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Berlin ist eine Mieterstadt, erinnert Ariane Bemmer.
© imago images/CHROMORANGE

Ist der Mietendeckel sinnvoll?: Ja, denn steigende Mieten sind kein Naturgesetz

Berliner können bald hoffen, doch noch eine passende bezahlbare Wohnung zu finden. Der Mietendeckel bringt Erleichterung, er setzt Energie frei. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Am Dienstag beschließt der Berliner Senat den Mietendeckel – Start für einen bundesweit einmaligen Versuch. Kann das gut gehen? Dazu unser Pro und Contra, den Contra-Kommentar von Antje Sirleschtov lesen Sie hier.

Sie tun es wirklich, und das könnte Folgen haben. Wenn der Senat an diesem Dienstag das Gesetz zum Mietendeckel beschließt, ist es damit noch nicht in Kraft, ist das Problem des Wohnungsmangels damit nicht gelöst, bleiben viele Fragen weiter unbeantwortet, die sich zum Thema Häuserbau stellen – und doch dürfte es für Hunderttausende Menschen in dieser Stadt ein Grund sein, dem Senat erleichtert um den Hals fallen zu wollen.

Der Mietendeckel, der grob zusammengefasst für fünf Jahre deutliche Mietensteigerungen kappt, soll ein dicker, weich gepolsterter Schutzschild sein zwischen Mietern im (und sei es nur gefühlten) Grenzgebiet ihrer finanziellen Möglichkeiten und dem scharfkantigen Schrecken drohender Mietsteigerungen.

All jene, die beim Blick auf ihre heute schon konkreten oder auch nur perspektivisch zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben ein Missverhältnis feststellen, weil Einkommens- und Mietentwicklung nicht gleichschreiten, können auf eine Verschnaufpause hoffen: Zur Miete wohnen wird vorübergehend kein Problem sein.

Das ist, da es eine zentrale Existenzgestaltungsfrage von vielen Menschen betrifft, zumindest die Aussicht auf eine fundamentale Erleichterung. Das sollte nicht unterschätzt werden.

Machtlos mitansehen

Berlin ist eine Mieterstadt, das wird immer wieder gesagt. Mehrheitlich bewohnt also von Menschen, die nicht Wohneigentümer sind. Die sich heute vielleicht ohrfeigen könnten dafür, dass sie in den 1990er Jahren, als alles noch bezahlbar war, nicht gekauft haben, weil das entweder in ihrem Denken nicht vorkam oder weil sie gelernt hatten, dass man keine Schulden machen soll.

Die dann machtlos mitansehen mussten, wie ihre Bewegungsräume immer enger wurden, bis sie anfingen, sich als Gefangene ihres alten Mietvertrags zu fühlen, der sie an ihre ein, zwei, drei Zimmer fesselte, die zu wechseln mangels Vermögen nicht mehr in Betracht kam.

Diesen Mietern wurde eingetrichtert, dass die steigenden Mieten eine Art Naturgesetz seien, das sich aus dem Angebotsmangel ergebe und dem sie sich fügen müssten. Aber Märkte sind keine Naturgesetze, sondern steuerbar. Dass die Mieterinitiative „Deutsche Wohnen enteignen“ und dann die Berliner Politik da ein Umdenken gewagt haben und wagen, ist ihnen hoch anzurechnen.

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Mit dem Mietendeckel können jene, die sich mit inzwischen zwei Kinder nach wie vor in einer Zweizimmerwohnung drängeln, wieder hoffen, vielleicht doch etwas Passenderes zu finden, das auch bezahlbar ist. Und auch jene, die zusammenziehen oder sich trennen, sich vergrößern oder verkleinern oder einfach nur verändern wollen, können die Suche etwas optimistischer angehen.

Es könnte sein, dass der Blick auf die Vermietungsportale bald nicht mehr nur frustrierende Zu-teuer-Ergebnisse liefert, sondern stattdessen Optionen und Möglichkeiten.

Der Mietendeckel ist ein realpolitisches Wagnis mit ungewissem Ausgang, das ist zweifellos richtig. Aber er kann etwas schaffen, was ein Gewinn der ganz anderen Art wäre: Er kann bei den Menschen in der Stadt Energie freisetzen. Was immerhin mal das gewaltige Plus war, das diese Stadt ausgemacht hat, das bis heute den Mythos prägt, durch den die Stadt so attraktiv wurde, dass die ganze Mietwohnungsproblemwalze überhaupt erst ins Rollen geriet. Und diesmal wäre man dann vorher schlauer.

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