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Alles gleichzeitig: Kochen, Kinderbetreuung, Arbeiten. Im Homeoffice kommt einiges zusammen.
© imago images/photothek

Fluch oder Segen?: Ich will nicht ins Homeoffice

In der Coronakrise sollen wir zu Hause arbeiten. Das ist richtig. Eine Homeoffice-Pflicht, wie sie in Berlin diskutiert, geht aber zu weit. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Die Coronakrise hat unser Leben auf den Kopf gestellt. Das gilt auch für die Arbeit. Statt im Büro sitzen viele Menschen zu Hause hinter ihren Computern. Jahrelang ist über das Homeoffice diskutiert worden, Corona hat es möglich gemacht. Vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kommt das entgegen.

Man spart Zeit, weil der Weg vom Küchen- zum Schreibtisch kurz ist. Man muss auch nicht befürchten, sich in öffentlichen Verkehrsmitteln oder am Arbeitsplatz anzustecken, wenn man in der Wohnung bleibt. Für Eltern ist es eine Erleichterung, zu wissen, dass sie sich um ihre Kinder kümmern können, falls Kita oder Schule geschlossen sind. Auch wenn mir jeder leidtut, der parallel zu seiner täglichen Arbeit Mathe- oder Physikstoff mit den Kids pauken oder Kitakinder stundenlang beschäftigen muss.

Es ist richtig, dass die Bundesregierung das Homeoffice stärkt. Arbeitgeber sind jetzt gesetzlich verpflichtet, ihren Beschäftigten Heimarbeit zu ermöglichen. Falls das nicht möglich ist, müssen sie am Arbeitsplatz für Masken, Abstand und Hygiene sorgen. Die Behörden kontrollieren, das finde ich richtig.

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Arbeitgeber sind in der Pflicht, nicht Arbeitnehmer

Ob Beschäftigte im Homeoffice arbeiten, stellt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil den Bundesbürgern aber frei. Dem Berliner Senat ist das anscheinend nicht genug. Hier überlegt man, das Homeoffice für Berliner und Berlinerinnen zur Pflicht zu machen. Wegen rechtlicher Bedenken hat man das Projekt zwar erst einmal zu den Akten gelegt, doch ganz erledigt ist es damit noch nicht. Ob verbindliche Regelungen für mehr Homeoffice notwendig werden, hängt maßgeblich vom weiteren Infektionsgeschehen ab.

Kita zu? Das Homeoffice hilft.
Kita zu? Das Homeoffice hilft.
© dpa

Mich ärgert das. Ich will nicht im Homeoffice arbeiten. Mir persönlich tut es gut, Arbeit und Privates zu trennen. Die technische Ausstattung im Büro ist viel besser als zu Hause. Das Internet am Arbeitsplatz ist stabil, von meinem W-Lan zu Hause kann ich das nicht behaupten. Zwei Videokonferenzen zur selben Zeit sind bei uns daheim technisch gesehen eine Herausforderung. Hinzu kommt: Selbst die beste Partnerschaft profitiert von etwas Abstand. Ich habe große Bewunderung für alle Kolleginnen und Kollegen, die von zu Hause arbeiten. Sie leisten Großartiges. Aber ich arbeite besser und schneller, wenn ich im Büro bin.

Das Risiko ist gering

Warum auch nicht? Ich habe ein kleines Einzelzimmer, wenn ich das verlasse, trage ich eine FFP2-Maske. Weil im Verlag schon seit Corona-Beginn das Homeoffice die Regel ist, treffe ich kaum jemanden. Für den Weg zur Arbeit nehme ich, wenn möglich, das Rad. Falls es schneit oder regnet, weiche ich auf die U-Bahn aus, meine Linie ist die U3. Oft bin ich fast allein im Wagen, weil Studentinnen und Studenten derzeit nicht zur Uni fahren. Ein Ansteckungsrisiko sehe ich nicht. Warum also will man mir verbieten, zur Arbeit zu gehen?

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Papier ist geduldig. In der Berliner Verwaltung fehlt es an der nötigen technischen Ausstattung, um allen Beschäftigten Heimarbeit zu ermöglichen.
Papier ist geduldig. In der Berliner Verwaltung fehlt es an der nötigen technischen Ausstattung, um allen Beschäftigten Heimarbeit zu ermöglichen.
© imago stock&people

Die Verwaltung ist offline

Völlig grotesk wird es, wenn man sich die Berliner Verwaltung ansieht. Gerade einmal zwölf Prozent der Beschäftigen haben die technischen Voraussetzungen, um im Homeoffice zu arbeiten. Irgendwann sollen es 17 Prozent sein, derzeit werden neue Notebooks angeschafft. Das heißt im Umkehrschluss: Bei einer Pflicht zum Homeoffice sitzen mehr als 80 Prozent der Bediensteten untätig zu Hause. Ernsthaft?

Mein Vorschlag: Verschieben wir die Homeoffice-Pflicht, bis auch die Verwaltung mitmachen kann. Dann bin ich wahrscheinlich in Rente.

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