Hauptstadtflughafen Berlin: Ist selbst eine BER-Eröffnung im Jahr 2018 gefährdet?
Rasen fünf Züge gleichzeitig in den BER-Bahnhof, dann ... Die Krise am Hauptstadtflughafen ist dramatisch: beim Bau, in Kollision mit Behörden, beim Geld.
Vier Jahre nach der geplatzten Eröffnung droht am unvollendeten Hauptstadtflughafen erneut ein Crash. Wenn die akuten Brandschutz-, Genehmigungs- und Technikprobleme um die Entrauchung zwischen Terminal und Tiefbahnhof nicht kurzfristig gelöst werden können, ist nach Tagesspiegel-Recherchen nicht nur ein Start 2017 aussichtslos – sondern selbst eine Eröffnung im Jahr 2018 gefährdet. Und die nötige Klärung dürfte mit der Attacke des Regierenden Bürgermeisters und Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Müller (SPD) gegen Behörden wie das Eisenbahnbundesamt nicht einfacher geworden sein. So hieß es am Montag zumindest auf der BER-Baustelle und in Kreisen der Miteigentümer Brandenburg und Bund.
Nach Tagesspiegel-Informationen ist am vergangenen Freitag im Aufsichtsrat sogar bereits ein Not-Szenario erwogen worden. Erst nach hitziger Debatte wurde es verworfen, den neuen Airport (frühere Werbung: „Europas modernster Flughafen“) mit beim Start erwarteten 34 Millionen Passagieren zunächst ohne Tiefbahnhof zu eröffnen – und so zwei Jahre zu betreiben. Solange würde es dauern, so rechnete es Flughafenchef Karsten Mühlenfeld intern vor, ehe zwischen Terminal und Bahnhof – bislang ist es ein offener Bereich – eine technische Schottenlösung eingebaut werden könnte, die im Brandfall ein etagenübergreifendes Ausbreiten des Rauches verhindert.
In Berlin fährt die S-Bahn nirgendwo so schnell
Ohne diesen Umbau wiederum muss der Flughafen kurzfristig eine neue Worst-Case-Simulation nachweisen. Wie berichtet, hat das Bauordnungsamt Dahme-Spreewald in seinem Schreiben vom 20. April 2016 die Auflagen präzisiert, von denen die Lösung des Entrauchungsproblems um den Bahnhof abhängt – und damit die Genehmigung des kompletten Antrages für den noch nötigen Umbau der Entrauchungsanlage .
Konkrete Parameter dafür hatten Eisenbahnbundesamt und Bahn am 15. April 2016 festgelegt. Ein Beispiel: Danach sollen ab Minute Drei nach Ausbruch eines Brandes im Terminal von Westen aus gleichzeitig zwei Regiozüge und eine S-Bahn bei Selchow in den Tunnel hineinfahren, und gleichzeitig von Osten aus ebenfalls zwei Regios – also fünf Züge gleichzeitig.
Was Flughafenchef Mühlenfeld und Müller fassungslos machte, sind die dabei „anzusetzenden Zuggeschwindigkeiten“: Die S-Bahn soll, so lautet eine Vorgabe, 2000 Meter vom BER-Bahnsteigende entfernt noch 100 km/h schnell sein, dann bis 500 Meter auf 80 km/h heruntergehen. In Berlin fährt die S-Bahn nirgendwo so schnell. Diese Anforderungen sind so hoch, mit den Druck- und Sogwirkungen, dass die Entrauchungsanlage in der jetzigen Form dies womöglich gar nicht schafft.
BER-Finanzierung gerät in Gefahr
Mit diesen Turbulenzen um den Eröffnungstermin gerät auch die weitere BER-Finanzierung in Gefahr. Die EU-Kommission hat immer noch keine Freigabe für die nächste Kapitalspritze von 2,2 Milliarden Euro (Gesamtkosten dann: 6,6 Milliarden) gegeben, sondern einen neuen Fragekatalog geschickt.
Im Antrag Deutschlands ist ein BER-Start 2017 fixiert. Die letzte öffentliche Kapitalspritze über 1,2 Milliarden Euro hatte die EU im Dezember 2012 genehmigt, im Januar 2013 wurde die für den Oktober geplante Eröffnung abgesagt. Ohne EU-Genehmigung dürfen die nächsten 2,2 Milliarden, mit denen der BER fertig gebaut und provisorisch erweitert werden soll, nicht fließen. Das Geld reicht noch bis Sommer 2016. Allerdings darf sich der Flughafen jetzt privates Kapital besorgen. Der Aufsichtsrat hat in aller Stille dem Plan zugestimmt, mit einer Bank einen BER–Schuldschein über 100 Millionen Euro für Kapitalanleger aufzulegen.