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Demo vor dem Roten Rathaus in Berlin.
© dpa
Update

Erhalt der East Side Gallery: Hunderte Demonstranten protestierten vor dem Roten Rathaus

Die Zukunft der Mauer-Galerie in Berlin erhitzt weiter die Gemüter. Hunderte protestierten am Donnerstag für den Erhalt des Denkmals. Die Lage scheint verfahren.

Knapp 600 Demonstranten hatten sich nach Veranstalterangaben vor dem Roten Rathaus in Berlin eingefunden, um weiter für den Erhalt der East Side Gallery zu demonstrieren. Dazwischen tummelten sich jede Menge Journalisten, ein paar Schaulustige und 200 Polizisten, die die Situation im Auge behielten. Nachdem am gestrigen Mittwoch in den frühen Morgenstunden unangekündigt weitere Mauerteile entfernt worden waren, war die Empörung bei den Bürgern nämlich groß. Sie fühlten sich übergangen und standen deshalb heute wieder in den Startlöchern - bereit zum Protest.

Mit Schildern und Prospekten versammelten sie sich dann auch, es wurde gewedelt, gequasselt und diskutiert. Bier war im Umlauf, doch der Protest verlief weitestgehend ruhig und die richtig große Aufregung blieb aus. In der Mitte der Menge hatte sich immerhin der kapitalismuskritische Foto- und Aktionskünstler Hans-Martin Fleischer positioniert mit einer selbstgebauten Kulisse aus Playmobilfiguren und seinem bekannten bunten Mauerstück aus Styropor. Darauf zu lesen: "Mr. Obama, tear down this wall!"

Nachdem ein Lautsprecherwagen angerollt war, kam es zu ersten Kundgebungen verschiedener Aktivistengruppen. Als erster schritt der Sprecher des Bündnisses „East Side Gallery retten“, Sascha Disselkamp ans Mikrofon, um das Geschehene noch einmal zu kommentieren. Ein weiterer Sprecher skandierte anschließend mit der klatschende Menge "Wowereit, das Denkmal bleibt!" Auch einige Künstler traten vor und beschwerten sich darüber, dass ihre Kunst so leichtfertig zerstört würde. Der Vorsitzende der Künstlerinitiative East Side Gallery, Kani Alavi, will sein Bundesverdienstkreuz aus Protest zurückgeben: „Es ist würdelos, wenn das Werk, für dessen Erhalt ich ausgezeichnet wurde, jetzt wieder von der Stadt zerstört wird“.

Protestlerin Vera Fauner beschwerte sich vor allem darüber, wie instinktlos Berliner Politiker seien. Zwei weitere schwenkten derweil ein Transparent: "Sei ignorant, sei raffgierig - sei Berlin!" In Berlin passiere es häufig, so eine der beiden, dass über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden würde. "Am Schluss will dann niemand Schuld gewesen sein." Auch ihre Freundin beobachtet es generell mit Sorge, dass in Berlin derzeit so viele Wohnungsbauprojekte aus dem Boden schießen - darüber diskutieren würde öffentlich aber kaum jemand.

Schon vor einigen Wochen wurde eine erste Lücke in die Mauer geschlagen. Daraufhin hatte es eine Protestwelle und Gespräche zwischen Berliner Senat, Bezirksamt, dem Investor Maik Uwe Hinkel und anderen Beteiligten an einem runden Tisch gegeben, um einen Kompromiss zu finden. Nach einem neuen Krisengespräch im Roten Rathaus erklärte sich Hinkel bereit, den Kompromissvorschlag des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) prüfen zu wollen. Möglicherweise komme ein Umbau des geplanten Hochhauses infrage. Wowereit hatte angeregt, Hinkels Grundstück über das Nachbargrundstück eines israelischen Bauherren zu erschließen.

„Dieser Kompromiss ist keiner“, erklärte Disselkamp. „Was jetzt als angebliche Lösung verkauft wird, ist exakt das, wogegen wir protestieren.“ Die Einzigartigkeit der Mauer-Galerie, die Touristen aus aller Welt anziehe, würde durch das Bauprojekt verloren gehen. In einer Online-Petition seien bereits über 82 000 Unterschriften für den Erhalt des Mauerstücks gesammelt worden.

US-Sänger und „Baywatch“-Star David Hasselhoff schlug ein Konzert zum Erhalt der East Side Gallery vor. „Der Kampf ist noch nicht vorbei“, twitterte der 60-Jährige. „Wir müssen uns vereinen, um den Verlust von Menschlichkeit und Freiheitswillen zu stoppen.“ Hasselhoff war schon vor rund zwei Wochen nach Berlin gekommen und hatte an der Mauer-Galerie vor tausenden Demonstranten gesungen.

Gute drei Stunden nach Beginn war die offizielle Demonstration jedenfalls dann auch schon wieder vorbei. Die große Empörung blieb aus und ein Polizist bemerkte erleichtert, dass es im Grunde nichts zu tun gegeben hätte, außer den Verkehr zu regeln. Ein Teil der Protestler halten nun weiter eine Mahnwache, der Rest geht wohl nachhause. (mit dpa)

Nantke Garrelts, Sarah-Maria Deckert

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