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Beim Breakfastmarket in der Markthalle Neun ist es ausnahmsweise nicht ganz so voll.
© Kai-Uwe Heinrich

Streetfood in Berlin: Iss das so! Ich meine: Muss das so?

Gegrilltes Schwein und britische Pies, Büffelmozarella und Fufu aus Nigeria: Die Idee, gutes Essen aus aller Welt auf sogenannten Streetfood-Märkten feilzubieten, ist super. Warum nur ist sie bei uns so schlecht umgesetzt?

50 Freunde nehmen heute an einer Veranstaltung in Deiner Nähe teil: Streetfood-Market in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg.“ Sagt Facebook. Ich kotze.

Bitte nicht falsch verstehen, ich mag meine Freunde. Aber wenn Facebook mir schon mitteilt, dass 50 von ihnen an einer Veranstaltung teilnehmen, kann ich mir ungefähr ausrechnen, wie voll es dort sein wird. Brechend voll. Besonders, wenn es sich bei der Veranstaltung um einen Streetfood-Markt handelt. Denn hipper geht es nicht. In der ganzen Stadt verbreitet sich seit ein paar Jahren dieser eigentlich wünschenswerte Trend aus San Francisco. Bezahlbare, neue und experimentelle Küche für alle.

Mit Hunger ist Streetfood die Hölle

Ich will das auch! Aber in diesen Menschenmengen lässt es sich so schlecht essen. Betritt man an einem Donnerstagabend die Markthalle Neun zum mittlerweile legendären Street Food Thursday, verschwinden die Grenzen zwischen Jäger und Gejagtem. Wie ein Rindvieh auf dem Weg zur Schlachtbank wird man durch die Gänge gepresst. Links: Gegrilltes Schwein. Rechts: Büffelmozzarella aus Italien. Handgerollt. Links: Britische Pies. Rechts: Nigerianisches Fufu. Und zwischendrin: Gutes aus der Uckermark mit viel Schischi. Leider kommt man einfach nicht zum Essen. Überall Menschen, bekannte wie unbekannte! Nach einer Stunde ist man einmal durch die Halle – ohne gegessen zu haben. Mit Hunger ist Streetfood die Hölle.

Geräucherter Fisch im Brötchen in der Markthalle Neun.
Geräucherter Fisch im Brötchen in der Markthalle Neun.
© Kai-Uwe Heinrich

Das liegt auch daran, dass die kleinen Portionen, hat man dann erst mal eine ergattert, nicht satt machen! Ich weiß: Beim Streetfood geht es darum, viele verschiedene Gerichte von vielen verschiedenen Köchen zu probieren. Nur fehlen dazu beim Kreuzberger Streetfood auch die vielen kleinen Preise. Zum Sattwerden brauche ich drei Gerichte und noch einen Nachtisch. Das kostet dann mindestens 20 Euro. Noch zwei Gläser Wein und es sind 30 Euro. Dafür kann ich auch relativ gut essen gehen. Jedenfalls ist es weit weg von „erschwinglich für alle“, wovon auf der Webseite des Marktes die Rede ist.

Es herrscht Wurstbuden-Flair

Nun gibt es natürlich auch in Berlin Alternativen zur Markthalle Neun. Liebhaber der Thaiküche treffen sich immer sonntags im Charlottenburger Preußenpark. Authentisch? Ja. Abwechslungsreich? Nein. Seit Januar 2015 gibt es Streetfood auch in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg. Wie immer hängt die „Kulte“ einem Trend zwei Jahre hinterher, die angebotenen Speisen haben auch eher das Kreativitätsniveau „Ausflug mit Kindern“. Und dann gibt es noch die Neue Heimat in Friedrichshain. Dort ist auch nichts besser. Nur die Öffnungszeiten sind länger, das Publikum deutlich betrunkener und jederzeit bereit für einen spontanen Rave.

Unser Autor Leander Huth.
Unser Autor Leander Huth.
© privat

Also lieber zurück nach Kreuzberg. Nachdem ich mich hier für ein Gericht entschieden habe, folgt das nächste Problem: die Platzwahl. Mit dem Schwein auf einem wackeligen Pappteller reihe ich mich wieder ins Gedränge ein. Leute rempeln mich an, Fett läuft über meine Hände, tropft auf Jacke und Schuhe. Ich suche vergeblich nach einem Sitzplatz. Mangelware. Meine Freunde finde ich auch nicht wieder. Vielleicht nicht so schlimm, bei dem Lärm könnten wir uns eh nicht unterhalten. Ich esse allein. Im Stehen. Wie an einer Currywurst-Bude. Die engen Gänge machen alles andere unmöglich.

Streetfood geht auch anders

Ich würde mich nicht so aufregen, wenn der Street Food Thursday ein neues Projekt wäre und die Veranstalter noch in der Austestphase. Aber nach zweieinhalb Jahren und an diesem Standort und anderen ähnlichen Veranstaltungen kann wohl nicht mehr von Austesten die Rede sein. Warum ändert sich aber nichts? Ist es Profitgier oder einfach Ignoranz? Oder ist das so eine typische Berliner Logik: dass nur gut ist, was überfüllt ist?

Streetfood geht nämlich auch anders. Erst kürzlich war ich in Lissabon in einer Markthalle. Großzügiges Sitzplatzangebot, breite Gänge, klare Strukturen, öfter wechselnde Spezialitäten, leckeres Essen. Kein Gedränge, kein Fett auf meinen Schuhen. Nur die Preise, die waren für portugiesische Verhältnisse auch sehr hoch. Vielleicht lässt sich das nicht ändern, vielleicht ist „Erschwinglich für alle“ auch einfach der falsche Slogan. Für Berlin aber gilt im Besonderen: Wenn’s eh teuer ist, soll es auch gut sein.

Dieser Text erschien zunächst als Rant in unserer Samstagsbeilage Mehr Berlin.

Leander Huth

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