37 Grad am Mittwoch: Italienische Verhältnisse in Berlin
Die Hitze wird weniger dramatisch als erwartet, dafür droht eine neue Dürre. Das Regendefizit des Rekordsommers 2018 ist längst nicht ausgeglichen, die Bäume brauchen Wasser.
Kurzfristig kann Berlin erst einmal aufatmen: Die fast beispiellose Hitzewelle, die auf Deutschland zukommt, trifft die Stadt wohl nicht mit voller Wucht. Doch dafür bahnt sich eine Dürre an, die ähnlich dramatisch werden kann wie im vergangenen Jahr.
Etwa 34 Grad sollen es an diesem Dienstag werden. Für Mittwoch erwartet Jörg Riemann, Chefmeteorologe der Wettermanufaktur in Tempelhof, in Berlin bis zu 37 Grad – bei zunehmender Schwüle, die sich in der Nacht darauf in einzelnen Gewittern entladen könne. Der Donnerstag soll es mit etwa 28 Grad deutlich angenehmer werden.
Am Sonntag könne das Thermometer dann noch einmal deutlich über 30 Grad steigen, aber damit soll sich die größte Hitze erst einmal erledigt haben. Noch vor wenigen Tagen hatten mehrere Wettermodelle für Mittwoch Temperaturen bis 39 Grad und extreme Hitze auch an den Tagen darauf prophezeit.
Diese Temperaturen hätten für Berlin einen Allzeitrekord bedeutet – und ausweislich der Erfahrungen aus vergangenen Jahren zahlreiche Hitzetote befürchten lassen. Außerdem wären vermutlich Schäden etwa an der Infrastruktur wie aufplatzender Fahrbahnbelag und Probleme beispielsweise mit der Elektronik von Zügen gekommen.
Ab Donnerstag werden die Nächte kühler
Die Feuerwehr, die an sehr heißen Tagen mit mehr Rettungseinsätzen wegen Kreislaufproblemen rechnen muss, ist nach Auskunft eines Sprechers mit der üblichen Stärke „auch bei Hitze gut aufgestellt“. Zusätzliche Kapazitäten würden nicht vorab aktiviert, sondern spontan bei Bedarf. Bei hoher Auslastung rufe man – wie auch sonst häufig – den „Ausnahmezustand Rettungsdienst“ aus, bei dem Beamte von Brandbekämpfung und technischer Hilfeleistung zusätzliche Rettungswagen besetzen könnten.
Da auch die Nächte im Norden Deutschlands ab Donnerstag kühler werden sollen, ist die Hitze dann nicht mehr kritisch. „Das deutlich größere Problem wird die Trockenheit“, sagt Riemann. Das Regendefizit des extrem trockenheißen Jahres 2018 ist nicht ansatzweise ausgeglichen worden – und Linderung ist nicht in Sicht: Auf die ohnehin nur lokalen und nicht allzu starken Gewitter folge ab Donnerstag „sehr, sehr trockene Luft“, die die Natur weiter ausdörrt und bei Menschen das Risiko für Sonnenbrand auf das Maximum erhöht, das in unseren Breiten möglich ist. „Wir haben jetzt ein Wetter, wie es in Italien normal wäre“, sagt Riemann. Dabei sei die Wetterlage eine ganz andere als im Extremjahr 2018.
Die Straßenbäume hätten von 2018 „gelernt“
Fürs Stadtgrün macht das keinen Unterschied, denn der Boden trocknet zumindest in den oberen Schichten täglich weiter aus. Relativ unkritisch ist die Lage nur noch in den Kiezen, in denen es vor zwei Wochen besonders heftig gewittert hat. Nach Auskunft von Christian Hoenig, Baumreferent beim Umweltverband BUND, haben die Straßenbäume aus dem vergangenen Jahr „gelernt“ und in diesem Frühjahr von vornherein weniger sowie kleinere und hellere Blätter ausgebildet.
Das alles helfe ihnen, Wasser zu sparen. Und die Gewitter hätten ihnen zumindest etwas Linderung verschafft. Die dürfte allerdings nicht mehr lange anhalten, wie die Messungen zeigen, mit denen das Pflanzenschutzamt seit dem vergangenen Jahr die verfügbare Bodenfeuchte ermittelt (siehe Grafik): Die Kurve rutscht gerade wieder in den roten Bereich, in dem es ohne zusätzliche Bewässerung kritisch wird.
Die „Geheimwaffe gegen den Klimawandel“
„Bitte so acht bis zehn Eimer pro Woche“, sagt der gelernte Förster Hoenig im Namen der Straßenbäume. Deren Wert lasse sich finanziell auf etwa zwei Milliarden Euro beziffern. Tatsächlich seien die knapp 440.000 Straßenbäume unbezahlbar – „als unsere Geheimwaffe gegen den Klimawandel“: Eine schattige Straße heize sich tagsüber viel weniger auf und strahle nachts entsprechend weniger Wärme ab. Dieser Kachelofen-Effekt lässt viele Menschen schlecht schlafen und kann empfindlichen Leuten gefährlich werden.
Aus Sicht der Berliner Wasserbetriebe (BWB) kommt die Hitzewelle zu einem unkritischen Zeitpunkt: In den Ferien sei der Bedarf insgesamt geringer, und für Spitzentage habe man Reserven. Der Grundwasserspiegel um mehrere Wasserwerke ist nach Unterlagen der BWB seit dem vergangenen Jahr um etwa einen halben Meter gesunken – mit deutlichen lokalen Unterschieden.
Zur Beunruhigung gibt es nach Auskunft von BWB-Sprecher Stephan Natz keinen Anlass: Das Unternehmen saniere mehrere Brunnen und nehme an den Wasserwerken Kladow, Beelitzhof, Wuhlheide und Friedrichshagen 20 bis 30 neue Brunnen in Betrieb.
Stefan Jacobs