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Den Stecker gezogen: Ende August legte ein Totalausfall des Berliner Rechenzentrums ITDZ diverse Behörden lahm. Ursache war wohl eine Fehlkonstruktion ausgerechnet im Notstromsystem.
© Ole Spata / dpa

Ausgefallene Ausfallsicherung: ITDZ könnte Schadenersatz fordern

Die Panne im Berliner Rechenzentrum Ende August war wohl einer Fehlkonstruktion des Notstromsystems geschuldet. Nun könnten dem Hersteller rechtliche Konsequenzen drohen.

Wochenlang auf einen Termin gewartet, zum Amt gegangen und dann geht nichts mehr. Am Montag den 24. August erlebten viele Berliner genau das. Denn infolge eines Problems im Landesrechenzentrum ITDZ fielen in den städtischen Behörden Internet, internes Netzwerk sowie diverse Programme für mehrere Stunden aus. Betroffen waren das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Teile von Polizei und Feuerwehr, mehrere Senatsverwaltungen, die Justiz und ausgerechnet das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). Die rund 60 ohnehin überlasteten Mitarbeiter mussten alle Neuankömmlinge handschriftlich registrieren. In Mitte nannte Bezirksstadträtin Sabine Smentek (SPD) die Störung einen „mittelschweren GAU” - das Akronym steht für “größter anzunehmender Unfall”.

Das Problem war größer als zunächst gedacht

Zur Ursache hatte das ITDZ damals lediglich erklärt, dass nach einer nächtlichen Spannungsschwankung das Notstromsystem eingesprungen sei und aufgrund eines defekten Schalters nach dem Aufbrauchen der Batteriereserven nicht wieder auf Netzbetrieb umschaltete. Mittlerweile deutet aber alles auf einen Konstruktionsfehler in einer der sogenannten “unterbrechungsfreien Stromversorgungen” (USV) hin. “Im Inneren einer der Anlagen kam es bei der Aktivierung des Systems zu einem Kurzschluss, der alle manuellen und automatischen Umschaltmechanismen dieser USV zerstörte”, erklärte ITDZ-Sprecher Hans-Heinrich Stumpf auf Anfrage des Tagesspiegel. Die Stromversorgung der Berliner Behördenserver war damit blockiert.

Genau das hätte eigentlich nicht passieren dürfen. Das Notstromsystem des Rechenzentrums hat mehrere sogenannte Redundanzen, die bei Ausfall einer oder gar mehrerer Komponenten die Versorgung garantieren sollen. Dazu zählen auch umfangreiche Batteriereserven. Die aber konnten anders als zunächst berichtet durch die Kurzschluss-Schäden gar nicht erst angezapft werden. Ebenso nutzlos waren die verbliebene USV und das Dieselaggregat des ITDZ, dessen Tankfüllung allein für zwei Wochen autarken Betrieb ausreichen würde.

Das Problem war erst behoben als es gelang, die zerstörte USV von Hand zu überbrücken und so die unterbrochene Stromversorgung wiederherzustellen. Bei dieser Reparatur mussten die Techniker allerdings sehr umsichtig vorgehen, um keine Schäden an den restlichen Teilen des Notstromsystems zu riskieren - und zum Leidwesen der Berliner Beamten und Bürger auch dementsprechend langsam.

Jetzt ist der Hersteller der Notstromanlagen am Zug

Die Konsequenzen aus dem Totalausfall: Sowohl die funktionsunfähige als auch die baugleiche zweite USV mussten durch den Hersteller ersetzt werden. Kosten sind dem Landesrechenzentrum nach eigenen Angaben in geringer Höhe durch Rufbereitschaften und Überstunden entstanden. Demnächst werde man solche “Großstörungen” schneller beheben können, versprach ITDZ-Sprecher Stumpf. Zudem wolle man den Hersteller des Notstromsystems zur Behebung der Konstruktionsfehler verpflichten. Die Firma hat eigene, detaillierte Untersuchungen zu dem Vorfall noch nicht abgeschlossen. Bis deren Ergebnis feststeht, hält sich das ITDZ die Möglichkeit offen, Schadenersatz von  dem USV-Hersteller zu fordern.

Langfristige Einschränkungen für den Betrieb des Rechenzentrums hat der Vorfall Ende August nicht nach sich gezogen. Der Berliner Verwaltung bleiben jedoch noch ihre ganz eigenen IT-Probleme - von veralteten Betriebssystemen bis hin zu der Tatsache, dass 85 Prozent der Behörden-Computer nicht nach einem einheitlichen Standard ausgestattet sind. Der Traum des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller von Berlin als führender Smart City Europas wird wohl für längere Zeit genau das bleiben - ein Traum.

Nándor Hulverscheidt

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