BVV Steglitz-Zehlendorf: Heftige Debatte um Leinenpflicht für Hunde
Noch einmal ordentlich was los vor der Sommerpause: Die BVV Steglitz-Zehlendorf kam im Juli noch einmal auf den Hund.
„Das Ordnungsamt-Bashing, das Sie hier betreiben, finde ich feige!“ Statt die verschiedenen Nutzerinteressen an den Seen in Zehlendorf in eine Balance zu bringen und ein Gesamtkonzept zu entwickeln, werde jetzt wieder die alte Hunde-Leier herausgekramt und mit dem Finger auf einen, in diesem Fall auf Bezirksstadtrat Michael Karnetzki (SPD), gezeigt. Das waren ungewohnt deutliche Worte von Ulrike Wöhning (SPD) am Mittwochabend in der BVV-Sitzung im Rathaus Zehlendorf. Die sonst eher zurückhaltend wirkende Bezirksverordnete redete sich regelrecht in Rage. Am Ende brüllte sie fast. Ausgangspunkt war eine Große Anfrage der Grünen. Die wollten wissen, ob es stimme, dass entgegen geltender Vorschriften wieder verstärkt freilaufende Hunde an Schlachtensee und Krumme Lanke zu beobachten seien.
Diesem emotionalen Auftritt der Bezirksverordneten ging ein Redebeitrag des Fraktionsvorsitzenden der CDU, Torsten Hippe, voran, in dem er unter anderem bemerkte, dass sich trotz der vielen Diskussionen in den letzten Jahren nichts geändert habe. „Ein Amt, das man Ihnen überträgt, funktioniert nicht: Sie sind ein Problem, Herr Karnetzki!“
Obwohl Zwischenrufe aus dem Plenum nicht erlaubt sind, konterte Ulrike Wöhning lautstark: „Sie auch, Herr Hippe!“ Einige lachten, andere bekundeten Beifall, manche raunten. Um die aufgeheizte Stimmung wieder zu beruhigen, mahnte Bezirksvorsteher René Rögner-Francke zur Besonnenheit.
Rechtsfreier Raum an den Seen?
Der CDU-Fraktionschef konkretisierte dann seine Aussage, in dem er Michael Karnetzki, der als Bezirksstadtrat für das Ordnungsamt zuständig ist, unterstellte, an den Seen einen rechtsfreien Raum zu zulassen. Er selbst wohne in der Nähe des Schlachtensees, gehe zwei Mal wöchentlich hinunter und beobachte dort natürlich unangeleinte Hunde. Das sei aber nicht erlaubt. „Sie tun jedoch nichts, um das zu verhindern und das ist eine gezielte Torpedierung der Politik des Bezirksamtes“, warf er dem Bezirksstadtrat vor und forderte eine Bestandsaufnahme der Verstöße an den Seen.
Auch der Bezirksverordnete Michael Gaedicke (Grüne), Initiator der Großen Anfrage, befürchtet, dass sich hier alte Konflikte der vergangenen Jahre zwischen Hundebesitzern und Nichthundebesitzern wieder hochschaukeln könnten. Es gelte das Berliner Hundegesetz. Zur Orientierung stünden schließlich an den Zugängen zum Schlachtensee überall Schilder mit der Aufschrift: „Leinenpflicht für Hunde in der öffentlichen Grünanlage, einschließlich der Uferwege.“ Ihm sei daher unklar, warum das Ordnungsamt an dieser Stelle nicht verstärkt kontrolliere und warum es nicht funktioniere, hier geltendes Recht durchzusetzen.
Oder im Vergleich zu früher entspannt?
