Flüchtlinge in Berlin: Integration auf dem Fußballplatz
Sie umkurven Hütchen und schwitzen gemeinsam: Flüchtlingskinder haben in Köpenick auf dem Fußballplatz die Chance, Gleichaltrige kennenzulernen – auch dank Bernd-Dieter Neumann.
Bernd-Dieter Neumann kommt gerade von einem wichtigen Termin, in Anzug und Krawatte. In dieser Kleidung passt er eigentlich gar nicht zu diesem Sportplatz, er, den in Köpenick seit ewigen Zeiten alle nur Alpha nennen. Aber das hier ist sein Terrain, egal, in welcher Kleidung. Und immerhin liegt der Vereinsschal um den Hals des Ex-Fußballers, Ex-Schiedsrichters, Trainers und Vizepräsidenten des Köpenicker SC. Hinter Neumann ragt ein Metallzaun in die Höhe, noch weiter hinten sind die bunten Fassaden des Containerdorfs im Allende-2-Viertel in Köpenick zu erkennen.
Hier, auf diesem Platz an der Alfred-Randt-Straße, zwischen Wald, Plattenbauten und einem Heim für Flüchtlinge, tut er seinen Teil, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Denn Bernd-Dieter Neumann, Frührentner und ehemaliger Rettungssanitäter, ist auch der Integrationsbeauftragte des Köpenicker SC.
Die Kinder erleben eine Abwechslung vom Heimalltag
Völkerverständigung im ganz Kleinen, dank Sport, dank Fußball, das ist seine Aufgabe, und er hat schon einiges erreicht. Seit April kümmert er sich um Flüchtlinge aus dem Heim im Allende-1-Viertel. Er hat Jugendliche aus Serbien und Montenegro in seinem Verein integriert, sie trainieren und spielen mit anderen Fußballern des Köpenicker SC. Die ausländischen Kinder und Jugendlichen, zwischen zehn und zwölf Jahre alt, haben Abwechslung vom Heimalltag, die Spieler des Vereins lernen neue Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund kennen.
Und jetzt nach den Schulferien, soll das Gleiche hier beginnen, im Allende-2-Viertel. Kurz vor Silvester sind 30 Flüchtlinge eingezogen, bald werden es 400 sein, darunter viele aus Syrien. Auch ihnen wird Neumann Fußballtraining anbieten. Trainer des Köpenicker SC werden sich um sie kümmern. Fußball mit Flüchtlingen, Integration über Sport, das ist inzwischen sein Herzensprojekt. Es war nicht seine Idee, er war nur dabei, als Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) die Führung des Köpenicker SC im Frühjahr fragte, ob der größte Verein im Südosten etwas für die jungen Bewohner des Heims im Allende-1-Viertel tun könne.
Bei einer Versammlung wurden die Kinder und Jugendlichen gefragt, wer Interesse am Fußball habe. 13 Jungen meldeten sich, die Mädchen hielten sich noch zurück, später stießen einige zur Leichtathletik-Abteilung.
Das Konzept ist ziemlich einfach: Die Jugendlichen aus dem Heim sind Teil des Köpenicker Fußballalltags. Sie kurven um Hütchen, üben Technik wie die anderen, Gleiche unter Gleichen. Sozialarbeiter bringen die Jugendlichen zum Sportplatz an der Wendenschloßstraße oder in die Halle.
David und Toni aus Serbien beeindrucken mit ihrem Spiel
„Die Spieler kommen glänzend miteinander aus“, sagt Neumann. Er sitzt jetzt in einem Aufenthaltsraum im Containerdorf und hat ein Foto mit ein paar der Flüchtlingskinder dabei. „Hier“, sagt er und drückt den Zeigefinger auf die Gesichter von zwei Jungen, „das sind meine Stars, David und Toni.“ Zwei Serben, starke Fußballer, bei einem Turnier haben sie alle Beobachter schwer beeindruckt.
Das Problem seien ein paar der Erwachsenen, das sagt Neumann auch. Ihre Vorurteile, ihr Misstrauen. Als mal ein Mädchen im Training ziemlich übel behandelt wurde, hieß es sofort: „Das waren die Flüchtlinge.“ Neumann ging der Sache nach. „Alles Quatsch“, sagt er, „das waren ganz andere.“ Es seien nicht viele Eltern, die so reagierten, sagt Neumann, aber sie prägten halt auch ein Klima.
In der Alfred-Randt-Straße wird der Kampf um eine bessere Welt härter für ihn, das weiß er jetzt schon. Dass er auf den Sportplatz ging, hatte ja auch eine gewisse Symbolik. „Der Platz ist ein Politikum.“ Jahrelang war das Tor fest verschlossen, niemand durfte den Platz nutzen. Das Sportamt hatte irgendwann genug vom Vandalismus auf dem Areal.
Das Sportamt will feste Tore installieren
Doch Neumann hat den Schlüssel zum Tor erhalten, das Sportamt hat ihm auch zugesichert, dass es feste Tore installieren will. Alles fürs Projekt Sportintegration. Für Leute, die sich am Containerdorf stören, ist das eine Provokation. „Für die Flüchtlinge macht man den Platz wieder auf, die anderen dürfen nicht drauf, typisch“, schleuderte ihm einer am Telefon entgegen.
Quatsch, entgegnet Neumann. „Der Platz ist für alle offen. Ich möchte ja, dass auch Leute aus der Siedlung kommen und dass die dann mit den Flüchtlingen spielen. Nur so läuft ja Integration.“ Für die Halle gilt das Gleiche. „Wer Interesse hat, kann kommen, egal, wie alt er ist.“ Nur eine Regel gilt: Er selbst muss als Aufpasser dabei sein. Aber es hat ja sowieso kein anderer einen Schlüssel zum Platz.
Inzwischen gibt es genügend Unterstützer
Aber Neumann ist zuversichtlich, er hat auch genügend Unterstützer kennengelernt. Der 53-Jährige leitet auch die Sport AG der Bürgerinitiative Allende-2-Viertel. Kurz vor Weihnachten versammelten sich alle Helfer der Initiative, um die Arbeit aufzuteilen. Ein 22-Jähriger stieß zu Neumann, weil er in der Sport AG mitarbeiten möchte. „Sag’ mal“, sagte er zu Neumann, „kennst du mich nicht mehr?“ Neumann blickte ihn an. „Nein.“ Da musste der Jüngere lachen. „Du hast mich mal mit Rot vom Platz gestellt.“
Frank Bachner