Casa Cook auf der Insel Kos: Der Pauschalrulaub für Hipster
Runterschalten. Aber unbedingt mit Highspeed-Internet, auf Designermöbeln und zwischen jungen Vollbartträgern. Auf der Insel Kos erfinden sie den Urlaub aus dem Katalog neu.
Die Erste, die man trifft, ist Illeni, smarte, schwarze Sportswear, dramatischer Lidstrich. Sie sei die „Guest Experience Managerin“, sagt sie, legt die Hand auf die Schulter des Neuankömmlings. „Setz dich doch. Magst du was trinken?“
Sie ist eine wichtige Person, denn Experience ist hier das große Ziel. Von Anfang an. Statt einer Rezeption empfangen einen in der Casa Cook auf der griechischen Insel Kos: ein großes Sofa, ein paar Sessel, ein Kamin, ein langer Couchtisch mit schweren Bildbänden, ein wandhohes Regal mit schönen, handgefertigten Gegenständen, die keiner näheren Funktion dienen, als schön und handgefertigt auszusehen.
Die Rezeption, die wie ein Wohnzimmer ausschaut, liegt gleich neben dem Concept-Store mit Juice-Bar, die so auch irgendwo in Berlin-Mitte stehen könnte. Davor baumeln ein paar Hängematten, Palmen werfen fotogene Schatten auf das Pflaster, Vögel zwitschern.
Eine Bassline wummert aus den Boxen, die überall montiert sind, und massiert die Gehörgänge. Wie alles hier sagt auch sie: Mach dich locker. Wirklich gar nichts deutet darauf hin, dass dieses neue, cool gestaltete Hotelresort - ein Pauschalangebot ist.
Gegen das all-inclusive-Klischee
Pauschalurlauber. Das sind die, die im Flugzeug bei der Landung klatschen, am Pool morgens mit Handtüchern die Liegen belegen und am liebsten all inclusive sehr viele Cocktails mit Schirmchen drin kippen. So weit das Klischee. Läuft man durch die Hotelanlage der Casa Cook aus ein- bis zweistöckigen Bungalows, die in ihrer kubischen Form und Anordnung der verwinkelten Architektur eines griechischen Dorfs nachempfunden sind, fehlt vom Pauschalurlauber-Klischee jede Spur.
Man trifft viele „Sie-zum-Yoga-er-zum- Joggen“-Paare, hie und da mal einen Vollbartträger, einige „Leggings-nicht-nur-zum- Sport“- Frauen und gelegentlich sogar den einen oder anderen Männerdutt. Deutsche, Schweizer, Briten, Belgier, die tatsächlich alle wie Tante Helga, wenn sie auf Jahresurlaub nach Malle will, pauschal gebucht haben. Geht nämlich nicht anders. Die Casa Cook gehört zu Thomas Cook, dem Erfinder der Pauschalreise.
„Wir waren ziemlich neugierig, wer kommen würde“, sagt Petros Kallergis. Der 47-Jährige ist Manager des neuen Resorts. Nach Korfu, Kreta und Rhodos steht Kos an vierter Stelle bei den Griechenland-Touristen. Die meisten urlauben an der Südküste mit ihren langgezogenen Sandstränden, wo die großen Hotels sind.
Der Norden der Insel ist ruhiger. Von den Dünen, in die die Hotelanlage hineingebaut ist, blickt man aufs türkische Festland, nach Bodrum, dazwischen liegen ein paar unbewohnte Inseln.
Die Casa Cook Kos ist das zweite Hotel der neuen Boutique-Marke, die eine lifestyle-orientierte Zielgruppe ansprechen soll. Das erste hat vor zwei Jahren auf Rhodos eröffnet. Am Anfang war das Durchschnittsalter der Gäste um die 45, erzählt Kallergis.
Dann kamen Mode-, Design- und Food-Blogger, das Interior-Magazin „Wallpaper“ lobte den Look der Anlage, die prominente Yogalehrerin Annika Isterling aus Hamburg gab Kurse, und schon sank das Durchschnittsalter. Irgendwo zwischen 25 und 35 sei man nun.