Michael Karnetzki, der in weiten Teilen kopfschüttelnd der Diskussion zugehört hatte, schaltete sich – ungewohnt für ihn - gleich drei Mal in die Debatte ein. Viele Dinge würden hier falsch verbreitet. Bei einem Spaziergang kürzlich am Schlachtensee sei ihm aufgefallen, dass an einigen Stellen die Schilder fehlten. Zudem stimme es nicht, dass überall, außer in den Hundeauslaufgebieten, die Leinenpflicht gelte. „Es gibt Ausnahmen“, sagte er und nannte beispielhaft die Blindenführhunde. Zwar beobachte auch er vereinzelt noch unangeleinte Hunde am Schlachtensee, aber nach seinem Empfinden habe sich die Situation in letzter Zeit im Vergleich zu früher entspannt. „Im Mai gab es hier lediglich eine Ordnungswidrigkeitsanzeige“, berichtete er.
Momentan sei es so, dass die Streifen des Ordnungsamtes in unregelmäßigen Abständen die Grünanlagen der Seen kontrollierten. Ihm stünden 25 Außendienstmitarbeiter zur Verfügung. In einem Flächenbezirk wie Steglitz-Zehlendorf könne man aber nicht zu jeder Zeit jede Ordnungswidrigkeit ahnden. Das ließe sich nicht finanzieren. Je nach Häufigkeit der Verstöße müssten daher Schwerpunkte gesetzt werden. „Und ich sehe im Augenblick keinen Schwerpunkt mit den Hunden an den Seen, weil sich die Lage dort beruhigt hat“, wiederholte Karnetzki. Doch dafür, dass die Situation gegenwärtig so entspannt sein soll, war die mehr als eineinhalbstündige Diskussion im Rathaussaal sehr aufgeladen und kontrovers.
Der AfD-Fraktionschef Peer Döhnert zum Beispiel nannte die Argumente der schwarz-grünen Zählgemeinschaft eine „unmögliche Gängelung, die das Maß völlig überzieht“. Er habe am Schlachtensee in letzter Zeit keine Belastung durch freilaufende Hunde beobachten können.
Aggressive Atmosphäre
Rolf Breidenbach von der FDP-Fraktion erklärte indessen, dass er zwar für die Kontrollen an den Seen sei, allerdings mit Maß, denn einen Überwachungsstaat wünsche er sich nicht. Dann brachte er noch die Ordnungsamt-App ins Spiel, die es in den meisten Berliner Bezirken bereits gibt. Über dieses Angebot können die Bürger beispielsweise falsch parkende Autos, Schlaglöcher oder defekte Parkbänke melden. „Wenn wir diese App hätten, hätten wir vielleicht auch schon einen anderen Überblick über die Situation am Schlachtensee“, gab Breidenbach zu bedenken.
Unzufrieden mit der aktuellen Situation am Schlachtensee zeigte sich indessen die CDU-Bezirksverordnete Marela Bone-Winkel, selbst Anwohnerin. Sie gehe mit ihrem Hund inzwischen nicht mehr dort spazieren. Denn die Atmosphäre sei aggressiv, man werde teilweise angebrüllt. „Wenn die Verstöße in Kauf genommen werden, werden auch die Gefährdungen geduldet“, schlussfolgerte sie.
"Mit Law-and-Order-Politik profilieren"
Schließlich platzte dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Volker Semler, später noch beinahe der Kragen. Eigentlich habe er sich zu dem Thema gar nicht äußern wollen. Aber hier werde ein Popanz aufgebaut. „Bei einer Anzeige im Mai muss uns wirklich Angst werden“, sagte er ironisch. Mit 25 Mitarbeitern sei es nicht möglich, flächendeckend den Bezirk zu kontrollieren. „Dann sorgen Sie doch dafür, dass Gelder und Stellen bewilligt werden, dass das umsetzbar ist.“
Seine Fraktion habe schließlich einen Vorschlag gemacht, einen Sonderausschusses zur „Entwicklung und Pflege des Grunewald-Seengebietes“ einzurichten. Damit könne man gemeinsam mit den Nutzern der Seen und mit externen Sachverständigen ein Konzept erarbeiten. CDU und Grüne hätten das bisher allerdings abgelehnt. „Weil sie gar kein Interesse daran haben, sich stattdessen mit ihrer Law-and-order-Politik profilieren wollen“, machte er sich Luft.