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Berlinale-Kolumne: Influencer trifft Influenza

Der "Grinsende Bär" geht dieses Jahr an das "Kulinarische Kino". Dabei wird klar: Dem Wettbewerb fehlt Salz.

Nächstes Jahr sollten sie eine neue Reihe einführen: „Lustige Filme“. Wär ja gelacht, wenn man auf der Berlinale nichts zu lachen hätte. Der „Grinsende Bär“ geht dieses Jahr an das „Kulinarische Kino“. Kein Scherz: Hier wird ein Film über indonesische Vogelgrippe-Fälle gezeigt; zum Nachtisch serviert ein Starkoch asiatische Gerichte. Das gibt’s nur bei der Berlinale: Influencer trifft Influenza.

Ich hab mir beim Streetfood-Markt am Potsdamer Platz einen Cheeseburger geholt. An den bunt bemalten Trucks kann man sich so gut fühlen wie beim Einkauf im Bioladen oder beim Genuss eines ungenießbaren Craft-Beers: Hier ist alles nach- statt fetthaltig; deshalb wird man laaaaaaaangsaaaaaam bedient. Der Burger kostet nur 6,5 Mal so viel wie einer von den Filial-Überbratern. Er schmeckt auch fast 3,5 Mal so gut. Der Rest ist so eine Art bedingungsloses Burgergeld.

Zum ersten Mal Westgeld

„Ick weeß jar nich, ob heute überhaupt eener ne Wurscht kooft.“ Waltraut Ziervogel steht in ihrer Bude unterm Bahnviadukt und packt zum ersten Mal Westgeld zum Wechseln in die Kasse. Es ist der 1. Juli 1990; der Osten hat gerade sein Blechgeld abgeschafft und merkt, dass harte Münzen das Leben nicht gerade weicher machen – bis sich ein junger Mann doch erweicht für ’ne West-Curry bei Ost-Konnopke. Zu sehen ist diese wunderbare Szene im Dokumentarfilm „Berlin, Prenzlauer Berg“, der normale, also verrückte Berliner auf der Schönhauser Allee nach dem Mauerfall zeigt. „Eigentlich war das Budget für ’ne Doku über einen Stasi-General vorgesehen“, erzählt der Regisseur im Zeughauskino. Doch mitten in der Revolution wollte den Stasi-General keiner mehr sehen – vorher auch nicht, denke ich mal.

Eine Kiwi zum Üben

Zur Währungsunion war ich 15. Dass die DDR-Aluchips Klimperkram waren, merkte ich schon als Kind. Mein Onkel, ein Bauer im Erzgebirge, brachte die Eier seiner Hühner zum Konsum und bekam dafür 32 Pfennige. Im Laden kaufte er sie zurück, für 25 Pfennige. Von meiner ersten D-Mark holte ich mir eine Kiwi. Meine Mutter fragte den türkischen Gemüsehändler im Wedding: „Wie muss man die denn kochen?“ Da schenkte er uns eine zweite zum Schälenüben. Und mir ein lautes Lachen, so gar nicht schal. Vom diesjährigen Wettbewerb der Berlinale kann man das nicht behaupten. Einmal nachsalzen, bitte!

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Robert Ide, Berlin-Chef beim Tagesspiegel und großer Kino-Fan, schreibt für den Tagesspiegel jeden Tag seine neue Berlinale-Kolumne - auch auf der Titelseite. Titel: "Im Film mit Robert Ide". Er löst damit Harald Martenstein ab, der seit 1990 die Berlinale als Kolumnist begleitet hat. Hier lesen Sie Martensteins Bilanz im Tagesspiegel.

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Lesen Sie hier weitere Kolumnen aus unserer Berlinale-Reihe "Im Film mit Robert Ide"

- Almut Fischer ist das Gesicht der Berlinale, auf jedem Plakat zu sehen – als Bär. Ein echter Berlin-Film ist auch ihr Leben.

- Schwarz-weiß-grau sind die Berlinale-Beutel diesmal, wie ein alter Film. Immerhin Wein kann man darin gut transportieren. Den braucht man auch.

Der Ticketverkauf ist eröffnet – genauso wie das Drama um die begehrten Karten. Gut, wenn man den richtigen Kartenschalter kennt.

- Polyamorie, Sex und Höhepunkte: Der Frühling liegt in der Luft und auf der Berlinale geht es vogelwild zu.

- Hütchenspieler tummeln sich am Potsdamer Platz, um Filmliebhaber auszutricksen. Dafür legen sie extra kleine rote Teppiche aus.

- Ein chinesischer Beitrag wird wegen "technischer Probleme" aus dem Wettbewerb genommen. Kritische Filme werden in China offenbar nicht rechtzeitig fertig.

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Robert Ide

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