Wohnungsmangel in Berlin: Initiative für Enteignung überreicht 77.000 Unterschriften
„Deutsche Wohnen & Co enteignen“ übergab dem Senat am Freitag Unterschriftenlisten. Doch der Mietendeckel entzieht dem Vorhaben die Grundlage.
An diesem Freitag übergaben Aktivisten des Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ die Liste mit den Unterschriften von Bürgern, die eine „Vergesellschaftung“ aller privaten Eigentümer von mindestens 3000 Wohnungen verlangen. Das „Quorum“ von mindestens 20.000 Unterschriften, Voraussetzung für eine Prüfung des Begehrens durch den Senat, war bereits vor Monaten erreicht. Nun ist klar, dass genau 77.001 Menschen unterschrieben haben. Von einer „beachtlichen Menge gesammelter Unterschriften“, schreiben die Initiatoren in einer Meldung.
„Wir setzen mit den vielen Tausend gesammelten Unterschriften ein Zeichen, dass die Wohnungspolitik so nicht weitergehen kann“, sagt Constanze Schwikart, eine Vertreterin der Initiative. Allerdings ist die Initiative längst nicht mehr die einzige Maßnahme zur Bekämpfung der Wohnungsnot und rückt nun sogar in den Hintergrund durch die Einführung des Mietendeckels, der in der Sitzung des Senats am 18. Juni in seinen Eckpunkten beschlossen werden soll.
Ob Deckel oder Enteignung - in Karlsruhe werden bereits die roten Roben frisch gebügelt...
schreibt NutzerIn purist
Die geplante Deckelung der Mieten aller Wohnungen in ganz Berlin einschließlich Senkung bestehender Mieten, die eine „Obergrenze“ überschreiten, könnte dem Mietenvolksentscheid die Grundlage entziehen.
Zwang zu Mieterhöhungen läuft ins Leere
Denn in der Begründung der Volksinitiative wird der drastische Eingriff in die Eigentumsverhältnisse an entscheidenden Stellen mit dem "Zwang" der Konzerne begründet, "die Mieten immer weiter hochzutreiben". Diese wirtschaftliche Logik des Marktes wird durch die geplante Einführung des Mietendeckels durchbrochen.
Denn die Deutsche Wohnen könnte mit dem Erlass des Gesetzes Anfang kommenden Jahres weder die Mieten regulär erhöhen noch Modernisierungen durchführen und die Kosten dafür auf die Mieter umlegen - beides verhindert der Deckel.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.
"Natürlich ist der Mietendeckel von der Intention her auch ein Versuch, Alternativen zum Enteignungsvolksbegehren aufzuzeigen", sagt etwa Volker Härtig, Vorsitzender des Fachausschusses Soziale Stadt der Berliner SPD. Und in der Konkurrenz der beiden Instrumente im Kampf gegen die Wohnungsnot sieht Härtig den Mietendeckel klar im Vorteil: "Der Deckel würde für alle Berliner Wohnungen gelten" - und nicht nur einen Teil des Berliner Wohnungsbestandes, den er auf ungefähr zwölf Prozent schätzt.
Die Frage ist: Bleibt der Deckel dauerhaft?
Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne) sagt: "Ein temporärer Mietendeckel ist eine super Ergänzung zum Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen, da dies ein langfristiges Projekt ist." Soll heißen: Der Deckel würde die Enteignung nur dann überflüssig machen wenn er dauerhaft wäre. Noch sei davon allerdings nicht auszugehen, da das Gesetz des Senats zunächst nur für fünf Jahre gelten soll. Andererseits ist eine Verlängerung nicht ausgeschlossen, ähnlich wie im Fall der Mietpreisbremse, die der Bund kürzlich um weitere fünf Jahre verlängert hatte.
Am Vormittag twitterte Schmidt: "Glückwunsch @dwenteignen Großartig! Vergesellschaftung, Ankauf, Vorkauf sind langfristige Strategien zum Umbau der Stadt, in der Wohnraum eine soziale Infrastruktur ist - kein Finanzprodukt."
Der Sprecher der Volksinitiative Rouzbeh Taheri sagte auf Anfrage: "Der Mietendeckel ist eine temporäre Maßnahme, deshalb machen wir weiter." Es gehe bei der Vergesellschaftung nicht darum zeitweilig den Mietenanstieg aufzuhalten, sondern um eine "grundlegende Änderung der Eigentumsverhältnisse" am Markt.
Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen-Fraktion, gratulierte und sagte: „Die große Unterstützung ist ein klarer Auftrag an Rot-Rot-Grün. Jetzt es kommt vor allem auf die konkrete Ausgestaltung eines Gesetzes an.“ Die CDU-Fraktion Berlin lud Vermieter, Verbände und Bauindustrie zum Runden Tisch für stabile Mieten und Neubau ein. „Enteignung schafft keinen neuen Wohnraum“, sagte der bau- und wohnungspolitische Sprecher Christian Gräff.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Ausgabe dieses Beitrags war das Zitat von Baustadtrat Schmidt missverständlich wiedergegeben. Wir bitten um Nachsicht.