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Am Dienstag beschließt der Berliner Senat einen Mietendeckel.
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Update

Berliner Mietendeckel: Was ändert sich für Mieter und Vermieter?

Am Dienstag beschließt der Berliner Senat den Gesetzentwurf zur Begrenzung der Mieten. Was wird sich für Mieter und Vermieter ändern – und was ist noch unklar?

„Wir warten“, hieß es am Montag in der Koalition. Bis zum Schluss wurde an dem Gesetzentwurf für den Berliner Mietendeckel in der Stadtentwicklungsverwaltung gefeilt. Mehr als 50 Seiten umfasst das „Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“, das dem Tagesspiegel vorliegt. Das Gesetz gilt zunächst für fünf Jahre und soll nach Schätzungen der Stadtentwicklungsverwaltung den Mietern Entlastungen in Höhe von 2,166 Milliarden Euro bringen. Die Kosten für den Landeshaushalt werden im Fünfjahreszeitraum auf 139,5 Millionen Euro geschätzt. An diesem Dienstag wird der Senat den Entwurf beschließen, der dann vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) sowie den Bürgermeistern und Senatoren Ramona Pop (Grüne) und Klaus Lederer (Linke) im Roten Rathaus präsentiert wird. Der Rat der Bürgermeister, die politische Vertretung der zwölf Bezirke, wird sich ab Donnerstag mit dem Mietendeckel befassen und in zwei Wochen eine Stellungnahme vorlegen. Dann geht das Gesetz in die parlamentarische Beratung. Anfang des Jahres soll es verabschiedet werden. Es ist gültig, wenn es im Amtsblatt veröffentlicht ist. Das kann bis Februar/März dauern.

Was steht im Gesetz?

Ab dem Stichtag 18. Juni 2019 werden die Mieten in Berlin rückwirkend eingefroren. Damals hatte der Senat die „Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz“ beschlossen. Der Mietendeckel, der nach grober Schätzung 1,5 Millionen Haushalte in Berlin betrifft, gilt nicht für den öffentlich geförderten Wohnungsbau, Neubauten (bezugsfertig ab 2014) und Wohnheime. Das Mietenmoratorium ist auf fünf Jahre befristet.

Ab 2022 dürfen Vermieter einen Inflationsausgleich von 1,3 Prozent pro Jahr auf die Nettokaltmiete aufschlagen. Das Einfrieren der Mieten wird geschätzt etwa 1,5 Millionen Haushalte betreffen. Bei der Wiedervermietung einer Wohnung gilt die Vormiete. Falls diese höher ist, gilt die im Gesetzesentwurf enthaltene Tabellenmiete. Besonders niedrige Mieten unter fünf Euro pro Quadratmeter dürfen bei Wiedervermietung um höchstens einen Euro pro Quadratmeter auf maximal fünf Euro pro Quadratmeter angehoben werden.

Die gesetzlich festgelegten Mietobergrenzen bei Neuvermietungen gelten sofort. Die Tabelle orientiert sich an den Werten des Mietspiegels von 2013, unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung und der gestiegenen Verbraucherpreise. Unter bestimmten Umständen können Bestandsmieten gesenkt werden. Das gilt für sogenannte Wuchermieten, die die Tabellenmiete um über 20 Prozent überschreiten. Solche Mieten werden auf 120 Prozent der Tabelle gemindert. Und zwar mit Zu- und Abschläge für einfache Lagen, mittlere Lagen und gute Lagen. Im Berliner Mietspiegel ist festgelegt, welche Wohnung in der Stadt welcher Lage zuzuordnen ist. Diese Mietsenkung gilt erst neun Monate nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes.

Nach Modernisierungsmaßnahmen darf die Wohnungsmiete nur in sehr engen Grenzen vom Vermieter erhöht werden. Vorgesehen ist ein Aufschlag von einem Euro pro Quadratmeter, der anzeigepflichtig ist, aber nicht genehmigt werden muss. Für Modernisierungskosten, die darüber hinausgehen, muss der Vermieter auf öffentliche Förderprogramme hoffen. Ein Euro pro Quadratmeter zusätzlich können ihm so erstattet werden. Solche teuren Modernisierungen sind genehmigungspflichtig.

In Rechtsverordnungen werden Modernisierungsmaßnahmen wie Barrierefreiheit oder energetische Sanierung noch einmal gesondert aufgelistet. Härtefälle auf der Vermieterseite werden im neuen Gesetz geregelt. Ein Vermieter soll Mieten „angemessen“ erhöhen können, wenn ihm durch die Beibehaltung der bisherigen Wohnungsmiete eine „unbillige Härte“ oder gar eine „wirtschaftliche Schieflage“ droht.

