Auslastung der Kliniken: In Berlin mangelt es an Krankenhausbetten
Die Berliner Kliniken sind ausgelastet. Senator Mario Czaja will 1500 neue Betten. Wo, steht noch nicht fest. Und müssten nicht die Praxen mehr Patienten versorgen?
Mario Czaja hatte sich gut vorbereitet. Als der CDU-Gesundheitssenator am Dienstag den Krankenhausplan für 2016 bis 2020 vorstellte, hätte eigentlich kein anderes Gesundheitsthema von größerem Interesse sein können – bis in einem Arbeitsamt an der Storkower Straße ein Ebola-Alarm ausgelöst wurde. Czaja saß da schon in der DRK-Klinik in Westend und sprach über Grundsätzliches: Berlin wird älter – also braucht die Stadt mehr Geriatrie-Stationen. Die Rettungsstellen sind überlaufen – also müssen die Ärzte intensiver ausgebildet werden.
Ärzte sollen schneller entscheiden: dringender Fall - oder nicht?
Die angekündigte Zusatzausbildung zum Notfall- und Akutmediziner komme, sagte Czaja, so schnell es die Vorschriften zuließen. Ärzte sollen dringende Fälle besser von weniger dringenden unterscheiden. Das ist nötig. Kaum irgendwo kommen so viele Menschen in die Rettungsstellen wie in Berlin – und viele sind gar keine Notfälle, sondern Patienten, die nicht auf einen Termin beim niedergelassen Arzt warten wollen. Noch 2008 kamen im Jahr 960 000 Patienten in Berliner Rettungsstellen an, 2012 waren es schon fast 1,2 Millionen Fälle.
Kliniken bekommen wenig Geld
Neben Czaja saß Daniel Schachinger, DRK-Notaufnahmeleiter. Er sprach indirekt an, was auch Czaja ein Anliegen ist: Die Kliniken können auf Dauer nicht jeden Patienten, der bei ihnen ankommt, versorgen. Dazu reichen weder die Mittel des Senats, der für Gebäude und Technik zuständig ist, noch die Krankenkassengelder für Pflegekräfte und Ärzte. Kliniken sind für schwere, stationäre Fälle zuständig. Patienten, deren Leiden sich ambulant behandeln lassen, sollen vorrangig in Praxen versorgt werden. Krankenhäuser bekommen für einen ambulanten Fall zunächst auch nur 35 Euro von den Kassen. Chefarzt Schachinger: „Kostendeckend wären 130 Euro.“
Streit mit den niedergelassenen Ärzten
Zwischen Klinikmedizinern und niedergelassenen Ärzten gibt es deshalb Streit: Die Kliniken drängen die Praxisärzte zu mehr Bereitschaftsdiensten. Für die Praxen ist die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zuständig.
Die KV verteilt Versicherungsgelder an die niedergelassenen Ärzte – und soll die Praxisversorgung in den Kiezen sicherstellen. Formal tue sie das, sagte Czaja, doch er wünsche sich mehr – etwa Notfallpraxen neben Kliniken, wie es sie in anderen Städten gibt. „Die KV bewegt sich“, sagte Czaja. „Über die Geschwindigkeit kann man aber streiten.“
Software zeigt Belegung der Notaufnahmen an
Um Geschwindigkeit ging es auch Stefan Poloczek, Ärztlicher Leiter der Feuerwehr. Er begrüßte die von Czaja angekündigte Bettenregisterautomatik, durch die schon im Rettungswagen zu sehen sein wird, welche Stationen belegt sind. Etwa 20500 Betten stehen in den 50 Berliner Plankrankenhäusern. Das sind jene Kliniken, die für die Versorgung als notwendig erachtet werden und Anspruch auf Instandhaltung durch das Land haben. Ihnen teilt der Senat eine Bettenzahl zu.
Gerangel darum, wer Betten aufbauen darf
Czaja hat knapp 1500 neue Betten in Aussicht gestellt, wegen des des steigenden Durchschnittsalters sollen vor allem mehr Betten für Geriatriepatienten aufgebaut werden.
Bald dürfte das Gerangel darum losgehen, wer sie bekommt – alle Kliniken brauchen die Kassengelder der Patienten. Die Charité will ihre 3000 Betten behalten, sollte einst aber 300 streichen.
In den landeseigenen Vivantes-Kliniken, die viele aufwendige Psychiatrien betreiben, sind 90 Prozent der Betten ausgelastet. Das ist viel. Angesichts dessen und der demografischen Entwicklung, sagte eine Vivantes-Sprecherin, benötige man 750 Betten mehr.
Opposition: Wer bestellt, muss auch bezahlen
Ein Beschluss des Senats wird 2015 erwartet. Zuvor dürfte im Abgeordnetenhaus debattiert werden: Die Grünen teilten mit, die Vorhaben seien mit den bislang eingeplanten Mitteln nicht umsetzbar. Linken-Gesundheitsexperte Wolfgang Albers sagte, wer mehr von den Kliniken fordere, müsse mehr Geld bereitstellen: Alles andere sei „politische Zechprellerei, bestellen und nicht bezahlen.“
Hannes Heine