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Blick in den Kindernotdienst in der Gitschiner Strasse 48 in Berlin Kreuzberg.
© Kitty Kleist-Heinrich (Archiv)
Update

Kinderschutzfälle in Berlin stark gestiegen: Jugendämter mit Zahl der Fälle überfordert

Wenn das Kindeswohl in Gefahr ist, müssen Jugendämter schnell handeln. Doch die haben kaum Personal - und schlagen jetzt Alarm. Mal wieder.

Im Grunde ist es nur eine Frage der Zeit, bis das nächste tote Kind einen Skandal auslöst. Um das zu verhindern, haben die Berliner Jugendämter jetzt die weiße Fahne gehisst. „Wir kapitulieren!“, sollte das heißen. Immer noch ist ein Sachbearbeiter für 80 bis 90 Familien zuständig - viel zu viele. Wünschenswert wären 28, aber auch mit 60 wären die meisten schon zufrieden. Doch das ist völlig unrealistisch, denn die Zahl der gemeldeten Kinderschutzfälle hat sich verdoppelt, es gibt viel mehr Inobhutnahmen – einerseits, weil die Stadt wächst, aber auch, weil die Menschen sensibler geworden sind und mehr darauf achten, was in ihrer Umgebung passiert. Einen ähnlichen Hilferuf hatte es schon 2013 gegeben.

„Wir sind völlig überlastet“, sagt eine Mitarbeiterin des Jugendamts von Mitte. „Dann passieren schneller Fehler, man übersieht Dinge, nimmt vielleicht einen Anruf nicht ernst genug – das sind Gefahren für die Kinder.“ Auch das erklärt den Anstieg: „Wir können nicht mehr an jeder Familie so nah dran sein, wie es richtig wäre. Daher nehmen wir auch mal vorsorglich ein Kind aus einer Familie“, sagt die Mitarbeiterin. 160 neue Stellen soll es jetzt geben, davon aber nur 75 im kommenden Jahr.

Neukölln hat umorganisiert und keine Kapazitätsprobleme mehr

Neukölln hat als einziger Bezirk keine so akuten Probleme. Dort sind alle Stellen besetzt, und es wurde vor zwei Jahren umstrukturiert. Ein Kinderschutzteam kümmert sich um die Notfälle. Wenn die Polizei mal wieder ein Kind in der elterlichen Wohnung zwischen Müll, Schimmel und Kot findet, übergibt sie es dem Jugendamt. In anderen Bezirken müssen dann Mitarbeiter der Sozialen Dienste des Jugendamts alles stehen und liegen lassen, um sich erst einmal um den Notfall zu kümmern. Falls für diesen Tag Termine angesetzt waren, werden sie abgesagt. „Manchmal hat eine Familie wochenlang auf einen Termin bei uns gewartet, dann mussten wir sie wegen eines Notfalls nach Hause schicken“, sagt Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU). „Das ständige Rausgerissenwerden hat die Mitarbeiter wahnsinnig gemacht.“ Das ist jetzt vorbei. Das Kinderschutzteam wurde ausgelagert. Das Jugendamt insgesamt stockte seine Stellen von 78 im Jahr 2012 auf aktuell 94 auf.

Die meisten Jugendämter haben nicht alle Stellen besetzt. „Wir kriegen kaum noch Bewerbungen, im Jugendamt will keiner arbeiten“, sagen Mitarbeiter. Stattdessen wird das Amt in Mitte bis Jahresende dreimal für je eine Woche schließen, um die aufgelaufenen Berge abzutragen.

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