Erste Generalstaatsanwältin in Brandenburg: „Ich hatte den Reflex alles abzubrechen“
Susanne Hoffmann ist Brandenburgs neue Generalstaatsanwältin – in der Mark die erste Frau in dieser Position. Was treibt sie an?
Beim Cognac kam die Wende. Wenn Susanne Hoffmann eines nie werden wollte, dann Staatsanwältin. Als junge Juristin plant sie nach dem zweiten Staatsexamen ihre Promotion, träumt von einer Arbeit als Zivil- oder Verwaltungsrichterin. Dann, im November 1987, bietet man ihr eine Stelle im Berliner Justizdienst an – zu einer Zeit, als Jobs dort schwer zu haben sind.
Die damals 27-Jährige landet bei der Staatsanwaltschaft, ausgerechnet. „Es war grauenhaft“, sagt Hoffmann unumwunden. In ihrem Mini-Büro stapeln sich staubige Akten, keiner unterstützt die junge Frau. Bis ihr Abteilungsleiter ihre Verzweiflung sieht, eine Flasche Cognac auf den Tisch stellt und erzählt, wie spannend die Arbeit in der Staatsanwaltschaft sein kann. Hoffmann nippt am Cognac, hört zu. Da sei ihr klar geworden: „Eigentlich bin ich geborene Staatsanwältin.“
Seit Mitte Juni ist die 59-jährige Mutter eines Sohnes Chefanklägerin des Landes Brandenburg. Am Freitag wurde die gebürtige Berlinerin, die in Potsdam lebt und seit 2005 in wechselnden Funktionen in Brandenburg tätig war, offiziell ins Amt eingeführt. Sie ist für die Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg/Havel und die vier Staatsanwaltschaften des Landes, rund 760 Bedienstete, verantwortlich.
Offizielle Amtsübernahme in Potsdam
Nicht nur Justizvertreter mehrerer Bundesländer hatten sich am Freitag in Potsdam eingefunden, auch Generalbundesanwalt Peter Frank war da, um zu erleben, wie in Brandenburg die erste Frau dieses wichtige Amt übernimmt. Mit Hoffmann stehen nun in fünf von 24 Generalstaatsanwaltschaften in Deutschland Frauen an der Spitze.
Aber das ist nicht der Hauptgrund, warum viele gespannt sind, wie sie diese Aufgabe ausfüllen wird. Hoffmann beerbt eine Justizgröße, die bundesweit vor allem wegen ihres konsequenten Vorgehens gegen Rechtsextremismus geschätzt und wegen unbequemer politischer Kommentare auch gefürchtet wurde: Erardo Rautenberg, der im März 2018 in den Ruhestand ging und im Juli darauf den Kampf gegen den Krebs verlor.
Susanne Hoffmann sorgt sich nicht, in seine Fußstapfen zu treten. Ihr Blick weicht dem des Gegenübers nie aus, ist fest, aber freundlich. Ihre Rede am Freitag: pointiert, persönlich, ohne peinlich zu sein – und sie ist kritisch. Sie hätte ihrem Vorgänger vermutlich gefallen. Denn Hoffmann spart auch nicht die Querelen aus, die es um ihre Bewerbung gab.
Gegen den Widerstand der SPD
Zum Jahresbeginn sollen Teile der SPD versucht haben, das Verfahren zur Ernennung von Hoffmann zu blockieren. Die Sozialdemokraten störten sich demnach an der CDU-Nähe, die Hoffmann nachgesagt wird.
In der Justiz war die Blockadehaltung gegen Hoffmann als „Verrat an Rautenberg“ und als Versuch gewertet worden, „durch die Hintertür zu einem politischen Beamten auf diesem Posten zurückzukehren“. Rautenberg hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass Generalstaatsanwälte seit 2010 keine politischen Beamten mehr sind, die jederzeit in den Ruhestand geschickt werden können.
