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Interne Querelen, Führungsprobleme, Personalmangel - das Vorzeigeprojekt der Fahrradstaffel ist inzwischen weniger vorzeigbar.
© Kai-Uwe Heinrich

Prestigeprojekt von Senator und Polizei verpufft: Ist bei Berlins Fahrradstaffel wegen Streitigkeiten die Luft raus?

Berlins Innensenator Geisel versprach eine größere Fahrradstaffel in der City. Doch nach internem Streit fehlt der Vorzeigeeinheit der Polizei nun Personal.

Sie ist ein Prestigeprojekt der rot-rot-grünen Koalition, besonders vorangetrieben von den Grünen: Die Fahrradstaffel der Polizei Berlin. Doch das Vorzeigeprojekt erweist sich inzwischen als weniger vorzeigbar – Grund sind interne Querelen, Führungsprobleme und nun sogar Personalmangel.

Nach einem 2014 gestarteten Probelauf war die Staffel 2017 als feste Einheit etabliert worden. Seither waren 20 Fahrrad-Polizisten im Einsatz – zunächst im Bezirk Mitte, später zudem in Friedrichshain-Kreuzberg, nun soll die Einheit auch Teile von Neukölln abdecken.

Im September 2020 luden Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Polizeipräsidentin Barbara Slowik zum Fototermin an den Gendarmenmarkt, ihre Botschaft lautete: die „besonders repräsentative Polizeieinheit“, die durchaus Erfolg hatte, soll aufgestockt werden von 20 auf 43 Beamte. Von den Treppen des Konzerthauses lächelten Geisel und Slowik vor 34 Fahrrad-Polizisten in die Kameras.

Die Staffel sei „inzwischen eine unverzichtbare Instanz auf den Straßen Berlins“, sagte Slowik damals. Die Hauptaufgabe der Einheit ist laut Behörde „die Überwachung des Straßenverkehrs mit ganz überwiegendem Bezug zum Verhalten von und gegenüber Radfahrenden“. Geisel und Slowik versprachen: Die Zahl der Fahrradpolizisten soll noch weiter steigen: Ab 2021 sollen es 50 und ab 2023 sogar 100 sein. Hinzu kämen radelnde Beamte in den Direktionen.

Beschwerden über Führungsschwäche des alten Chefs

Doch dann musste der Chef der Fahrradstaffel seinen Posten zum Jahreswechsel 2020/21 räumen. Es gab Beschwerden über Führungsschwäche und seine angeblich „autoritäre Persönlichkeit“. Mehrere Mitarbeiter hatten sich per Brief an Vorgesetzte gewandt, die restlichen 35 protestierten gegen die Versetzung – offen ausgetragener Streit.

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Stephan Katte, Chef der Direktion Einsatz/Verkehr, wurde in internen Schreiben mit den Worten zitiert: „Wenn ich die Fahrradstaffel jetzt atomisiere, dann ist das eben so. Dann finde ich schnell neue Mitarbeiter, die dort Dienst machen.“

Sogar die Konfliktkommission der Polizei wurde wegen der internen Reibereien eingeschaltet. Inzwischen gibt es eine neue Chefin, doch einige Mitarbeiter haben hingeworfen und sind in andere Bereiche gewechselt – nach Tagesspiegel-Informationen auf Druck oder freiwillig wegen der Querelen. Kürzlich ist ein neues Personalgewinnungsverfahren gestartet.

„Differenzen mit den Führungskräften“

Nachzulesen sind die Probleme auch im Intranet der Polizei. Dort verbreitete der Berufsverband „Unabhängige“ nun den Beitrag eines Mitarbeiters der Fahrradstaffel, die Überschrift lautete: „Unzufriedenheit auf hohem Niveau“.

Nachdem der Leiter der Einheit – „ein ungewöhnlicher Vorgang“ – gehen musste, bestünden „weiter Differenzen mit den Führungskräften“. Einige Mitarbeiter störten sich am fehlenden Verständnis für die Tätigkeit in einer Fahrradstaffel, fehlende Kommunikation und Gängelei.

Es handelt sich um ein Vorzeigeprojekt auch der Politik. Doch bei der Fahrradstaffel scheitert das offenbar an guter Führung.

Mirko Prinz, Vorsitzender des Berufsverbands „Unabhängige in der Polizei“

„Lob und Anerkennung für bei besonderen Einsatzumständen gezeigte Leistungen, werden nicht zuteil“, heißt es in dem Beitrag. Die neue Führung sei auf „Tauchstation“ gegangen. Hinz käme Chaos bei der Dienstplanung.

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Das alles hat Folgen für die Einheit: „Mittlerweile stehen nur noch knapp über 20 Einsatzkräfte für den Außendienst zur Verfügung, der Rest versieht seinen Dienst überwiegend im Innendienst. Der Aufwuchs der Fahrradstaffel im vergangenen Jahr ist förmlich verpufft“, heißt es in dem Beitrag des Beamten. Die neuen, zusätzlichen Streifenbereiche könnten nicht mehr ausreichend abgedeckt werden.

„Der Neustart ist nicht wirklich gelungen, darunter leidet die Attraktivität der Dienststelle“, sagt Mirko Prinz vom Verband „Unabhängige“. Solange die Probleme nicht gelöst seien, werde es schwierig, neues Personal für die Einheit zu gewinnen und Nachwuchs zu finden. „Die Lage ist mehr als bemerkenswert, schließlich handelt es sich um ein Vorzeigeprojekt auch der Politik. Doch bei der Fahrradstaffel scheitert das offenbar an guter Führung.“

Die Fahrradstaffel und die Probleme

Insgesamt sind nach Angaben der Polizei derzeit 32 Einsatzkräfte in der ursprünglichen Fahrradstaffel tätig. Ein Teil davon, nämlich die Führungskräfte, sind jedoch nicht an den Streifenfahrten beteiligt. Dass einige Beamte die Staffel wegen der Querelen verlassen haben, erwähnt die Polizei in ihrer Antwort auf Tagesspiegel-Anfrage nicht.

Sie verweist lediglich darauf, dass einige Beamte „aus verschiedenen Grünen die Gelegenheit genutzt haben“, zu den neu eingeführten örtlichen Fahrradstreifen in den Direktion 1 bis 4 zu wechseln, etwa wegen der Wohnortnähe.

Mit dem neuen Personalgewinnungsverfahren solle „das behördliche Ziel eines personellen Aufwuchses der Fahrradstaffel von insgesamt 50 Einsatzkräften für das Jahr 2021 realisiert werden“. Dafür sei „ein Bedarf von 18 Polizistinnen und Polizisten erkannt“ worden. Derzeit seien in den Direktionen 1 bis 4 im Norden, Osten, Süden und Westen insgesamt 56 Fahrradpolizisten tätig.

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