Razzia gegen organisierte Kriminalität: Innensenator Geisel will "Regeln durchsetzen"
Berlin macht Ernst gegen organisierte Kriminalität: Bei Reisebüros und Juwelieren in Mitte wurden hohe Geldsummen gesichert, in Neukölln Clan-Treffs geprüft.
Reisebüros und Juweliere in Mitte, Shisha-Bars in Neukölln: In Berlin sind die Behörden am Mittwoch gegen die organisierte Kriminalität vorgegangen. Bei zwei Großeinsätzen in Mitte und Neukölln waren Bezirksämter, Zoll, Steuerfahnder Gewerbeaufsicht und Polizei beteiligt.
Bereits am Mittag sind in Mitte und Neukölln zehn Reisebüros und Juweliere überprüft worden. "Auch zwei Tresore wurden bei den Kontrollen mit richterlichem Beschluss durchsucht", teilte die Polizei mit. In einem Reisebüro in der Sonnenallee in Neukölln seien mit Richterbeschluss „auffällige Geldbeträge“ in fünfstelliger Höhe beschlagnahmt worden. Es bestehe der Verdacht auf Geldwäsche und illegale Kreditgeschäfte, sagte ein Polizeisprecher.
„Unser Ziel ist es, herauszufinden, ob kriminelles Geld bewegt wird in Geschäften, die augenscheinlich zunächst unauffällig sind“, erklärte der Sprecher. Es gehe um die „Aufhellung krimineller Strukturen“. Es seien 17 Anzeigen erstatten worden - etwa wegen Verstößen gegen die Gewerbeordnung, die Preisangabenverordnung, das Pflichtversicherungsgesetz, Urkundenfälschung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und einer Trunkenheitsfahrt. Im Umfeld wurden 39 Fahrzeuge kontrolliert, zwei Autos seien wegen technischer Mängel sichergestellt worden. Einem 38-jährigen Autofahrer sei die Weiterfahrt untersagt worden, da er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war.
Viel wichtiger ist doch die personelle Ausstattung des Zoll und der Steuerfahnder. Mit der Polizei fängt man die kleinen Fische, mit Zolls und Steuerfahndung die großen Fische.
schreibt NutzerIn betroffener72378
Innensenator Geisel: Starker Staat ist wichtig
Am Abend rückten 340 Einsatzkräfte der Polizei in Neukölln an. Bei dem Großeinsatz bis kurz nach Mitternacht wurden rund um Sonnenallee, Karl-Marx-Straße und Hermannstraße mehrere Treffpunkte von kriminellen Mitgliedern deutsch-arabischer Großfamilien überprüft - sechs Shisha-Bars und drei Lokales wie etwa eine Sportbar. Auch protzige Autos wurden kontrolliert.
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) kam am späten Abend nach Neukölln und dankte den Einsatzkräften. Es handle sich um den bislang größten Einsatz der Berliner Polizei im Bereich der Clankriminalität. "Ich bewerte den heutige Einsatz als positiv. Aber wichtig ist nicht der heutige Erfolg, sondern dass man das über Jahre hinweg durchhält. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen", erklärte der Innensenator. Es sei seine politische Aufgabe, die Polizei personell und bei der Ausrüstung so auszustatten, dass sie das auch über Jahre durchhalten könne. Geisel sagte: "Ich will, dass wir Regeln durchsetzen in dieser Stadt, dass Regeln gelten." Dafür sei der Einsatz ein Mittwoch ein weiterer Schritt. "Ein starker Staat ist wichtig."
An der Aktion beteiligt waren erstmals auch Beamte der neuen Anti-Clan-Einheit „Zentrum für die Analyse und Koordination zur Bekämpfung krimineller Strukturen“ des Landeskriminalamtes (LKA). Ab Anfang April soll die neue Einheit „in den Echtbetrieb gehen“, wie ein Polizeisprecher sagte. Auch Beamte des Bundeskriminalamtes waren an dem Einsatz beteiligt. Sie waren mit Spezialtechnik angerückt, mit der die Echtheit von Dokumenten überprüft werden kann.
