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Kleine Schnauze – großer Freiheitsdrang. Doch wenn ihre Halter keinen Hundeführerschein erwerben, müssen Vierbeiner ab 2018 an die Leine.
© picture alliance / Gregor Fischer

Neues Berliner Hundegesetz: Jetzt kommen Leinenzwang und Hundeführerschein

Ab 2018 müssen Herrchen und Frauchen dem Hundegesetz gehorchen. Doch wer mit seinem Tier den Hunde-Knigge trainiert, erspart ihm die Strippe.

Die Jamaika-Verhandlungen im Bund sind eine Kleinigkeit im Vergleich zum „Bello-Dialog“ in Berlin. Exakt vor fünf Jahren, im Oktober 2012, begannen die ersten öffentlichen, vom Senat organisierten Sondierungsrunden zur Frage, wie sich das Zusammenleben von Menschen und Hunden in der Stadt möglichst konfliktfrei organisieren lässt. Parallel dazu wurde im Abgeordnetenhaus ums neue Hundegesetz gerungen.

Soll Berlins umstrittenstes Wesen generell an die Leine? Das war hier wie dort der heikelste Punkt. Aber nun ist die Freiheit auf vier Pfoten bald vorbei: Spätestens ab Januar 2018 hält die Hauptstadt ihre Hunde kurz. Dann soll die allgemeine Leinenpflicht für Hunde gelten.

Der Hundeführerschein ist die Lizenz zum Freilauf

Es gibt aber laut Gesetz eine Chance, der geliebten Schnauze die Strippe zu ersparen. Dafür müssen Frauchen oder Herrchen mit ihrem Tier in einer Hundeschule trainieren und eine Prüfung bestehen. Dabei geht es quer durch den Hundeknigge: Sitz! Platz! Bleib! Niemand anspringen, bei Fuß laufen, nur auf Kommando die Straße überqueren. Bei Erfolg gibt’s den Hundeführerschein, die Lizenz zum Freilauf. Offizieller Name: Sachkundebescheinigung. Wer sie besitzt, darf sein Tier auch fortan weitgehend ungehindert herumschnüffeln lassen.

Aber Leinenpflicht und Hundeführerschein sind nicht die einzigen Neuregelungen im Hundegesetz, das Mitte 2016 stark erweitert wurde. Es trat zwar schon damals in Kraft, mehrere hinzugekommene Bestimmungen wie die Anleinpflicht werden aber erst ab 2018 wirksam. Warum? Weil noch Ausführungsverordnungen fehlten. Diese mussten erst mal zwischen etlichen Behörden abgeklärt werden. Entsprechend verzögert hat sich deshalb auch der Start eines Hunderegisters sowie die künftige Genehmigungspflicht für Hunde-Ausführservice (siehe weiter unten: Hundegesetz im Überblick).

Ziel ist ein Kompromiss zwischen Menschen mit und ohne Hund

Der Leinenzwang ist allerdings die einschneidendste neue Vorschrift im 34 Paragrafen umfassenden Hundegesetz. Bisher müssen Hunde nur auf belebten Plätzen, Haupteinkaufsstraßen und Grünanlagen angeleint sein, nun soll dies überall gelten – außer in Auslaufgebieten. Zu diesem Beschluss kam auch der „Bello-Dialog“, bei dem Bürger und Experten Vorschläge einbringen konnten.

Der vormalige Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) hatte den Dialog initiiert, er strebte einen Kompromiss zwischen Menschen mit und ohne Hund an. Und weil Heilmann das Problem eher am oberen Ende der Leine sieht, machte er sich ebenso wie die meisten Tierschutzverbände für den Hundeführerschein stark. Die Chance, die stressige Strippe zu umgehen, soll mehr Halter dazu bewegen, sich intensiv mit ihren Hunden zu beschäftigen – zum Wohle der Umwelt sowie im Sinne des Tierschutzes. Denn unerzogene Hunde gefährden nicht nur andere, sie bringen sich auch selbst in Not.

