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Die Berliner Bildungsverwaltung darf die Jahrgänge, die in die Schule zurückkehren dürfen, nicht beliebig auswählen.
© Jonas Güttler/dpa
Update

Ausschluss vom Präsenzunterricht rechtswidrig: Kehren die Klassen 7 bis 9 bald in Berlins Schulen zurück?

Das Verwaltungsgericht stuft den Ausschluss einzelner Jahrgänge vom Wechselunterricht als gleichheitswidrig ein – bundesweit die erste Entscheidung dieser Art.

Das Land Berlin darf einzelne Jahrgangsstufen nicht vom Präsenzunterricht ausschließen, denn das ist gleichheitswidrig. Das entschied das Verwaltungsgericht am Mittwoch und gab damit zwei Gymnasiasten im Eilverfahren Recht. Die beiden Schüler der siebten und neunten Klasse hatten sich gegen den Ausschluss vom Präsenzunterricht gewandt. Damit wächst der Druck auf die Politik, die Schulen für alle Kinder und Jugendlichen nach dem Wechselmodell zu öffnen.

Bisher hatte es eine Rückkehr in die Klassenräume nur für Grundschüler der Stufen 1 bis 6 gegeben; als nächstes sollen kommende Woche die Abschlussklassen zurückkommen. Die Jahrgänge 7 bis 9 sind noch nicht an der Reihe. Die Bildungsverwaltung hatte als Gründe angeführt, dass einerseits für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren die Ansteckungsgefahr geringer sei und andererseits die höheren Jahrgänge abschlussrelevant seien. Beides treffe auf die Klassen 7 bis 9 nicht zu.

Diese Argumentation fand das Gericht nicht schlüssig. Denn mit den Jahrgängen 5, 6 und 11 stehe der Präsenzunterricht nach dem Wechselmodell, also mit halbierten Klassen, auch Jahrgängen offen, die weder zur Gruppe der weniger gefährdeten Kinder, noch zu den abschlussrelevanten Klassen gehörten. Ihnen gegenüber dürften die Jahrgänge 7 bis 9 nicht schlechter gestellt werden. Das schulisch angeleitete Lernen zu Hause sei nämlich kein gleichwertiger Ersatz für Präsenzunterricht.

Eigentlich hatten die beiden Schüler eine Vollbeschulung beantragt, einer der Anträge richtete sich auch gegen das Tragen von Masken während des Unterrichts; damit unterlagen sie jedoch. Angesichts des Infektionsgeschehens seien die Einschränkungen derzeit noch verhältnismäßig, befand das Gericht. Aus diesem Grund kamen auch fünf Grundschüler mit ihren Eilanträgen nicht durch, die eine Abkehr vom Wechselmodell gefordert hatten.

Die Folge ist kurios: Das Land muss den beiden Gymnasiasten, die gegen die Regelung erfolgreich vorgegangen sind, Präsenzunterricht nach dem Wechselmodell anbieten. Denn formalrechtlich gilt die Entscheidung zunächst einmal nur für die beiden Antragsteller - eine Berliner Besonderheit. Einen ähnlichen Fall gab es schon im Oktober, als elf Gastwirte die Abschaffung der Sperrstunde durchsetzten - vorerst jedoch nur für sich allein. Anwalt damals wie heute: der Berliner Niko Härting.

"Bildungsanspruch nicht völlig ins Belieben des Senats gestellt"

"Das ist bundesweit die erste Entscheidung, die zugunsten von Eltern ausgegangen ist", sagte Härting am Mittwochabend dem Tagesspiegel. "Eines ist damit gesagt: dass es gewisse Grenzen gibt, dass der Bildungsanspruch nicht völlig ins Belieben des Senats gestellt ist." Das Recht auf Bildung stehe in der Berliner Verfassung, darüber könne der Senat wegen der Coronakrise nicht einfach "frei Nase" entscheiden.

[Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass die Anträge sich auch gegen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) richteten. Dies stimmt aber nur für einen der beiden Anträge. Außerdem geht es dabei nur um das durchgängige Masketragen während des Unterrichts.]

