Genexpressionstest: Hoffnung auf mehr Klarheit
Ist eine Chemotherapie bei Brustkrebs nützlich? Das kann ein Genexpressionstest klären. Seit kurzem übernehmen die Krankenkassen die Kosten dafür. Doch wie aussagekräftig ist der Test?
Nicht bei allen Brustkrebspatientinnen ist eine Chemotherapie nach der Operation notwendig. Trotzdem wurde lange Zeit den Operierten in der Regel eine anschließende Chemo empfohlen, um die Rückkehr des Krebses – ein sogenanntes Rezidiv – zu verhindern. Und das geschah oft, ohne genau zu wissen, ob die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall überhaupt besteht. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit bei vielen Brustkrebspatientinnen gering, und bei ihnen hat eine Chemo mit all ihren Risiken und Nebenwirkungen eigentlich kein Nutzen. Seit Anfang der 2000er Jahre erhofft man sich von sogenannten Genexpressionstests mehr Klarheit darüber, welche Patientinnen tatsächlich von einer solchen adjuvanten Chemotherapie profitieren. Die Tests sollen in bestimmten Fällen von Brustkrebs die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls prognostizieren.
Jahrelang wurden diese Genexpressionstests, von denen es mehrere Varianten gibt, von den gesetzlichen Krankenkassen nur in Ausnahmefällen bezahlt. Doch vor wenigen Tagen beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der unter anderem über die Kassenleistungen entscheidet, dass zumindest einer dieser Tests ab sofort von den Kassen bezahlt wird: Oncotype DX.
Jährlich erkranken in Deutschland rund 70 000 Frauen an frühem Brustkrebs. „Bei grob geschätzt rund 20 000 dieser Patientinnen können die behandelnden Ärzte allein aufgrund der klinisch-pathologischen Kriterien keine eindeutige Therapieempfehlung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie geben“, teilte der GBA mit. Die Ergebnisse der Tests, die ambulant durchgeführt werden, sollen die gemeinsame Entscheidungsfindung von Patientinnen und Ärztinnen und Ärzten unterstützen. Ist das wirklich möglich? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Test zusammengetragen.
Was versteht man unter Genexpressionstests bei Brustkrebs?
Ein Genexpressionstest ist eine Analysemethode, die es bei Brustkrebs ermöglichen soll, besser zu entscheiden, ob eine Chemotherapie notwendig ist oder nicht. Dabei wird getestet, wie bestimmte Gene im Erbgut die für die Reproduktion notwendige Synthese von Proteinen ausführen (Genexpression). Aus diesen Analysen wollen die Ärzte schlussfolgern, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich erneut Zellen fehlerhaft reproduzieren und zu Krebszellen entarten.
Für welche Patientinnen ist dieser Test gedacht?
Der Test richtet sich nur an Frauen mit einem begrenzten Brustkrebs, der dazu auch noch sehr spezifische Charakteristika hat. Zudem dürfen möglichst keine oder maximal drei Lymphknoten in benachbarten Gefäßen des Tumors mit Krebszellen befallen sein. Nur bei dieser Patientengruppe, bei der das Rezidivrisiko (also die Gefahr, dass der Brustkrebs zurückkehrt) ohnehin relativ gering ist, setzen diese Genexpressionstests an.
Welche Arten von Prognosetests gibt es?
Bereits seit Anfang der 2000er Jahre stehen diese Tests für Frauen mit entsprechender Diagnose zur Verfügung, neben einigen anderen gibt es vor allem vier verschiedene Prognosetests: Mammaprint ist seit 2002 verfügbar, gefolgt von Oncotype DX (2004), EndoPredict sowie Prosigma, beide seit 2011 auf dem Markt. In jedem dieser Testarten wird eine andere Gruppe von Genen im Erbgut der Patientin analysiert.
Wie aussagekräftig sind diese Tests?
„Die Tests gehen methodisch unterschiedlich vor und führen so auch zu unterschiedlichen Ergebnissen“, sagt Stefan Lange, stellvertretender Direktor des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln. Das sei wohl das größte Problem. „Das sagen selbst die Befürworter der Tests und raten Frauen deshalb davon ab, zwei Tests zu machen, weil das zu Verunsicherung führen könnte.“ Wenn beispielsweise bei einer Frau der Test Oncotype DX zu dem Ergebnis kommt, dass das Risiko gering sei und sie deshalb auf die Chemotherapie verzichten könne, hieße das nicht zwangsläufig, dass Mammaprint, EndoPredict oder Prosigma zum gleichen Ergebnis führten.
Wie lässt sich der Nutzen dieser Tests bewerten?
Für seine Entscheidung, ob die Tests Kassenleistung werden soll, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der sich aus Vertretern der Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern zusammensetzt, vor einiger Zeit das IQWiG beauftragt, die Wirksamkeit dieser Tests zu bewerten. In einem ersten Vorbericht konnte das Institut aufgrund methodischer Schwächen und einer dünnen Datenlage weder einen Nutzen noch einen Schaden belegen. Auch die Ergebnisse einer weiteren Studie (MINDACT) führten zu keinem klaren Nutzen. Ein Kritikpunkt der Prüfer: Ein Beobachtungszeitraum von fünf Jahren wie beim Test Mammaprint sei zu kurz, um verbindlich beurteilen zu können, ob es wirklich kein Wiederkehren des Krebses, gibt. Denn gerade bei Brustkrebs kann im Gegensatz zu anderen Krebsarten ein Rezidiv – also die Rückkehr des Krebses – sehr spät auftreten. „Zehn Jahre ist das Minimum, um etwas nachweisen zu können, ob durch den Test tatsächlich eine korrekte Rezidiv-Prognose getroffen wurde“, sagt der stellvertretende IQWiG-Direktor Lange. Besser seien zwölf oder 15 Jahre.
Inzwischen hat sein Institut aufgrund neuerer Ergebnisse zumindest für den Test Oncotype DX seine Einschätzung revidiert. Es sieht nun Anhaltspunkte für einen Zusatznutzen und gibt folgende Empfehlung: Ältere Frauen ab 50 Jahren und jenseits der Wechseljahre, bei denen ein Risikowert für ein Wiederkehren des Krebses zwischen null und 25 Prozent prognostiziert wird, können auf eine Chemotherapie verzichten, ebenso jüngere Frauen (vor der Menopause) mit Risikowerten von null bis zehn Prozent.
Wer übernimmt die Kosten?
Private Kassen übernehmen schon seit geraumer Zeit die Kosten für Genexpressionstests. Das tun nach dem Beschluss des GBA – zunächst nur für den Test Oncotype DX – nun auch die Gesetzlichen Krankenkassen.
In dem Text zum Thema Genexpressionstests im aktuellen Magazin „Tagesspiegel Onkologie“ (siehe unten) ist der Beschluss des GBA noch nicht berücksichtigt, da er erst nach Redaktionsschluss fiel.