte die Initiative, alle Voraussetzungen für Schule im Regelunterricht seien erfüllt. Die Initiative habe den Antrag mit Spendenaufrufen und logistisch unterstützt.

Vertreten wird die Grundschülerin vom Berlin Anwalt Niko Härting. Der war im März bereits erfolgreich gegen den Ausschluss einzelner Jahrgänge vom Wechselmodell vorgegangen und hatte sich dabei auf das in der Berliner Verfassung festgeschriebene Recht auf Bildung berufen. Zuvor hatte er schon im Oktober vergangenen Jahres die Sperrstunde in der Corona-Verordnung zu Fall gebracht.

Elternvertreter sieht keine Notwendigkeit für Regelbetrieb in Schulen

Der Landeselternausschuss (LEA) sieht keine Notwendigkeit für eine schnelle Rückkehr zum Regelunterricht noch vor den Sommerferien. „Wir sehen das nicht als Forderung aus der verfassten Elternschaft“, sagte der Vorsitzende Norman Heise. Zwar nehme der LEA „überdurchschnittlich viel Protest“ wahr, doch das seien „Einzelmeinungen von Eltern und Elternvertretern“, so Heise.

Aus Sicht des Elternvertreters habe sich die Situation dadurch entspannt, dass ab kommendem Montag weitere Lockerungen in Kraft treten. So wird die Notbetreuung in den Schulen auf alle Erst- bis Sechstklässler ausgeweitet. Bislang haben nur Kinder Anspruch auf die pädagogische Betreuung, wenn ihre Eltern bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel weil sie in systemrelevanten Berufen arbeiten.

Auch Exkursionen der gesamten Klassen im Freien sind ab Montag wieder möglich. „Viele wollten, dass sich die Kinder nochmal sehen, das ist damit gegeben“, sagte Elternvertreter Heise.

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