Mit der wiederholten Kontrolle von Lokalen, in denen Clan-Mitglieder verkehren, wollen die Behörden den Druck auf kriminelle Mitglieder deutsch-arabischer Großfamilien erhöhen. 2018 hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) das gemeinsame Vorgehen im Senat verabredet und einen Fünf-Punkte-Plan aufgestellt. Demnach sollen auch kleinste Vergehen strikt geahndet werden.
"Wichtiges Signal für diese Stadt"
Bei den Shisha-Bars geht es etwa auch um den Jugendschutz, die Gewerbeaufsicht prüft den Brandschutz und die Schanklizenzen, die Steuerfahndung untersucht, ob illegaler Tabak für die Wasserpfeifen benutzt wird - also ob Tabak steuerfrei gekauft und dann angeboten wird.
"Es sind viele kleine Bausteine, die zum großen Geld führen, wenn man es kriminell vorantreibt", sagte der Polizeisprecher zu den Einsätzen am Mittwoch. Mit dem Einsatz solle ein Zeichen zur noch engeren Zusammenarbeit verschiedener Behörden im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und bestehende kriminelle Strukturen gesetzt werden. "Eine Existenz krimineller Parallelgesellschaften und aller damit einhergehenden Missachtungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von einfachen Ordnungswidrigkeiten bis zu schweren Straftaten sind nicht hinnehmbar", erklärte die Polizei. "Die Verhinderung und Zerschlagung krimineller Strukturen ist eine dauerhafte Aufgabe aller beteiligten Behörden, für die deren noch engere Zusammenarbeit unabdingbar und klares Ziel ist."
Das Hauptzollamt Berlin leitete laut Polizei drei Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des unerlaubten Portionsverkaufs von Wasserpfeifentabak und ein Verfahren wegen Steuerhehlerei ein. In der Karl-Marx-Straße seie eine Shisha-Bar durch das Ordnungsamt wegen mehrerer gewerberechtlicher Verstöße geschlossen. Bei einem 29-jährigen Gast fanden die Beamten Drogen. Weil gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung ein Haftbefehl vorlag, wurde er festgenommen. Im Umfeld kontrollierte die Polizei 87 Fahrzeuge.
Auch Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) war bei dem Einsatz am Abend dabei. "Wir zeigen damit, dass wir eine Null-Toleranz-Strategie fahren - in jeder Hinsicht", sagte Hikel. "Wir schauen uns an, ob die Bestimmungen der Schank-Lizenzen eingehalten werden, ob jemand zur Fahndung ausgeschrieben ist, ob es Drogen- und Waffenfunde gibt. Bei diesen Schwerpunktkontrollen können wir alles ahnden - von den ganz kleinen bis zu den ganz großen Dingen".
Die Zusammenarbeit der Behörden lobt Hikel als sehr vorbildlich, alle würden an einem Strang ziehen. "Das ist auch ein ganz wichtiges Signal für diese Stadt", sagte der Bezirksbürgermeister. Er äußerte sich auch zum Vorwurf, dass die vermehrten Kontrollen in den vergangenen Monaten nur Show-Aktionen seien. "Ich finde es richtig, dass man ein bisschen Gas und Schub gibt. Letztlich geht es darum, wo hört der Rechtsstaat auf, setzen wir den Rechtsstaat um oder tolerieren wir, dass es rechtsfreie Räume gibt", sagte Hikel. "Wir wollen den Weg in die Illegalität steinig machen, dass es ungemütlich ist. Dass es sich nicht lohnt, sich hier zu Verbrechen zu verabreden."
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) meldete sich am Abend zu Wort. "Selbstverständlich kann man den polizeilichen Nutzen einer solchen Showveranstaltung in Frage stellen, aber gerade beim Kampf gegen arabische Clans ist es wichtig, als Rechtsstaat immer wieder Stärke zu zeigen, sie regelmäßig aus ihrer Wohlfühlatmosphäre herauszuholen und nachhaltig zu agieren", sagte GdP-Vorstand Thomas Spaniel. "Anders als anderen Vertretern der organisierten Kriminalität geht es ihnen um die öffentliche Zurschaustellung und da schadet es auf keinen Fall, ihnen auch öffentlich Grenzen aufzuzeigen."