Nach Ebola-Verdachtsfall in Berlin: Gesundheitsamt richtet Infotelefon ein
Nach dem Ebola-Verdachtsfall in Berlin hat das Gesundheitsamt Pankow jetzt ein Infotelefon eingerichtet. Bis Mittwochnachmittag werden dort Fragen beantwortet. Der Ebola-Verdacht bei einer 30-Jährigen hat sich nicht bestätigt.
Das Gesundheitsamt Pankow hat noch bis Mittwochnachmittag, 15 Uhr, ein Informationstelefon geschaltet. Unter der Berliner Telefonnummer 9029 5 2869 können sich die Besucher des Jobcenters Pankow melden, die gestern von den Absperrungen betroffen waren. Dort war am Vormittag eine Kundin mit hohem Fieber zusammengebrochen und in die Charité eingeliefert worden. Eine Ebola-Infektion der Frau konnte zunächst nicht ausgeschlossen werden.
Wie die Charité - Universitätsmedizin Berlin am Dienstagabend mitteilte, hat sich der Verdacht einer Ebola-Infektion nicht bestätigt. Dies ergaben verschiedene Blutuntersuchungen. Bei der 30-jährigen wurde eine Malaria nachgewiesen. "Der Patientin geht es den Umständen entsprechend gut", erklärte der Mediziner Norbert Suttorp, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité. Der Zustand der Frau soll sich nach Angaben der Gesundheitsverwaltung deutlich verbessert haben.
Eine erste Blutuntersuchung in der Klinik hatte bereits Entwarnung gegeben. Dies erfuhr der Tagesspiegel am späten Dienstagabend auf Anfrage von der Berliner Gesundheitsverwaltung. "Der Bluttest bringt eine hohe Gewissheit mit sich", sagte die Sprecherin der Senatsverwaltung, Regina Kneiding. Vorsichtshalber wurde das Blut nochmals am Robert-Koch-Institut getestet.
Der Fall hatte die Stadt den ganzen Dienstag in Atem gehalten. Die Feuerwehr wurde um 10:46 Uhr wegen einer Kreislaufschwäche bei einer Kundin des Jobcenters an der Storkower Straße in Prenzlauer Berg alarmiert. Nach Eintreffen des Rettungswagens äußerte der Notarzt den Verdacht, dass es sich um ebolaähnliche Symptome handele. Daraufhin wurde auch die Polizei verständigt, die das Gelände vorsorglich absperrte. Nach Angaben von Polizeisprecher Thomas Neuendorf befanden sich rund sechshundert Personen innerhalb des abgesperrten Bereichs und durften diesen zunächst nicht verlassen, Mitarbeiter ebenso wie Kunden des Jobcenters. Die Stimmung unter ihnen blieb von außen betrachtet ruhig, nur vereinzelt gab es Unmut.
Die Polizei nahm die Personalien der so Eingeschlossenen auf. Gegen 14:15 Uhr wurde die Abriegelung aufgehoben: Die Mitarbeiter kehrten an ihre Arbeitsplätze zurück, den Kunden stand es frei zu gehen. Zwei Personen, die direkten Kontakt mit der Patientin hatten, sollten in der Charité genauer untersucht werden. Am Nachmittag durfte außer den Einsatzkräften niemand das Gebäude betreten.
Die Feuerwehrleute tragen Spezialanzüge
Die Kundin, deren Symptome den Alarm auslösten, wurde vom ärztlichen Leiter der Berliner Feuerwehr untersucht und 13:30 Uhr mit einem Krankenwagen in die Infektiologie des Virchow-Klinikums der Charité eingeliefert. Die eingesetzten Feuerwehrleute schützten sich mit Spezialanzügen. Einen besonderer Rettungswagen war nicht vor Ort, das eingesetzte Fahrzeug hätte gegebenenfalls nach dem Einsatz dekontaminiert werden müssen. Vor Ort befanden sich mehr als hundert Polizisten, die mit Mundschutz ausgestattet waren. Der Verkehr auf der Storkower Straße war nicht beeinträchtigt. Auf dem Bürgersteig vor dem Jobcenter war zu beobachten, wie sich vorbeikommende Passanten Kleidungsstücke vor den Mund halten.
Bei der Feuerwehr konnte man den Verdacht, es könne sich um Ebola handeln, zunächst nicht bestätigen. In einer improvisierten Pressekonferenz vor dem Jobcenter sagte der Feuerwehrsprecher Rolf Erbe: "Die Symptome sind gegeben." Die Frau habe Kreislaufprobleme gehabt und sei umgekippt. Die 30-jährige Frau habe mit hohem Fieber ein typisches Anzeichen der Infektionskrankheit gezeigt und sei in Nigeria gewesen, sagte ein Feuerwehrsprecher.
