Anwohner begrüßen Flüchtlinge in Berlin: Friedenslieder vorm Containerdorf
„Wir sind keine Gutmenschen“, sagen die Mitglieder der Bürgerinitiative „Allende 2 hilft“. Aber sie tun Gutes – und zwar nicht nur für die Flüchtlinge in Köpenick. Zudem setzen sie ein Zeichen gegen die politische Vereinnahmung ihres Kiezes.
Sie haben in den vergangenen Wochen Plätzchen gebacken. Haben Flyer verteilt, Gespräche geführt und sogar gesungen. Dreimal schon. Immer am Freitagabend – um ein Zeichen zu setzen gegen jene, die ihr Viertel für sich vereinnahmen wollen: Rechte, die generell gegen alle Fremden sind. Aber auch Linke, denen es anscheinend nicht immer vorrangig um die Flüchtlinge geht. Mehrfach war es in den vergangenen Wochen zu Demonstrationen gegen das geplante Containerdorf für Flüchtlinge im Allende-Viertel 2 in Köpenick gekommen – und damit auch zu einer Polarisierung der Bevölkerung. „Da hatten wir die Idee, in der Buswendeschleife im Müggelschlößchenweg zum Adventssingen für ein friedliches Miteinander im Kiez aufzurufen“, sagt Dirk Warbelow. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der Bürgerinitiative „Allende 2 hilft!", die entstand, nachdem der Senat entschieden hatte, hier das erste Berliner Containerdorf für Flüchtlinge aufzustellen.
Das hatte auch deshalb Unmut hervorgerufen, weil nur 500 Meter vom jetzigen Standort entfernt vor einem Jahr bereits schon eine Gemeinschaftsunterkunft für 300 Flüchtlinge eingerichtet wurde – in einem ehemaligen Seniorenheim.
Die Kriminalität ist nicht gestiegen
„Ich war wie viele Anwohner der Meinung, dass das Containerdorf mit noch einmal 400 Flüchtlingen die Menschen überfordert“, sagt Stefanie Fuchs. „Ich habe auch die Petition gegen den Standort hier unterschrieben, aber schnell gemerkt, dass an der Entscheidung des Landes nicht zu rütteln war.“ Weil sie wollten, dass die Bürger mit dieser Situation offensiv umgehen, haben Stefanie Fuchs, Dirk Warbelow und einige andere „Allende 2 hilft!“ gegründet. „Wir sind also durchaus keine Gutmenschen“, sagt Stefanie Fuchs – und spielt damit auf die Anfeindungen an, die ihr und ihren Mitstreitern ab und an begegnen. „Das geschieht aber eher im Internet und in den sozialen Netzwerken als bei persönlichen Gesprächen“, sagt Dirk Warbelow. Denn die Initiatoren haben inzwischen gute Argumente. So stimme es definitiv nicht, dass die Kriminalität durch die seit einem Jahr hier wohnenden Flüchtlinge gestiegen sei, sagt Warbelow: „Das bestätigen sowohl die Polizei als auch der Einzelhandel.“
Besser mit offenen Armen
Der 33-Jährige ist in Köpenick geboren, hat eine Tochter und einen Sohn in der Müggelschlößchen-Grundschule. Da hätten unlängst siebenjährige Knirpse verkündet, dass sie Neonazis seien. Das findet Warbelow beängstigend – gerade weil ihm klar ist, dass die Kinder nur nachplappern, was sie zu Hause oder auf der Straße hören. „Wir haben alle unsere Zweifel, ob der Standort hier geeignet ist“, sagt Warbelow. „Aber die Flüchtlinge können nichts dafür. Deshalb wollen wir sie mit offenen Armen aufnehmen und nicht mit in den Taschen geballten Fäusten.“ Denn eines hat sich bislang überall gezeigt: Dort, wo Anwohner sich um Flüchtlinge kümmern, gibt es meist nach kurzer Zeit ein gutes Miteinander.
Mehr als vier Dutzend Helfer
Und die Köpenicker wollen sich kümmern. Mehr als vier Dutzend Menschen kamen am Sonnabend, um konkrete Angebote zu koordinieren. „Es ist einfach super, dass die Initiative das geschafft hat“, sagt der Leiter des künftig vom Internationalen Bund betriebenen Containerdorfs, Peter Hermanns. Mehrere Arbeitsgruppen wurden gebildet – so für Kinderbetreuung, Deutschunterricht, Patenschaften, Behördengänge und natürlich für Sport. „Dabei legen wir wie auch die Vereine, die uns unterstützen, Wert darauf, dass die Angebote für Flüchtlinge und auch für andere Kinder und Erwachsene sind – so dass alle etwas davon haben.“ Abstimmungen gibt es etwa mit dem Köpenicker SC und dem Fußballzweitligisten 1. FC Union. „Von dem haben wir auch die Idee mit dem Adventssingen übernommen“, sagt Dirk Warbelow – Union lädt immer am 23.Dezember zum Weihnachtssingen in die Alte Försterei.
„Kommt zahlreich mit Kerzen oder Lichtern“, hatte „Allende 2 hilft!“ gemeinsam mit der bereits seit Einrichtung des ersten Flüchtlingsheims bestehenden Initiative „Welcome Refugees!" die Köpenicker aufgefordert. Tatsächlich kamen mehr als 80 Menschen. Und sangen vom Frieden.
Eine Babypuppe aus Sachsen
Am Sonnabend sollen nun die ersten Flüchtlinge in das Containerdorf einziehen. Die liebevoll verpackten Weihnachtsplätzchen liegen schon bereit. Noch gestern sortierten ehrenamtliche Helfer die vielen Sachspenden: Kleidung, Möbel, Spielzeug. Ein Mädchen aus Sachsen, das in Berlin zu Besuch war, hat eine Babypuppe und einen Brief dagelassen: „Ich möchte meine Lieblingspuppe einem Flüchtlingskind schenken. Vielleicht können Sie mir ja mal ein Foto schicken – von beiden.“