In Hamburg gilt der generelle Leinenzwang seit 2007

Doch wie will der neue rot-rot-grüne Senat die Leinenpflicht nun praktisch umsetzen? Bis ins Detail gibt die zuständige Justizverwaltung dies „wegen der laufenden Abstimmungen“ noch nicht bekannt. Doch im Grundsatz wird man sich an Hamburg und Niedersachsen orientieren. An der Elbe gibt’s den generellen Leinenzwang und Hundeführerschein schon seit 2007, in Niedersachsen seit 2013.

Auf den Punkt gebracht wird die Berliner Lösung in etwa so aussehen: Hunde aller Größen, vom Chihuahua bis zur Dogge, müssen an die Leine. Es gibt keinen Freibrief für die Kleinsten, weil mancher Dackel rascher zuschnappt als ein Retriever. Einzige Ausnahme: Wer schon mindestens drei Jahre lang einen Hund friedlich gehalten hat, ohne amtlich bekannt gewordene Zwischenfälle, der erhält die Sachkundebescheinigung auch ohne Prüfung. Er muss sie aber bei seinem Bezirk auf jeden Fall beantragen.

Die Hundetrainer müssen offiziell anerkannt sein

Wer den Sachkundenachweis und damit mehr Hundeverstand erwerben will, kann dies bei einer anerkannten Hundeschule tun und dort auch den Gehorsamkeitstest absolvieren. Für die Lizensierung der Hundetrainer werden die bezirklichen Veterinäre zuständig sein oder von diesen engagierte externe Fachleute. Die Qualitätskontrollen sollen auch verhindern, dass selbsternannte Hundelehrer nur schnelles Geld machen wollen.

Seit der Novellierung des Tierschutzgesetzes im April 2017 müssten Hundetrainer ohnehin schon ihre Qualifikation nachweisen, sagt die Steglitz-Zehlendorfer Amtsveterinärin Gunhild Maaß. In ihrem Bezirk hätten dies bereits 40 Hundelehrer getan. „Das sind intensive Prüfungen.“ Insoweit sei für Qualität gesorgt.

Egal, ob groß oder chic und klein. Die generelle Leinenpflicht gilt für alle.
Egal, ob groß oder chic und klein. Die generelle Leinenpflicht gilt für alle.
© DPA, Uli Deck

Wer kontrolliert die neuen Bestimmungen?

Die Frage ist allerdings: Wie soll die Leinenpflicht überhaupt hundsgenau kontrolliert werden? „Unser Ordnungsamt ist doch schon überlastet“, sagt der zuständige Stadtrat von Marzahn-Hellersdorf, Johannes Martin (CDU). Es sieht also für freiheitsliebende Vierbeiner recht entspannt aus. Obwohl, Martin überlegt kurz. Ab und zu könnten sich seine Mitarbeiter „ja den Hundeführerschein mal vorzeigen lassen“.

Kritiker bemängeln am Leinenzwang zudem, er fördere Denunziationen und sei zu teuer. Für Hundetrainer und Prüfung müsse man bis zu 400 Euro zahlen, das könne sich nicht jeder leisten. Außerdem sei der Aufwand zu umständlich und bürokratisch. Wer darf beispielsweise den Hund loslassen, falls nur ein Familienmitglied den Sachkundenachweis hat? Alle oder nur dessen Inhaber? In Berlin ist das noch unklar, dem Gesetzgeber in Hannover reicht ein „Führerschein“ für die ganze Familie, in Hamburg gilt der Schein nur für den Erwerber.

Und die Bilanz an der Elbe? „Die Leinenpflicht wirkt“, sagt eine Sprecherin des Hamburger Senats. Gravierende Bissvorfälle seien seit 2007 massiv zurückgegangen. Mehr als zehntausend Hundehalter erwarben in Hamburg den begehrten gelben „Führerschein“. Offiziell registriert sind dort rund 50 000 Hunde.