Allerdings sei sie nicht in einem Ebolagebiet gewesen, sagte Regina Kneiding, Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. "Die Experten in der Charité rechnen deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit damit, dass es sich nicht um Ebola handelt." Sie gingen vielmehr davon aus, dass es sich um eine infektiöse Magen-Darm-Krankheit handelt. Trotzdem sollte eine Blutprobe an das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg geschickt werden. Tatsächlich wurde der Ebola-Test im Robert-Koch-Institut in Berlin gemacht, stellte sich am Mittwoch heraus.
Die Berliner Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sagte, sie verfolge die Auswertung des Verdachtsfalles. Angesichts der aktuellen Debatte um die Klinikfinanzierung zeigte sich Scheeres, die auch Charité-Aufsichtsratschefin ist, mit der Infrastruktur in Berlin zufrieden: Die Universitätsklinik halte wie wenige andere Krankenhäuser in Europa auch Betten für solche Infektionen vor. Das koste Geld, zahle sich aber durch die gute Medizinerausbildung sowie die Spitzenforschung wieder aus.
Auch Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) sieht die Hauptstadt gut vorbereitet: "Berlin ist gut gerüstet und seit langem auf diese und ähnliche Fälle vorbereitet. Der heutige Tag hat dies bestätigt, die Abläufe gestalten sich so, wie es im Infektionsschutzgesetz vorgesehen ist. Das heißt, dass die Gesundheitsämter umgehend ihre Aufgaben wahrgenommen haben."
Seit Dezember wütet in West-Afrika eine Ebola-Epidemie. Bisher sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO 2473 Menschen in Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria erkrankt, 1350 Menschen sind an dem Virus gestorben. Ebola-Verdachtsfälle haben sich bisher in keinem anderen Land der Welt bestätigt. Das Virus kann in Ländern mit funktionierendem Gesundheitssystem außerdem gut eingedämmt werden. Es wird nur über Körperflüssigkeiten und nicht wie die Grippe oder Masern über die Luft übertragen. Während der Inkubationszeit kann man keinen anderen Menschen anstecken.
An der Charité können bis zu 20 Ebola-Patienten behandelt werden
Dass Reisende die Krankheit nach Europa einschleppen, sei sehr unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. So lautet das Fazit einer Risikoanalyse der europäischen Seuchenbehörde ECDC. Besteht hierzulande Verdacht auf Ebola, wird derjenige sofort isoliert.
Im Ernstfall werden alle Kontaktpersonen ermittelt und ebenfalls untersucht. „Meist ist es Fehlalarm. Oft kann eine Malaria nachgewiesen werden“, sagt Norbert Suttorp, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie an der Charité. 1999 zum Beispiel kam ein deutscher Kameramann mit Fieber, Erbrechen und Durchfall zurück von der Elfenbeinküste. Nach und nach schlossen die Ärzte auf der Isolierstation andere Infektionen aus. Bis auf Ebola. Eine Probe, die im Hochsicherheitslabor am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg analysiert wurde, schien das zu bestätigen. Das Ergebnis war falsch-positiv. Der Mann starb schließlich an Gelbfieber – obwohl er angeblich geimpft war. Später stellte sich heraus, dass er die Impfungen gegen Gelbsucht und Gelbfieber verwechselt hatte. Mitte August hatte es außerdem einen Ebola-Verdachtsfall in Hamburg gegeben. Ein Mann aus Sierra Leone war über Paris in die Hansestadt gekommen und wurde auf die Isolierstation des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf gebracht. Der Verdacht hat sich ebenfalls nicht bestätigt.
In Berlin wird ein auffälliger Patient zunächst an Ort und Stelle separiert. In 15 Minuten können die Notärzte klären, ob es nicht doch Malaria ist. Bleibt die vorläufige Diagnose Ebola, Marburg-Virus, Lungenpest oder eine ähnlich gefährliche Infektion bestehen, ruft das Gesundheitsamt Seuchenalarm aus.
Innerhalb einer Stunde wird dann die Station 59 am Virchowklinikum komplett geräumt. Seit 2010 ist es die größte Sonderisolierstation Deutschlands. Ein Spezialtransporter holt den Kranken ab. Er wird dann in einem Unterdruckzimmer, aus dem kein Virus entweichen kann, von Schwestern und Ärzten im „Mondanzug“ intensivmedizinisch betreut. Bis zu 20 Patienten können so versorgt werden. Etwa 180 Charité-Mitarbeiter sind dafür ausgebildet. Sie üben jeden Monat. „Vor so etwas ist uns nicht bange“, sagt Suttorp. „Aber ein Alarm kostet viel Geld. Das will gut überlegt und begründet sein.“ Am Dienstag blieb dieser Alarm aus, die Station wurde nicht geräumt.
Lesen Sie hier auch das Stück einen Berliner Arzt, der in Sierra Leone gegen Ebola kämpft. (mit AFP)