Bürgerversammlung: Tempelhofer Feld: Heute Abend wird's hitzig
Am Donnerstag erklärt sich der Senat in Sachen Tempelhof-Gesetz dem Volk. Vorab gab es schon mal einen neuen "vorläufigen" Änderungsentwurf.
Der Streit um das Tempelhofer Feld erreicht erneut einen emotionalen Höhepunkt. Die Initiative 100 Prozent Tempelhof mobilisiert ihre Anhänger mit Flugblättern und Aufrufen im Internet zur Bürgerversammlung heute Abend in der Haupthalle des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Dort wollen Aktivisten die Pläne zur Einrichtung einer Großunterkunft für Flüchtlinge auf dem Areal lautstark ablehnen.
Das Podium ist politisch so hochrangig besetzt wie selten. Um 19 Uhr werden die Staatssekretäre Christian Gaebler (Umwelt), Dirk Gerstle (Soziales), Dieter Glietsch (Flüchtlinge) und Mark Rackles (Bildung) sowie die Bezirksbürgermeisterinnen von Neukölln, Franziska Giffey, und Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (beide SPD), die Pläne zur Unterbringung und Betreuung von maximal 7000 Flüchtlingen verteidigen, inklusive geplanter Änderung des Tempelhof-Gesetzes. In der Einladung wird auch Sozialsenator Mario Czaja (CDU) angekündigt, aber das sei ein Versehen gewesen, sagte sein Sprecher. Die Senatoren hätten sich darauf verständigt, ihre Staatssekretäre ins Rennen zu schicken.
Keine Hinterzimmer-Politik, sondern "Transparenz"
Als Prolog zur Versammlung gab es am Mittwoch einen ebenfalls außergewöhnlichen Termin im Abgeordnetenhaus. Die stadtenwicklungspolitischen Sprecher der Regierungskoalition, Stefan Evers (CDU) und Daniel Buchholz (SPD), verteidigten wortreich die geplante Gesetzesänderung und stellten einen „vorläufigen Entwurf“ dazu vor.
Mit diesem Vorgehen wollten sie präventiv dem Verdacht entgegentreten, die Politik beschließe im Hinterzimmer Gesetze und trete anschließend nur zum Schein vor die Öffentlichkeit um zu diskutieren. „Wir wollen Transparenz schaffen. Was wir aus der Bürgerversammlung mitnehmen, kann noch in den Entwurf einfließen“, sagte Stefan Evers. Erst am Dienstag werde der Gesetzestext in der Endfassung vorliegen, am Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss beraten und am Donnerstag im Parlament verabschiedet. Die Oppositionsparteien – Grüne, Linke und Piraten – haben bereits angekündigt, gegen die Änderung zu stimmen.
Evers und Buchholz legten einen Entwurf vor, der die Gegner besänftigen soll, zumindest in der Wortwahl. In der Überschrift des Änderungsantrags ist nur noch von „Randflächen des Tempelhofer Feldes“ die Rede, außerdem wird ausdrücklich eine „befristete Errichtung“ von „mobilen Unterkünften“ angekündigt, bis Ende 2019. Weil zusammen mit Unterkünften auch soziale Einrichtungen zur Integration und Freizeitgestaltung geplant sind, wird ein Passus eingefügt, dass diese nicht zurückgebaut werden müssen, wenn sie mit dem Tempelhof-Gesetz nach Auslaufen der befristeten Änderung vereinbar sind. Der Passus sei ausdrücklich auf Wunsch von Feld-Akteuren in den Text aufgenommen worden, betonten die Politiker, könne aber auch wieder gestrichen werden, wenn er Irritationen auslöse. Das wird sich dann heute Abend erweisen.
Daniel Buchholz kritisiert "Susi-Sorglos"-Mentalität
Daniel Buchholz kritisierte das Vorgehen der Initiative 100 Prozent Tempelhof scharf. Sie boykottiere einen konstruktiven Dialog, um gleichzeitig mit falschen Behauptungen Stimmung gegen die Senatspläne zu machen. Dass die Koalitionsparteien einfach abnickten, was der Senat beschlossen habe, sei ebenso falsch wie die Darstellung, es entstünden auf Dauer neue Wohnquartiere. Die Vertreter der Initiative würden in der Flüchtlingsfrage eine „Susi-Sorglos“-Mentalität an den Tag legen, wie es der Brandenburger Innenminister Karl-Heinz Schröter kritisiert hatte. Evers sprach von „irreführenden Behauptungen“ der Initiative. Auch im Vorfeld des Volksentscheids 2014 kursierten Plakate mit angeblichen Geheimplänen des Senats zur Bebauung des gesamten Feldes. Viele Bauplaner in der Senatsverwaltung werfen den Organisatoren des Volksentscheids bis heute vor, mit falscher Propaganda die öffentliche Meinung im Volksentscheid manipuliert zu haben.
"Campus-Lösung" favorisiert
Der Senat will maximal 7000 Flüchtlinge in den Hangars und auf asphaltierten Flächen am Rande des Vorfelds unterbringen. Auf dem Vorfeld selbst sollen Hallen und Freiflächen für Sport und Bildung eingerichtet werden. Diese „Campus-Lösung“ sei „nicht zwingend, aber sinnvoll“, um die Unterbringung der Flüchtlinge räumlich zu entzerren, sagte Evers. Vertreter der Initiative hatten dagegen gefordert, zunächst alternative Standorte und leerstehende Gebäude in der Stadt zu nutzen. Auch Evers votierte im vergangenen Herbst noch dafür, das Feld nur als ultima ratio heranzuziehen.
Die Erschließung auf alternativen Flächen sei aber schwieriger und langwieriger, erklärte Evers nun, er vertraue in diesem Punkt den Angaben der Stadtentwicklungsverwaltung. Leerstehende Gewerberäume anzumieten oder zu beschlagnahmen sei schnell gefordert, aber in der Praxis oft nicht umsetzbar, sagte Buchholz. „Einige Eigentümer verlangen Mondpreise.“
Der Landesgeschäftsführer des BUND, Tilmann Heuser , hält den Entwurf zur Gesetzesänderung „grundsätzlich für akzeptabel“, allerdings müssten „endlich die unwürdigen Zustände bei der Unterbringung in den Hangars“ beendet und die Verweildauer der Flüchtlinge begrenzt werden.
Thomas Loy