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Hotspots und befriedete Kieze. Wo steigt die Jugendkriminalität, wo sinkt sie? Schauen Sie auf der interaktiven Karte (unten) nach, wie sich in Ihrem Kiez die Zahlen verändert haben-
© Visualisierung: Tagesspiegel Data/ Philipp Bock

Interaktive Karte zu Jugendgewalt in Berlin: In welchen Kiezen gibt es die meisten Gewalttaten durch Jugendliche?

Überall sinkt die Jugendgewalt – nur nicht in Großsiedlungen wie Marzahn-Hellersdorf. Schon Achtjährige sind auffällig. Ein Überblick – und eine interaktive Karte.

Berlin ist eindeutig nicht auf dem Weg zu einer Metropole der Jugendgewalt: Die Gewalt geht zurück. Allerdings gibt es eine klare Tendenz zu einer Gewaltverschiebung in die Großsiedlungen. Dies sind die beiden zentralen Befunde des zweiten großen Monitoringberichts, der polizeiliche und schulische Daten zur Jugendgewaltdelinquenz zusammengeführt hat. Am Montag wurde er durch den Staatssekretär für Inneres, Andreas Statzkowski (CDU), vorgestellt.

Demnach kann „insbesondere der Bezirk Marzahn-Hellersdorf stellvertretend für eine besondere Verdichtung neuer Exklusions- und Gewaltrisiken stehen“, heißt es in dem Bericht. Die Berliner Gewaltprävention sei aufgefordert, dem Abdriften solcher Regionen aus einer prekären Randlage in das „Aus der Vorstädte“ vorzubeugen. Noch sei man zwar weit entfernt von der Gemengelage in den abgehängten französischen Vorstädten, den Banlieues; aber die Gefahr solle man sich vergegenwärtigen, riet Forschungsleiter Albrecht Lüter von der Arbeitsstelle Jugendprävention.

Der KuDamm führt die Liste an

Noch stärker belastet als die Großsiedlungen ist nur die Gegend um den Kurfürstendamm, der als Einkaufs- und Ausgehmeile viel stärker frequentiert ist als jede andere Region: Auf 100000 Einwohner gab hier 2013 immerhin 1350 Gewaltdelikte mit Tatverdächtigen zwischen acht und 21 Jahren. Als nächstes kommt mit 600 Delikten Marzahn Nord, knapp gefolgt von Hellersdorf Nord, Spandau Mitte und dem Märkischen Viertel. Diese fünf Regionen gelten als „sehr hoch belastet“. In leichtem Abstand folgen Marzahn Mitte, die südliche Luisenstadt in Kreuzberg und das Regierungsviertel, wo wiederum das Touristen- und Partypublikum eine große Rolle spielt.

Interaktive Karte: Suchen Sie hier nach Ihrer Postleitzahl oder klicken Sie sich durch die Karte!

Je dunkler das Rot, desto höher die jugendlichen Gewaltdelikte der jeweiligen Kieze pro 100.000 Einwohner.

Ein Neuköllner Kiez folgt erst an 15. Stelle

Als erste Neuköllner Region findet man erst an 15. Stelle die Köllnische Heide. Davor rangieren noch mehrere Regionen wie Tiergarten Süd und Wedding Zentrum, die Osloer Straße sowie Hellersdorf Ost. Angesichts des geringen Anteils von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Marzahn, Hellersdorf oder Hohenschönhausen trifft hier nicht mehr der sonst landläufige erwartete Befund zu, dass Gewalt vor allem dort herrscht, wo ein schwieriger Sozialstatus mit einem hohen Anteil an Migration zusammenfällt. Charakteristisch für diese Brennpunkte von Jugendgewalt sei vielmehr „die Überlagerung eines schwierigen Sozialstatus mit einer von Großsiedlungen und Hochhausquartieren geprägten städtebaulichen Struktur“, heißt es in dem Bericht. Die Probleme, die sich aus dem Migrantenstatus ergeben, sind für die Gewaltzahlen viel weniger bedeutsam als die erhöhte Arbeitslosigkeit und der Bezug von Transfereinkommen.

In Marzahn-Hellersdorf sind die jüngeren Kinder gewaltbereiter

Im Bezirksvergleich rangiert Marzahn-Hellersdorf bei der Jugendgewalt an zweiter Stelle nach Mitte. Anders als in Mitte und allen anderen Bezirken ist die Gewalt unter Kindern und Jugendlichen in Marzahn-Hellersdorf aber nicht rückläufig, sondern stagniert auf hohem Niveau. Das liegt vor allem daran, dass die Gruppe der 8- bis 14-Jährigen und die Gruppe der 14- bis 18-Jährigen wesentlich gewaltbereiter ist als in den anderen Bezirken – sogar als in dem Ausgeh-Hotspot Mitte. Dies entspricht auch dem schulischen Bild: Die in Schulen gemeldeten Vorfälle übertreffen „die der geringst belasteten Bezirke um das Sechsfache und selbst die der höchst belasteten innerstädtischen Regionen – Neukölln und Mitte – um mehr als das Doppelte“, heißt es in dem Bericht.

Arbeitslosigkeit und Jugendgewalt hängen zusammen

Abgesehen von diesen Tendenzen sind die Berliner Jugendlichen insgesamt „weitaus friedlicher, als gelegentlich unterstellt werden mag“, heißt es in dem Bericht. Seit 2007 zeichnet sich ein weiterhin andauernder rückläufiger Trend ab. Dies betrifft etwa schwere sowie gefährliche Körperverletzungen, und auch Bedrohungen gingen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurück. Betrachtet man die Verteilung der Gewaltvorkommnisse nach Geschlechtern, liegen die Jungen und Männer bei Raubtaten und „Straftaten gegen das Leben“ bei über 90 Prozent, bei Körperverletzungen und Bedrohungen bei knapp unter 80 Prozent. Insgesamt nahm die Zahl der Delikte im Vergleich zum Vorjahr um 7,5 Prozent ab.

Welche Berliner Bezirke haben die meisten Gewalttaten durch Kinder und Jugendliche?
Welche Berliner Bezirke haben die meisten Gewalttaten durch Kinder und Jugendliche?
© TSP/ Schmid

Diese Tendenz ist bereits seit 2008 deutlich und lässt sich auch bei den Jugendgangs beobachten. Unklarheiten bleiben aber. Dazu gehört, dass die Schulen ein sehr unterschiedliches Meldeverhalten haben. Zudem beruht die "Rangliste" der Regionen auf der "Häufigkeitszahl" der Rohheitsdelikte. Diese Häufigkeitszahl wiederum wird jeweils auf 100.000 Einwohner berechnet. Falls nun in einer Region mehr oder weniger Kinder leben als im Berliner Schnitt, müsste dies eigentlich zu Unschärfen führen. Diese Möglichkeit ließ sich am Montag nicht ausräumen.

Sie können den weitere Berichte der Landeskommission hier herunterladen.

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