„Friedrichshain-Kreuzberg erinnert an Bananenrepublik“: Innenstaatssekretär wirft Baustadtrat Rechtsverstöße bei Rigaer 94 vor
Berlins Innenverwaltung ist fassungslos über den Umgang von Baustadtrat Schmidt (Grüne) mit der Brandschutzaffäre in der Rigaer 94. Der schlägt eine neue Finte.
Selten verliert Berlins Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) in der Öffentlichkeit die Fassung. Aber im Streit um den Brandschutz im teilbesetzten Haus in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain-Kreuzberg hat Akmann am Mittwoch im Verfassungsschutz-Ausschuss des Abgeordnetenhauses zu einer Wutrede angesetzt – gegen das von den Grünen geführte Bezirksamt und insbesondere Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne).
„Wir stehen dem Agieren des Bezirksamts und des Stadtrats fassungslos gegenüber“, sagte Akmann. „Ich hätte mir wirklich in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass eine Verwaltung in unserem Land sich so verhält.“ Schmidt halte sich nicht an Recht und Gesetz, torpediere die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Senat und wolle seine eigenen Regeln durchsetzen.
„Er spielt damit in die Hände der gewaltbereiten Linksextremisten“, sagte Akmann. „In elf Berliner Bezirken klappt die Bauaufsicht wirklich gut und hervorragend. In Friedrichshain-Kreuzberg hat mich das wirklich an eine Bananenrepublik erinnert.“
Grund für Akmanns harte Wortwahl ist Schmidts Verzögerungstaktik: Seit 2016 wusste er von klaren Hinweisen auf massive Brandschutzprobleme in dem Haus, jahrelang hinderte er seine Mitarbeiter daran, ein Verfahren einzuleiten. Am Ende war Schmidt wegen der klaren rechtlichen Regeln und auf Druck der Innenverwaltung zum Einschreiten gezwungen, seit Mitte Dezember läuft ein bauordnungsrechtliches Verfahren.
Trotz vier Gerichtsentscheidungen von Verwaltungsgericht, Landgericht und Kammergericht in den vergangenen Wochen, nach denen der Eigentümer und dessen Gutachter das Haus begehen und den Brandschutz prüfen müssen, hat Schmidt das bislang hinauszögern können.
„Er missbraucht die Instrumente des Rechtsstaates“
Damit hat er bislang auch einen größeren Polizeieinsatz verhindert, der wegen der angekündigten Gewalt der Linksextremisten nötig ist. Dabei hatte Schmidt die Begehung selbst angeordnet, nun will er Anordnungen, Urteile und Rechte des Eigentümers wieder aushebeln.
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Schmidt stelle „sich offen gegen Beschlüsse der Gerichte und denkt sich einen Winkelzug nach dem anderen aus, um zu verhindern, dass der Eigentümer der Rigaer 94 und ein unabhängiger Brandschutzgutachter das Gebäude betreten können“, sagte Akmann. „Er missbraucht letztendlich die Instrumente des Rechtsstaates dafür, um das Verfahren zu verzögern und weiter zu verschleppen.“
Tatsächlich will Schmidt im Brandschutzstreit nun in die nächste Runde gehen. Jetzt klagt er vor dem Verwaltungsgericht dagegen, dass es ihn vergangenen Woche dazu verpflichtet hatte, eine Brandschutzprüfung des gesamten Hauses durch den Eigentümer und dessen Gutachter zu ermöglichen. Gegen diesen vom Eigentümer erwirkten Beschluss gegen das Bezirksamt geht Schmidt nun mit einem Änderungsantrag vor.
Obwohl Schmidt genau wusste, dass das Verwaltungsgericht am Dienstag vor einer Woche entscheiden wollte und dass sich der Senat damit befasst, schickte der Baustadtrat eine Mitarbeiterin der Bauaufsicht in die Rigaer 94. Das Gericht stellte schließlich fest, dass es völlig unerheblich ist, was die Bauaufsicht des Bezirks feststellt. Vielmehr sei nur relevant, was der Gutachter des Eigentümers feststellt.
[Tür-Klau im Berliner Besetzerkiez?: Das Geheimnis um die Haustür in der Rigaer Straße 94 – hier weiterlesen auf Tagesspiegel Plus.]
Denn nach dem Gesetz ist zunächst der Eigentümer dafür zuständig, Mängel abzustellen. Erst wenn der Eigentümer dazu nicht in der Lage ist, kann der Staat selbst handeln. Auch der Senat verpflichtete Schmidt, eine Anordnung gegen die Bewohner zu erlassen, dass diese den Eigentümer dulden müssen.
