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Auch so kann Arbeiten aussehen: Eine junge Frau auf dem Coconat in Klein Glien.
© E. Schmid, M. Haltenhof, T.Vogler

Arbeitsurlaub in Klein Glien: Junge Menschen, die auf Bildschirme starren

Hier trifft sich die Digitalbranche aus der ganzen Welt. In einem 70-Seelen-Ort bei Bad Belzig. Ein Besuch im Mikrokosmos in „lovely Brandenburg“.

Es hat etwas von einem Feriencamp, einem Camp für Hipster, Kreative und die digitale Bohème. Mitten in Brandenburg, in einem 70-Seelen-Dorf bei Bad Belzig in Potsdam-Mittelmark. Weit draußen – und trotzdem mittendrin, in der Community der sogenannten digitalen Nomaden. Im Örtchen Klein Glien arbeiten sie zusammen, Co-Working heißt das Konzept. Jeder klappt seinen Laptop auf und kann überall auf dem weiträumigen Gelände eines alten Gutshofs seiner Arbeit nachgehen. Viele der Gäste im Coconat, wie der Hof heißt, sind Gründer. Es sind Menschen, die überall arbeiten können – in Shanghai oder im Fläming.

Es wird geduzt, gesprochen wird Englisch. Community and Concentrated Work in Nature, abgekürzt Coconat. Es geht um Gemeinschaft, konzentriertes Arbeiten und die Nähe zur Natur. Ein Trend, dem immer mehr Großstädter folgen. Draußen sein, aber nicht vereinsamen. Im Coconat gibt es einen Dorfspäti, einen Kicker, vegetarisches und veganes Essen. All das, was man aus hippen Berliner Innenstadtbezirken kennt. Ein Mikrokosmos im Brandenburger Dorf.

Das Wichtigste ist erst mal eine gute Internetverbindung

Das Wichtigste vor Ort: eine gute Internetverbindung. „Deshalb sind wir auch hierher gekommen“, sagt Iris Wolfer und lacht. Die 38-Jährige hat mit drei weiteren Gründern das Projekt vor einem Jahr aus der Taufe gehoben. Zuvor waren sie in Götzerberge bei Groß Kreutz und wollten ursprünglich die Digitalbranche dorthin locken. Doch das Internet war zu langsam, so kamen sie in das Örtchen bei Bad Belzig. Und wollen bleiben. Wolfer spricht davon, das Coconat brandenburgweit als Ort für Digitalthemen zu etablieren. Eigentlich sagt sie Hub, so heißt das in der Branche. Wie wichtig das Digitale den jungen Kreativen ist, zeigt ein kleines Schild an der Wand. Darauf steht: Zuhause ist da, wo man W-Lan hat.

Namhafte Firmen kommen regelmäßig nach Klein Glien

Nicht nur junge Menschen aus der ganzen Welt kommen raus nach Klein Glien, das Coconat bekommt auch regelmäßig Besuch von Innovationsabteilungen namhafter Firmen und Organisationen: Daimler, Telekom, der Online-Lieferdienst Deliveroo oder der WWF haben hier bereits getagt. Der alte Gutshof, zuletzt als Hochzeitshotel genutzt, ist so etwas wie ein modernes Seminarhaus. Doch anders als bei konventionellen Tagungsorten geht es hier wenig formal zu.

Erlaubt ist alles, was die Produktivität fördert. Zwischendurch kann man sich in der Fasssauna entspannen, bei Gesprächen abends am Kamin oder beim Wandern durch die Natur. Der Ort, ein weitläufiges Areal um einen alten Vierseitenhof, soll allen offenstehen. Den Chefs großer Denkfabriken, aber auch jungen Studenten. Von Camping mit Selbstverpflegung bis zum Einzelzimmer mit Vollpension ist alles möglich. Die günstigste Variante kostet pro Nacht um die 15 Euro, die teuerste knapp 90 Euro. Ein CoworkingPlatz kostet pro Tag für alle gleich viel: 11,90 Euro. 15 Zimmer haben die Gründer eingerichtet, die kitschige Einrichtung des Hochzeitshotels rausgeschmissen, neue Betten, Regale, Nachtschränke reingeholt – alles „upgecycelt“, sagt Wolfer, also aus alten Brettern aufgearbeitet.

Es ist auch ein Rückzug aus der Großstadt

Die vier Gründer aus Berlin, neben Wolfer sind das Julianne Becker, Janosch Dietrich und Philipp Hentschel, haben einen Trend aufgegriffen, der sich im Namen ihres Projekts wiederspiegelt. „Coconat, a workation retreat.“ Das Wortspiel workation macht die Kombination von Arbeit und Urlaub deutlich. Dazu noch der Rückzug aus der Großstadt.

Das kommt an – bei den etwa 30-Jährigen, wie ein Besuch an der langen Mittagstischtafel im Garten zeigt: Ein junger Franzose erzählt, er habe vor Kurzem seinen Job in der Finanzberatung an den Nagel gehängt und arbeite jetzt an einem Businessplan für sein Start-up. Er sei tief im Schreibprozess. Wie gut, dass es hier so ruhig sei, im „lovely Brandenburg“. Gegenüber sitzt eine Studentin aus Berlin, sie schreibt an ihrer Masterarbeit im Personalmanagement. In Berlin könne sie sich so schlecht konzentrieren. Auf der Suche nach einer Pension in Brandenburg sei sie auf das Coconat gestoßen. Neben ihr eine junge Journalistin in der Findungsphase: Gerade von einem längeren Aufenthalt in Asien zurück hadere sie jetzt damit, ob sie wieder in den Prenzlauer Berg zurückwolle.

Manche bleiben bloß wenige Tage, andere einen ganzen Monat

Der eine bleibt einen Monat, die andere wenige Tage. Alle kommen zweimal am Tag zum Essen zusammen. Aufgetischt wird gesunde Kost auf einem Buffet, auf dem einst Hochzeitstorten angeschnitten wurden. Nach dem Essen sucht sich jeder seinen ruhigen Platz zum Arbeiten. Man sieht viele junge Menschen, die auf Bildschirme starren, versunken in ihrer Welt. Nebenbei werden Kontakte geknüpft, Geschäfte vereinbart, Innovatives ausgetüftelt. Im beschaulichen Klein Glien.

Eva Schmid

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