Letzte Buchausgabe: Kauperts Straßenführer gibt es bald nur noch online
Mehr als 60 Jahre lang war der „Kauperts“ eine Berliner Institution. Jetzt erschien die letzte Buchausgabe. Künftig gibt es den Straßenführer nur noch online.
Erstausgaben berühmter Bücher gewinnen, so sagt man, erheblich an Sammlerwert, wenn der Autor oder der sonst irgendwie für das Werk Verantwortliche dieses signiert. Müsste das bei Letztausgaben nicht ähnlich sein? Also, Herr Kaupert, könnten Sie bitte so freundlich sein, sich im letzten gedruckten „Kauperts Straßenführer durch Berlin“, der Ausgabe 2013, mit Ihrer Signatur zu verewigen…
Und Roman Kaupert, 36 Jahre alt, Enkel des Verlagsgründers und Bewahrer dieser seit 1946 bestehenden Berliner Straßenführer-Tradition, greift wunschgemäß zum Stift, hat sogar eigens aus den Tiefen des Verlagslagers eines der letzten Exemplare holen lassen. In der Berlin-Redaktion des Tagesspiegels nämlich, dies sei zugegeben, fand sich vom letzten Jahrgang schon kein Exemplar mehr, obwohl doch der prüfende Blick in den „Kauperts“ für einen Berliner Lokalredakteur selbstverständliche Pflicht ist. Aber dazu braucht er eben nicht mehr unbedingt das Buch.
Auflage rapide gesunken
Schließlich gibt es die Online-Version berlin.kauperts.de, seit November 2008. Damals knüpfte der Enkel, Inhaber der Charlottenburger Kommunikationsagentur Zepter und Krone, an die vom Opa eröffnete und mit dem frühen Tod des Vaters unterbrochene Familientradition wieder an. Er griff das Angebot der damaligen, in Bayern ansässigen Kauperts-Verlegerin auf und kaufte die Rechte zurück. Schon zu diesem Zeitpunkt wirkte das blaue Buch wie ein Papierfossil im Internet-Zeitalter, doch Roman Kaupert sah ein Potenzial, sofern er nur die „analoge“ durch eine digitale Version ergänzte. Das erwies sich als Irrtum. Die erste von ihm verantwortete Auflage betrug 20 000 Exemplare, gegenüber der mit 30 000 Exemplaren höchsten Auflage von 1991 weiterhin ansehnlich, aber auf Dauer doch nicht zu halten. Zuletzt seien nur noch 3000 Straßenführer in Buchform verkauft worden, sagt Roman Kaupert, er hätte das Buch zwar als Hobby weiter herausgeben können, „aber soll ich warten, bis es nur noch 300 Bücher sind?“
So bleibt vom papiernen Ruhm eine ansehnliche Büchersammlung im Firmenarchiv, angefangen 1946 mit dem ersten, mehr als 1000 Seiten dicken „Branchenführer“ für die Stadt und dem „Straßenführer durch Berlin“, 472 Seiten stark. Eine Tagesspiegel-Anzeige findet sich darin („Freie Meinungsbildung durch die große Berliner Tageszeitung“) und Reklame für lokale Spezialitäten wie „Die gute alte Marke Mampe Berlin – Das Originalhaus für Mampe Halb und Halb“. Und es haben sich in den Jahrzehnten Dankesschreiben, oft von berufenen Berlinern, angesammelt, sogar Ernst Reuter ist darunter.
Dies alles gehört also der Vergangenheit an, einschließlich der Ausgabe 2013, für die es kurzfristig noch einmal verstärkte Nachfrage gab, als bekannt wurde, dass es die letzte sein würde. Aber im Internet besteht der Kauperts weiter, und das wird auch so bleiben, schließlich sieht der junge Agenturchef ihn als „Prestigeobjekt“ und „gute Visitenkarte“ für die gesamte Firma, eine Art Nachweis der per Familientradition verbürgten Berlin-Kompetenz. Und ohnehin ist es ein erfolgreiches, vor allem durch Werbung finanziertes Online-Angebot, das inzwischen monatlich von einer halben Million Besuchern, seien sie registriert oder nur so en passant auf der Seite, genutzt wird und ihnen gratis weit mehr als nur den ursprünglichen Straßenführer bietet. Gewiss, man findet dort weiterhin alle Berliner Straßen, erhält jeweils ein ganzes Bündel von Informationen über die Postleitzahlen, Ortsteile, Verkehrsverbindungen, über Straßenverlauf, Polizeiabschnitte und dergleichen, dazu eine Karte sowie einen historischen Abriss – Folge einer Kooperation mit dem Luisenstädtischen Bildungsverein, der mit seinem Angebot zur Stadtgeschichte aufgrund gestrichener öffentlicher Förderung 2008/09 vorübergehend offline war und dank Kaupert ins Netz zurückfand.
„Hyperlocal social search“
Aber an sich ist der Internet-Kaupert weit mehr, eine große Berlin-zentrierte Suchmaschine, von sechs Mitarbeitern, davon drei Redakteuren betreut und auch von den Nutzern mittels der von ihnen eingespeisten Informationen beständig ergänzt. „Hyperlocal social search“ heißt das Zauberwort, früher sprach man schlichter von „Erfahrungen teilen“, aber da gab es auch noch kein Internet.
Ein Informationsgeflecht wird so über die Stadt gelegt, aus dem man sich je nach Bedürfnis bedienen oder etwas hinzufügen kann. Man steht verdutzt vor dem Straßenschild der Auerbachstraße, die man doch jahrzehntelang als Auerbacher Straße kannte? Berthold Auerbach, so erfährt man, war ein jüdischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, den die Nazis als Namensgeber auslöschen wollten. Sie benannten die Straße nach der Stadt Auerbach um – was erst 2012 wieder behoben wurde. Die Kripo würde gerne wissen, wie viele Geldautomaten noch von ihrer Klientel geplündert werden könnten und wo sich die befinden? Der Kauperts spuckt 866 Standorte aus. Ein Nutzer kommentiert, die genannte Pizzeria an dieser oder jener Straßenecke sei mittlerweile ein Chinese. Eintrag ist schon korrigiert. Und ein anderer steht mit einem allzu menschlichen Bedürfnis irgendwo in der Stadt, bewaffnet nur mit seinem Smartphone, und hält verzweifelt Ausschau nach Café Achteck? Dem Manne kann geholfen werden.
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