Doch der für vergangenen Donnerstag geplante Polizeieinsatz musste verschoben werden. Einen Tag nach Gerichts- und Senatsbeschluss sagte Schmidt zu, diese Duldungsanordnung erlassen zu wollen. Es schien, als wollte Schmidt nachgeben.
Doch zwei Tage später, am vergangenen Freitag, ist Schmidt davon wieder abgerückt und geht gegen den Gerichtsbeschluss nun vor. Er legte dem Verwaltungsgericht das Protokoll der Begehung durch seine Mitarbeiterin vor, die nach Ansicht des Gerichts eigentlich keine Rolle spielt.
Es handelt sich um vier Seiten zur „Zustandsbesichtigung“. Dort aufgelistet werden fehlende und nicht funktionierende Brandschutztüren, „zum Teil lose Geländer“, frei liegende Kabel, fehlende Beleuchtung im Treppenhaus und in Kellergängen, eine fehlende Tür am Stromverteilerkasten, fehlende Treppenhausfenster, ein vermüllter Dachboden, zugenagelte Wohnungstüren und eine Tür im Heizungsraum „ohne Feuerwiderstand“.
Immerhin Rauchmelder sind installiert. Insgesamt sei eine Reihe von Mängeln festgestellt worden, die würden aber keine Nutzungsuntersagung rechtfertigen. Die meisten Mängel ließen sich schnell beheben, was bei einer Nachkontrolle durch Schmidts Mitarbeiter überprüft werden könne.
Die Brandschutzaffäre in der Rigaer 94
- Seit Februar 2016 wusste die Spitze des Bezirksamts von den Brandschutzproblemen.
- Innensenator Geisel prüfte seit März 2020, ob das Bezirksamt seiner Pflicht zur Gefahrenabwehr nachgekommen ist.
- Im Herbst 2020 widersprach die oberste Landes-Bauaufsicht den Hinhaltemanövern von Herrmann und Schmidt.
- Die ganze Story: Chronik eines Rechtsbruchs – so schützte Florian Schmidt die Autonomen in der Rigaer 94.
- Schmidt gibt nach und verpflichtet Eigentümer: Doch Geisel will den Bezirk losschicken.
- Bezirk sieht Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung – doch die Polizei will nichts tun.
- Justiz bringt die Wende – Gerichte erkennen den Eigentümer an.
- Baustadtrat Schmidt will Polizei-Großeinsatz in der Rigaer 94 verhindern.
- Innensenator Geisel gegen Baustadtrat Schmidt: Das ganze Haus oder nur ein paar Räume?
- Neue Finte von Schmidt – Polizeieinsatz in der Rigaer 94 verschoben.
„Diese Mängelprotokoll ist aus meiner Sicht ein Witz“, sagte Innenstaatssekretär Akmann. Es seien „läppische“ vier Seiten, die zu nichts taugen“. Mit Blick auf die bisherigen Mängellisten des Bezirks, der Polizei und des Hausmeisters könne er sich nicht vorstellen, dass der Bezirk „eine umfassende Brandschutzschau“ gemacht habe.
„Kein Standard wird aus funktionierenden Verwaltungen“
Das Protokoll entspreche nicht den üblichen Standards, „wie wir sie aus funktionierenden Verwaltungen kennen“, sagte Akmann. Jetzt wird die Innenverwaltung die Bauverwaltung als oberste Bauaufsicht dazu befragen.
Baustadtrat Schmidt versuche mit seiner erneuten Finte, den Prüfung durch den Eigentümer „nachträglich wieder überflüssig zu machen und – was ein Unding ist – den Beschluss des Senats zu hintergehen“, sagte Akmann. „Eine solche Kaltschnäuzigkeit ist einmalig.“
Rot-Rot-Grün ist für die Autonomen ein Feind
Wann der Eigentümer nun ins Haus darf und es zum Polizeieinsatz am Hotspot der linksextremistischen Szene kommt, ist unklar. Aktuell sei damit ab Ende März, vermutlich aber eher Mitte April zu rechnen, heißt es aus der Polizei. Die linksextremistische Szene droht weiter mit Gewalt und Chaos in der gesamten Stadt, sollte es zu weiteren Räumungen kommen.
Genannt werden auch Brandanschläge auf Autos und die Infrastruktur, etwa um die S-Bahn lahmzulegen. Ausdrücklich erwähnen die Linksautonomen auch den Flughafen BER in Schönefeld als Ziel. Auch zur Regierungskoalition haben die Autonomen eine klare Meinung, sie sehen „Rot-Rot-Grün als Feind“.