Die Gäste bleiben zwischen vier und zehn Tagen und verlassen die Anlage selten. Warum auch? Ist ja alles hier, wie Guest Experience Managerin Illeni am Empfang sagt. Strand, Pool, Spa, Gym, Bar und Restaurant: „Das hat den ganzen Tag offen. Wirklich den ganzen Tag.“
Die großen Ketten buhlen um Millennials
Die Casa Cook ist Teil eines Trends, der gerade die Branche neu ordnet. Die Millennials und ihre Stilneigungen geraten in den Fokus der großen Ketten, also Menschen, die nach 1980 geboren wurden. In Städten kann man das schon länger beobachten. Das „Jaz“ in Amsterdam etwa gehört zu den angesagten Adressen. Die Website duzt die Besucher („Hier erwarten Dich echte Erlebnisse“), regelmäßig legen DJs auf und auf der Craft-Beer-Karte stehen Foodpairing-Optionen.
Das „Jaz“ gehört zur nicht unbedingt für ihre Funkyness berühmten Steigenberger Gruppe. Hyatt, Accor, Best Western, Intercontinental - viele Bettenriesen mischen plötzlich mit im Geschäft mit den Trendherbergen. Das Marktsegment gilt als besonders lukrativ. Aktuell ist es der Bereich mit dem größten Wachstum. Mit solchen Boutique-Angeboten will sich die Hotellerie gegen Airbnb in Stellung bringen.
Und das beginnt mit dem Look. Wie schon auf Rhodos hat die Berliner Designagentur Lambs and Lions die Casa Cook mit lokalen Architekten aufwändig in Szene gesetzt. Die Zimmer, Suiten und Häuser sind mit skandinavischen Designobjekten ausgestattet, die Mid-Century-Loungechairs und -tische aus rotbraunem Tropenholz wurden eigens entworfen. Farblich dominieren warme Erdtöne, kontrastiert mit viel Sichtbeton. Die
Oberflächen der verwendeten Materialien haben eine besondere Haptik, mal rau und grobporig, dann wieder ganz weich. Als wäre das Zimmer ein multisensorisches, instagram-optimiertes Achtsamkeitstraining. Und dann finden sich da noch ein paar Gadgets. Etwa ein Speaker für das Smartphone in Marshall-Verstärker-Optik, mit dem man Musik hören kann, und ein Handy zum kostenlosen Surfen und Telefonieren. Dialektik des modernen Lebens: runterschalten, aber bitte mit Highspeed-Internet.
Ein Glas Roederer Cristal beim Klang von Oriental-House
Spätestens hier sollte jetzt etwas Schnöseliges stehen. Man sucht ja förmlich den Fehler, wenn ein Pauschalanbieter plötzlich auf Zeitgeist macht und überhaupt: Kos. Ist jetzt nicht das It-Girl unter den griechischen Inseln. Aber tatsächlich ist es gar nicht so leicht, ohne arg ins Geschmäcklerische abzudriften.
Klar, man kann über die Musik maulen. Relativ laut verfolgt einen die Kickdrum dieses, nennen wir es, mystischen Oriental-House durch den Tag und bis kurz vor den Strand. Man kann auch fragen, ob es notwendig ist, dass es neben dem wirklich großen Pool noch jede Menge kleiner Pools gibt, die sich die Bungalows teilen. Zumal das Meer gleich vor der Nase liegt.
Und wenn wir schon dabei sind: Die Bar macht ganz schön auf dicke Hose. Hier gibt es den P. Diddy-Wodka (Belvedere) in sehr großen Flaschen, Jay-Zs Ex-Lieblings-Champagner (Roederer Cristal) und sogar ein Wein von Pétrus für 1200 Euro steht auf der Karte, als wollte man den Luxushotel-Kritiker Heinz Horrmann beeindrucken, der nun wirklich nicht zur Zielgruppe gehört. Andererseits: Der Barrel Aged Negroni, der ist schon ein ziemlich guter Sundowner, auch wenn er mit zwölf Euro nicht unbedingt zum Happy- Hour-Tarif über den Tresen geht.