Wer kontrolliert das Gesetz?

Federführend ist die Stadtentwicklungsverwaltung des Senats. Sie ist auch verantwortlich dafür, dass 50 zusätzliche Mitarbeiter in den Bezirken und 200 in den Hauptverwaltungen zentral eingestellt werden. Will ein Mieter (frühestens neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes) beispielsweise seine Miete laut Gesetz kürzen, muss er dies beim Bezirksamt anzeigen und genehmigen lassen. Die Stadtentwicklungsverwaltung ist für die zentrale Prüfung von Mietsenkungen zuständig. Droht einem Vermieter eine wirtschaftliche Härte durch das Gesetz, prüft die Investitionsbank Berlin die unbillige Härte und die von ihm beantragte, angemessene Mieterhöhung.

Welche Institutionen beraten?

Ansprechpartner für die Umsetzung des landesgesetzlichen Mietendeckels sind die Fachabteilungen in den Bezirksämtern. Aber auch die Mietervereine erwarten nach Verabschiedung des Gesetzes viel Publikumsverkehr. Die Vermieter können auf Hilfestellung durch die Immobilienverbände rechnen. Die rot-rot-grüne Koalition geht davon aus, dass „einige hunderttausend“ Berliner eine Absenkung überhöhter Mieten beantragen werden. Valide Zahlen gibt es bisher nicht. Der Senat erwägt die Einrichtung eines Wohnungskatasters bzw. einer Mietpreis-Datenbank für Berlin.

Gibt es noch offene Fragen?

Die Rechtssicherheit des Mietdeckel-Gesetzes ist wohl die spannendste Frage, auf die es momentan keine Antwort gibt. Die Berliner Landesverbände von CDU und FDP haben angekündigt, verfassungsrechtlich gegen das Gesetz vorzugehen. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat ein abstraktes Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht angekündigt. Auch deshalb räumt Rot-Rot-Grün für die geplante Absenkung von „Wuchermieten“ eine Frist von neun Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes ein. Wenn der Senat großes Glück hat, lassen die Richter das Gesetz unangetastet. Es kann aber auch passieren, dass Teile des Gesetzespakets beanstandet und nachgebessert werden müssen. Wenn es ganz schlimm kommt, wird das Gesetz in Karlsruhe für nichtig erklärt. Vor allem geht es um die Streitfrage, ob ein Bundesland berechtigt ist, eigenständig in die Mietgesetzgebung einzugreifen.

Um das Gesetz praktisch umzusetzen, muss die Verwaltung gut funktionieren. Die Stadtentwicklungsverwaltung ist dafür verantwortlich, dass die 250 neu zu schaffenden Stellen in den Bezirken und der Hauptverwaltung zügig besetzt werden. Das dürfte schwierig werden und braucht in jedem Fall viele Monate Zeit. Ob, wie und wann das von Rot-Rot-Grün geplante Wohnungskataster eingeführt wird, um einen detaillierten Überblick über die Berliner Mietensituation zu bekommen, ist noch völlig unklar. Außerdem muss der Senat parallel zur Gesetzgebung noch einige Rechtsverordnungen auf den Weg bringen. Das Förderprogramm für energetische Sanierung zum Beispiel soll erweitert werden. Auch Modernisierungsmaßnahmen müssen verbindlich aufgelistet werden, die auf die Miete umgelegt werden können.

Wie ist die Mietenlage jetzt?

In den neunziger Jahren galt Berlin nicht nur als Mieterstadt (über 90 Prozent der Bürger wohnen zur Miete), sondern auch als Mieterparadies. Im Vergleich zu anderen Großstädten und internationalen Metropolen war das Mietniveau niedrig. Das hat sich vor allem im letzten Jahrzehnt radikal geändert. Die durchschnittlichen Nettokaltmieten stiegen seit 2009 kräftig von 4,83 Euro auf 6,72 Euro je Quadratmeter. Bei den Erst- und Wiedervermietungen verdoppelten sich die Mieten im selben Zeitraum von 5,59 Euro je Quadratmeter auf 11,60 Euro. Das ist fast schon Hamburger Niveau. In München liegen die Neuvertragsmieten aktuell bei 17,98 Euro. Das ist bundesweit Spitze.

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