Der Senat hofft, dass sich Hundehalter künftig intensiver mit ihrem Tier beschäftigen

Berlin kassiert für etwa doppelt so viele Schnauzen Hundesteuer, aber der Konflikt um die Vierbeiner wird auch an der Spree inzwischen weniger bissig ausgetragen als noch vor einigen Jahren. Die Zahl der Hundeattacken, bei denen Menschen verletzt wurden, ging seit 2000 um zwei Drittel zurück. 2016 gab es noch 576 derartige Angriffe. Ist die Leinenpflicht also überhaupt noch nötig? Sie werde auf jeden Fall den moralisch-öffentlichen Druck weiter erhöhen, heißt es im Senat. „Damit sich möglichst viele Hundehalter verantwortungsbewusst um ihr Tier kümmern.“

Das Berliner Hundegesetz im Überblick

Das Berliner Hundegesetz wurde in den vergangenen Jahren Zug um Zug erweitert. Die Höhe der Bußgelder von 20 bis 40 Euro bei Verstößen blieb hingegen gleich. Hier folgt ein kurzer Überblick:

Regellungen seit 2010

Chippflicht, und Haftpflichtversicherung: Seit sieben Jahren müssen Hunde einen Mikrochip unter der Haut tragen, damit entlaufene Tiere leicht identifiziert und ihren Haltern zurückgebracht werden können. Jeder Hund muss zudem haftpflichtversichert sein, damit von Hunden verursachte Schäden sicher beglichen werden.

In Kraft seit 2016

Welpenverkauf: Der Verkauf junger Hunde auf Flohmärkten ist verboten. Diese dürfen nur noch von sachkundigen Züchtern oder Haltern erworben werden. Grund: In der Vergangenheit wurden auf Berliner Märkten häufig über die Grenzen geschmuggelte, schlecht behandelte, kranke Jungtiere aus Osteuropa angeboten.

Kotbeutelpflicht: Wer seinen Hund ausführt, muss einen Kotbeutel oder „andere geeignete Utensilien“ bei sich tragen. Das bestehende Gebot, Hundekot zu beseitigen, soll dadurch besser durchsetzbar sein. Bisher gab es aber in den Bezirken so gut wie keinerlei Anzeigen wegen fehlender Beseitigungsutensilien. Trotz der seltenen Kontrollen zeigt der öffentliche Druck auf Hundehalter aber Wirkung: Es gibt in den meisten Bezirken inzwischen weniger Tretminen.

Mitnahmeverbot: Bezirke können für Naherholungsgebiete ein „Hundemitnahmeverbot“ erlassen. Dies muss allerdings überzeugend begründet sein – wie der Streit am Schlachtensee zeigt.

Rasseliste und Wesenstest: Gefährliche Hunde stehen zwar weiterhin auf einer Rasseliste, um Zucht und Handel mit sogenannten Kampfhunden zu unterbinden. Statt bisher zehn Rassen, werden aber nur noch drei aufgeführt, die öfter vorkommen: Pitbull,- American Staffordshire- und Bullterrier sowie deren Kreuzungen. Für diese gilt Leinen- und Maulkorbpflicht. Es sei denn, sie werden bei einem Wesenstest als ungefährlich eingestuft.

Ab 2018 gilt

Zentralregister: Nicht nur die generelle Leinenpflicht und der „Führerschein“ kommen auf Hundehalter zu, sie sollen auch mit ihren Tieren in einem Zentralregister erfasst werden. Dies soll der Identifizierung nach Bissvorfällen dienen und die Suche nach entlaufenen Tieren erleichtern.

Dogwalker-Auflagen: Sogenannte Dogwalker, die als Ausführservice mehr als vier Hunde betreuen, müssen ihr Gewerbe genehmigen lassen und eine Sachkundeprüfung bestehen. Außerdem kann die Zahl der ausgeführten Hunde begrenzt werden.

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