Ja, die Barpreise, da wollen sie noch mal ran, sagt Petros Kallergis. Auch an die Weinkarte. In der lokalen Weinszene ist eine Menge passiert. Leider spricht darüber fast niemand, weil die Weine kaum nach Deutschland kommen. Aber gerade weil sie sich über diese Themen Gedanken machen, fühlt sich die Casa Cook nicht wie ein von Konzernstrategen entworfener Millenials-Vergnügungspark an, sondern trotz der Größe von 100 Zimmern wie ein individuell geführtes Boutique-Hotel.
Der Tag des Chefkochs beginnt am Acker
Das hat auch eine Menge mit Michalis Chondrompilas zu tun, Arme wie Keulen, Tätowierungen wie ein Seebär. Er sitzt auf dem Barhocker vor der offenen Küche. Hinter ihm räumt der Service das Frühstück ab, während schon die ersten Burger gebraten werden. Er macht gerade etwas, das für seinen Arbeitstag relativ untypisch ist: Pause.
Seit 7.30 Uhr ist der Chefkoch bei der Arbeit. Sein Tag beginnt auf dem Acker. Davon hat die Casa Cook zwei Stück. Einer liegt kurz vor dem Resort, ein anderer auf dem Weg zum Flughafen, wo es ein bisschen hügeliger wird. Dort etwa wachsen die Orangen, die man zum Frühstück als Saft serviert bekommt. „Wir verwenden nichts Tiefgefrorenes und keine Fertigprodukte“, sagt Chondrompilas. Solche Konzepte, die unter dem Begriff Farm- to-Table laufen, sind eine radikalisierte Form der Regionalküche und gerade angesagt in der Spitzengastronomie.
Für das weltberühmte Noma, das im Frühjahr als Bauernhofrestaurant wiedereröffnet, mag das handhabbar sein. Für ein Hotel mit 100 Zimmern, in dem 200 Gäste gleichzeitig à la carte essen wollen, ist es so ungewöhnlich wie aufwändig. Ausgedacht hat sich das der italienisch- griechische Sternekoch Ettore Botrini, der aus Kos stammt.
Mit Leben füllt es jeden Tag Chondrompilas. Und dafür braucht man gute Nerven. Morgens entscheidet er, was abends gekocht wird. Neben einer festen Karte mit modern-mediterranen Gerichten gibt es jeden Tag wechselnde Specials. Die Tomaten, die hier in den griechischen Salat kommen, sind so süß, dass man Marmelade aus ihnen machen könnte, was übrigens eine Spezialität der Insel ist.
Die meint es ohnehin gut mit Chondrompilas. Unter der griechischen Sonne wächst und gedeiht fast das gesamte Obst und Gemüse, das er braucht. Das Fleisch für die Lammkeule kommt von Kos. Kalamari, Oktopus und den Seebarsch mit seinem kräftigen Fleisch kriegt er von Fischern der Nachbarinsel.
In der ersten Saison war die Casa Cook fast ausgebucht, sagt Kallergis. Nächstes Jahr wolle man eines der profitabelsten Hotels im Land werden. Für weitere Standorte auf Korfu, Ibiza und in Kroatien laufen bereits die Planungen. Viele Paradiese für Pauschalhipster.
HINKOMMEN
Kos wird von Berlin aus einmal die Woche direkt von Condor angeflogen, ab Hamburg geht täglich eine Maschine.
UNTERKOMMEN
Das Hotel ist vom 21. April bis zum 4. November geöffnet. Eine Woche im Doppelzimmer inklusive Rail & Fly, Frühstück, Flug und Transfer ab 903 Euro pro Person. Buchbar unter thomascook.de.
Felix Denk