So detailliert schildert Hoffmann den Vorgang am Freitag nicht. Die Anwesenden wissen eh, was da los war. „Man sollte meinen, bei diesem Amt gehe es nur um die Qualifikation“, sagt Hoffmann. Dann dankt sie Justizminister Stefan Ludwig und Staatssekretär Ronald Pienkny (beide Linke), die trotz unterschiedlicher politischer Ausrichtung ihre Bewerbung unterstützt hätten.
Gegen die SPD, die zu der Zeit noch mit den Linken koalierte. „Ich weiß, dass es auch im Land Brandenburg nicht einfach war, mich durchzusetzen“, sagt sie. Auch im roten Berlin hatte sie es wegen ihrer konservativen Ausrichtung nicht immer leicht.
Dass Hoffmann 2005 von Berlin ins Nachbarland gewechselt sei, sei „ein Glücksfall für Brandenburg“ gewesen, betont nun Ludwig. Hoffmann, die zuletzt Abteilungsleiterin im Justizministerium war und dort die Fachaufsicht über alle Staatsanwaltschaften im Land führte, sei „eine hervorragende Juristin und Führungspersönlichkeit“.
„Verwaltung muss man können“
Dabei wäre ihr Wechsel in die Mark fast an der „Brandenburger Verkehrspolizei“ gescheitert, wie sie erzählt. Auf dem Weg zum Gespräch bei der Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg/Havel wird sie zweimal geblitzt. „Ich hatte den Reflex, alles abzubrechen.“ Aber dann geht sie doch hin – und trifft auf Erardo Rautenberg.
Ähnlich wie beim Cognac-Gespräch am Anfang ihrer Karriere ist schnell alles klar. Die beiden unterhalten sich über Demokratie, verstehen sich, auch wenn sie politisch unterschiedliche Präferenzen haben. Rautenberg war SPD-Mitglied. Doch das spielt keine Rolle, weil sie eine gemeinsame Mission haben: den Rechtsstaat verteidigen.
Hoffmann wird Rautenbergs Vertreterin in Brandenburg/Havel – ehe sie 2008 in die Ministerialverwaltung wechselt. Was ihr erst nicht passt. Zu dröge erscheint ihr das, schließlich hat sie in Berlin Verfahren gegen organisierte Kriminalität geführt. Eine „junge, rebellische Staatsanwältin, die es nicht immer allen leicht gemacht hat“, sagt sie über sich selbst. Gerade die „wilde Zeit“ nach dem Mauerfall, der Kampf gegen die Russenmafia, sei spannend gewesen. Und nun wieder Akten? Hoffmann will nicht. Bis Rautenberg ärgerlich zu ihr sagt: „Verwaltung muss man nicht mögen. Verwaltung muss man können.“ Und sie kann es, wie ihr bescheinigt wird. Mag es sogar.
Hoffmann sieht Sparmaßnahmen kritisch
Als anstrengend galt sie im Ministerium – geschätzt wurde sie trotzdem. Weil sie empathisch und selbst bereit sei, viel zu leisten. Für ihr neues Amt, zurück in Brandenburg/Havel, hat sie sich viel vorgenommen: Den Kampf gegen Rechtsextremismus nennt sie zuerst. Aber auch gegen islamistische Gewalttäter will sie vorgehen, wenngleich die Zahl der Gefährder in Brandenburg nicht hoch sei. „Aber durch den Hotspot Berlin in der Mitte müssen wir aufmerksam sein“, meint Hoffmann. Auch zunehmende Internet- und Bandenkriminalität identifiziert sie als Handlungsfelder.
Das alles könne nur mit einer guten Personalausstattung der Justiz gelingen. Man dürfe die Justiz nicht kaputtsparen. Wozu das führe, habe man bei Haftentlassungen infolge von Personalmangel gesehen. Hoffmann weiß, dass es nicht leicht sein wird, eine Justizwende einzuleiten: „Ein nettes Abteilungsleitergespräch und Cognac werden da nicht ausreichen.“
Marion Kaufmann