Wohnungsnot in Berlin-Pankow: "Investoren kaufen Kleingärten, um Wohnungen zu errichten"
Berliner Kleingärtner fürchten um ihre Lauben. Die Vorsitzende des Pankower Verbandes schlägt vor, Kleingartenparks für die Allgemeinheit zu schaffen. Ein Interview.
Frau Kleinau, die Kleingärten stehen angesichts der Wohnungsnot unter Druck. Auch einige Ihrer Anlagen in Pankow geraten als Wohnbaupotenziale in den Blick. Werden Sie alle halten können?
Nein, ich gehe ganz stark davon aus, dass wir dauerhaft nicht alle halten können werden. 49 Prozent unserer Gartenflächen gehören dem Land, einige sind schon im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche ausgewiesen, der Senat prüft gerade in unseren Anlagen verstärkt Potenziale. Nicht von ungefähr sucht der Bezirk schon nach Kompensationsflächen, wobei ich mich frage, wo die sein sollen. Daher setzen wir uns für die Sicherung aller Anlagen bei der Fortschreibung des Kleingartenentwicklungsplans ein.
Was ist mit den anderen 51 Prozent?
Die gehören privaten Nutzern. Auch hier gibt es Druck. Es gibt Investoren, die kaufen private Kleingartenflächen auf, um Wohnungen zu errichten. Sie kaufen zu Grünflächenpreisen, verkaufen mit großem Gewinn. Zwar möchten sie Parzellen in neuem Zuschnitt integrieren, aber die vorherige Nutzung ist dann weg.
Welche Anlagen sind konkret bedroht?
Die Anlagen in Richtung Innenstadt geraten natürlich unter besonders großen Druck. Gerade für die schlage ich deshalb einen anderen Fokus vor.
Welchen?
Man sollte sie zu Kleingartenparks umgestalten. Dann hätten diese Kleingartenanlagen für die angrenzenden Wohnquartiere eine andere Qualität. Wenn eine Anlage nur nebenher besteht, dann haben die Anwohner kaum Bezug zu ihr, und dann interessiert es sie auch nicht, wenn sie weg ist. Kolonien müssen ihren Nutzwert für die Allgemeinheit, ihren öffentlichen Charakter und ihren Mehrwert für das Wohnquartier stärker herausstellen.
Wie genau sollen sie das tun?
Es könnten Gemeinschaftsflächen geschaffen werden, die auch die Anwohner nutzen können. Etwa indem man manche Parzellen nicht mehr verpachtet und zu Gemeinschaftsflächen deklariert. In Sachsen und Hamburg ist man da schon ein Stück weiter. In Pankow gibt es aus historischen Gründen auch viele verhältnismäßig große Parzellen – man muss darüber nachdenken, die zu verkleinern und so Raum für Bildungseinrichtungen und kulturelle Nutzung durch die Allgemeinheit zu schaffen. Der Bezirk könnte solche Vorhaben fördern – die Bezirksverbände und Kleingartenvereine allein haben kaum finanzielle und personelle Möglichkeiten zur Umsetzung solcher Projekte.
Manche Anlagen haben Parzellen zur gärtnerischen Nutzung für Kitas, Schulen und Senioreneinrichtungen geöffnet. Welche weiteren öffentlichen Nutzungsmöglichkeiten schweben Ihnen vor?
Wir haben bereits in über 50 Prozent unserer Anlagen Imker integriert. Aber da geht noch viel mehr. Zum Beispiel Mehrgenerationengärten, Lehrpfade, Spiel- oder Blumenwiesen mit Sitzbänken, Urban-Gardening-Projekte, Therapiegruppengärtnern für Behinderte, Seminare. Wichtige Themen sind die schonende Nutzung mit vorhandenen Ressourcen, Erhalt der Arten- und Sortenvielfalt, auch der Klimawandel steht im Fokus. Aber auch für Kiez- oder Straßenfeste sind Kolonien ein guter Ort. In Pankow planen wir einen Weihnachtsmarkt rund um die Kleingartenanlage Alte Baumschule in der Hermann-Hesse-Straße.
Wie kommen Ihre Vorschläge in den Vereinen an?
Es ist in der Tat nicht so leicht, neue Ideen in die Köpfe zu bekommen. Viele haben noch nicht realisiert, dass die Rahmenbedingungen andere sind als in den letzten 30 Jahren. Die Denkweise ist leider allzu oft: Solange es mich nicht betrifft, interessiert es mich auch nicht. Aber sie müssen jetzt aktiv werden, sonst ist es zu spät. Manche Anlagen schließen noch immer die Eingangstore ab. Wir profitieren jedoch nur vom geringen Pachtzins, weil wir einen Mehrwert für die Allgemeinheit darstellen.
Viola Kleinau, 47, ist Vorsitzende des Bezirksverbands der Kleingärtner Pankow. Es ist der der größte Berliner Verband der Laubenkolonisten.