Berliner CDU: Interne Streitereien: Wie die Ex-Senatspartei sich zerlegt
Ideenlosigkeit auf der Oppositionsbank: Statt gute Ideen für die Zukunft zu entwickeln, beschäftigt sich die Berliner CDU vor allem mit sich selbst. Ein Kommentar.
Wie Opposition geht und wie nicht, kann man derzeit in Berlin beobachten. Und was man da zu sehen bekommt, ist schon erstaunlich. Ausgerechnet die Partei, die fünf Jahre sozusagen im politischen Exil verbracht hat, 2011 mit einem Fußtritt aus dem Abgeordnetenhaus gekickt, bietet die interessanteste Performance: die FDP.
Die Liberalen haben sich mit „Tegel“ – dem Weiterbetrieb des Stadtflughafens auch über die Irgendwann-mal-Eröffnung von BER hinaus – wieder ins Stadtgespräch gebracht. Sie haben mit und für Tegel (und für ihren Wiedereinzug ins Landesparlament) mobilisiert. Sie werden als 6,7-Prozent-Partei aller Voraussicht nach dem Senat eine neue Debatte über die Luftverkehrspolitik aufzwingen. Eine Leistung.
FDP als Quer- und Neudenker der Berliner Politik
Genießer der Berliner Landespolitik konnten auch bemerken, dass die Liberalen die ersten waren, die einen Untersuchungsausschuss zum Attentat auf dem Breitscheidplatz gefordert haben. Und sie formulieren die schärfste Kritik an den Plänen der Verkehrssenatorin Regine Günther und ihres Staatssekretärs Jens-Holger Kirchner, die – schon wegen des druckvollen Fahrradvolksbegehrens – vor allem für den Radverkehr einiges bewegen müssen.
Man wird sehen, was noch kommt. Man sieht aber jetzt schon, dass sich die FDPler als Quer- und Neudenker in der Berliner Politik verstehen. Die AfD, das Wahlkampfschreckgespenst aller, die sich in der Stadt als links versteht, fällt durch Unauffälligkeit, Ideenlosigkeit, Formulierungsschwäche und Langeweile auf: Da fehlt der rechte Spirit, man kann sie vernachlässigen.
Um so wichtiger wäre es für die Berliner CDU, der gescheiterten Senatspartei, möglichst bald zu einem neuen Selbstverständnis zu kommen. Doch davon ist nichts zu merken. Die größte Oppositionspartei beschäftigt sich vor allem mit sich selbst. Und immer wenn sie das tut, kommen Machtspielchen und Intrigen dabei heraus. Derzeit sehen viele, die im Namen der CDU Ämter und Mandate übernommen haben, die Partei vor allem als Karrierebeförderungsmittel. Die Fraktion, von 38 Abgeordneten auf 31 geschrumpft, hat noch keine oppositionelle Linie gefunden.
Natürlich kann die CDU nicht alles schlecht reden, was sie zuvor mitverantwortet hat
Das mag – Beispiel Untersuchungsausschuss – daran liegen, dass manche fürchten, es ginge in so einem Ausschuss vor allem um mögliche Fehler und Versäumnisse ihres ehemaligen Innensenators Frank Henkel. Aber deshalb besser gar nicht fragen, gar nicht untersuchen? Und dem Senat auch noch die Initiative überlassen, der jetzt einen Sonderermittler einsetzen will? Da wäre ein Untersuchungsausschuss gewiss die transparentere Variante.
Und sonst? Man gibt gediegene Erklärungen heraus: „Römische Verträge sind Anker von Frieden, Freiheit und Demokratie in Europa“. Man fordert „individuelle Schadensanalysen“, um herauszufinden, welche Sportvereine welchen Schaden erlitten habe, als die Sporthallen genutzt wurden, um Flüchtlinge unterzubringen. Das ist die Art von politischem Handwerk, die schon auf dem Vorplatz des Abgeordnetenhauses kaum noch jemanden interessiert.
Sicher: Die Berliner CDU würde sich unglaubwürdig machen, wenn sie jetzt auf Distanz zu allem ginge, das sie in den Jahren 2011 bis 2016 mitgewollt und mitentschieden hat: Tegel, BER, die öffentliche Sicherheit vom Görlitzer Park bis zum Alexanderplatz. Und in der Berliner CDU wissen sie, dass Zeit vergehen muss, bis man mit neuen Vorschlägen glänzen kann; Zeit, in der die Leute die wenig eindrucksvolle Leistung des rot-schwarzen Senats vergessen. Es wäre jetzt also Zeit, um die Partei innerlich frisch zu machen und sie sozusagen der Berliner Bevölkerungsentwicklung anzupassen.
Zu sehen ist gerade nur: Selbstgefälligkeit
Doch was die Funktionäre der Partei in den vergangenen Wochen gemacht haben, weist in eine andere Richtung: Dekonstruktion in der Opposition. Die Disziplinlosigkeit, mit der wichtige Leute in der Partei die Henkel-Nachfolgerin Monika Grütters in halb öffentlichen Äußerungen kurz vor dem Parteitag für die Aufstellung der Bundestagsliste beschädigt haben, erinnert an die Zeit der Dauer-Opposition 2001 bis 2011. Die Außenwirkung des Machtkampfs in der Südwest-CDU war fatal und wird wohl Folgen bis in die heiße Wahlkampfphase haben.
Nichts ist zu spüren von einer Öffnung für die nicht wenigen bürgerlichen Neu-Berliner mit politischen Interesse. Wer etwas übrig haben könnte für die Berliner CDU, hat jetzt eine Partei erlebt, deren Funktionären es um sich selbst geht. Selbstgefälligkeit aber garantiert vor allem lange Phasen der Opposition.
Werner van Babber
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