Die Bildungsverwaltung kann gegen die Beschlüsse jedoch noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. Dafür hat sie nun zwei Wochen Zeit. Eine aufschiebende Wirkung hätte eine solche Beschwerde jedoch nicht. Am Mittwochabend äußerte sich die Verwaltung nur knapp: Sie kündigte an, sich mit der neuen Lage auseinanderzusetzen und "zeitnah die entsprechenden Schlüsse zu ziehen".

Landeselternsprecher Norman Heise sagte dem Tagesspiegel am Mittwochabend in einer ersten Reaktion, die Gerichtsentscheidung werde in der Elternschaft "wie immer, auf Zustimmung und Ablehnung stoßen". Zudem wies Heise auf die schulorganisatorischen Probleme hin, die sich aus dem Nebeneinander von Distanz- und Präsenzunterricht ergäben. Ob es sich lohne, für eine Woche wieder neue Stundepläne zu bauen, habe vermutlich bei der Entscheidung der Bildungsverwaltung eine Rolle gespielt, die Siebt- bis Neuntklässler nicht vor dem Ferien zurückzuholen.

Warnung vor den Risiken für Abiturienten

Von Schulleitungen ist immer häufiger zu hören, dass sie die Rückkehr der Siebst- bis Neuntklässler eher so sehen wie Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren (VOB): Treptow hatte dem Tagesspiegel schon vor der Gerichtsentscheidung gesagt: "Je mehr Schüler wir jetzt zurückholen, desto größer wird das Risiko, dass Teile eines Abiturjahrgangs wegen eines Infektionsfalls in Quarantäne gehen müssen".

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Anwalt Härting neigt derweil dazu, den Eltern der fünf unterlegenen Grundschüler zu einer Beschwerde zu raten - um die Vollbeschulung zu erzwingen. Es sei ein Schutzkonzept nötig, mit dem man zur Normalität zurückkehren könne, sagte der Anwalt. "Nicht nur Fahren auf Sicht." Dem Anwalt geht es um die schwierige Situation vieler Eltern und Kinder: "Man muss im Auge haben, warum die Ganztagsbetreuung eingeführt worden ist: für die sozial schwachen Familien und damit Väter und Mütter arbeiten können."

Jarasch und Giffey dringen auf Rückkehr aller Klassen in die Schulen

Der Druck aus der eigenen Koalition auf Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), die Schulen für alle Jahrgänge zu öffnen, steigt durch die Entscheidung. Am Abend plädierte die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen, Bettina Jarasch, für eine "sofortige Umsetzung" der Entscheidung. Das teilte sie über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Klassen 7 bis 9 bislang Rückkehrperspektiven fehlen. Ähnlich äußerte sich die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Silke Gebel, bei Twitter.

Vor Bekanntwerden der Entscheidung hatte schon SPD-Spitzenfrau Franziska Giffey angekündigt, mit Scheeres und Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (ebenfalls SPD) voraussichtlich am Freitag über eine Rückkehr aller Klassen noch im März in den Präsenzunterricht sprechen zu wollen. Als möglicher Starttermin für die Klassen 7 bis 9, die drei letzten Stufen, die noch ohne Rückkehrperspektive sind, wird zurzeit der 22. März gehandelt.

Grüne wollen Altersgrenze für Sport von Kindergruppen hochsetzen

Alle anderen Klassen sind in Berlin schon wieder in den Präsenzunterricht zurückgekehrt oder haben zumindest, wie die Abschlussklassen, die Möglichkeit dazu. Zuletzt hatte sich bereits die Kultusministerkonferenz der Länder einhellig dafür ausgesprochen, allen Schülern bis Ende des Monats eine Rückkehr in die Klassen zu ermöglichen.

Die Grünen-Fraktion spricht sich nun auch dafür aus, Gruppensport für Kinder für alle bis 14 Jahre zuzulassen. Vergangene Woche erst hatte sich der rot-rot-grüne Senat für eine strengere Regelung als mit dem Bund vereinbart entschieden und Gruppensport bis zu 20 Personen nur für Kinder bis 12 Jahre erlaubt.

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