Personalmangel in Berlin: Jugendamt Mitte muss schließen
Mehr Aufgaben, hoher Krankenstand: Stadträtin spricht von "dramatischer Lage" und hofft auf zusätzliche Stellen.
Das Jugendamt Mitte wird vom 30. November bis 4. Dezember nur in „akuten Gefährdungssituationen“ aktiv. Darauf hat am Montag der Kinderschutzbund hingewiesen.
Geschäftsführerin Sabine Walther bezeichnete die Einschränkungen als „Offenbarungseid und nicht länger hinnehmbar“, zumal der Personalmangel schon lange bekannt sei.
Jugendstadträtin Sabine Smentek (SPD) bestätigte auf Anfrage, dass es sich um kein neues Phänomen handelt: Es ist bereits die dritte Schließung der Regionalen Sozialen Dienste in diesem Jahr. Damit solle erreicht werden, dass die Mitarbeiter ältere Fälle aufarbeiten könnten, begründet Smentek die Schließung. Die gesetzlichen Aufgaben würden aber erfüllt.
Der Jugendhilfeausschuss von Mitte hatte vergangene Woche 18 zusätzliche Stellen gefordert. Diese Forderung beruht auf Berechnungen des Jugendamtes und wurde laut Kinderschutzbund einstimmig im Jugendhilfeausschuss beschlossen. Smentek hofft angesichts der Lage, dass bei den Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2016/17 zusätzliche Stellen bewilligt werden.
Zusätzliche Aufgaben durch Flüchtlinge
Sabine Walther vom Kinderschutzbund wies darauf hin, dass die Personalsituation in machen Bezirken weniger prekär sei. So hätten Neukölln und Reinickendorf zentrale Krisendienste eingerichtet. Smentek begründet die Zuspitzung in Mitte damit, dass die Sozialarbeiter nach einem neuen System zugeteilt würden, das sich nach den Fallzahlen richtet. Die Sozialdemokratin hält das für falsch. "Wenn nur die Fallzahlen entscheiden, bedeutet dies, dass Anstrengungen bei der Prävention bei der Personalzumessung nicht genügend berücksichtigt werden", bedauert Smentek. Angesichts der zusätzlichen Aufgaben durch die Flüchtlinge werde der Personalbedarf eher noch steigen. Daher sei die knappe Ausstattung "dramatisch". Auch andere Bezirke haben immer wieder auf die Personalnot hingewiesen.
Hilfe nur noch in "akuten Gefährdungssituationen"
Die Schließung der Regionalen Sozialen Dienste bedeutet, dass alle vier Standorte "für Kinder und Jugendliche und deren Familien geschlossen" bleiben, heißt es in einer Mitteilung des Bezirks. Ebenso werde "die Mitwirkung an gerichtlichen Verfahren, an Schulhilfekonferenzen und Hilfekonferenzen nur in akuten Gefährdungssituationen von Kindern wahrgenommen".
Die Personalknappheit wird noch verschärft durch Erkrankungen von Mitarbeitern. "Wenn man dauernd unter Druck steht, steigt der Krankenstand", begründet Verdi-Gewerkschaftssekretär Dieter Korte die Zuspitzung. Es sei auch schwierig, weitere Stellen zu besetzen, weil Berlin schlechter bezahle als etwa Brandenburg. Laut Smentek kündigt ein Viertel der jungen Sozialarbeiter innerhalb des ersten Jahres.