Bundesnachrichtendienst zeigt geheime Asservate: Hinter den Kulissen des BND
Nach dem Einzug des Bundesnachrichtendienstes in seine neue Zentrale in Berlin öffnet der Geheimdienst ein Besucherzentrum. Wie weit geht die Transparenz?
Es sind Asservate des Geheimen, die bisher noch nie für die Öffentlichkeit zugänglich waren. Eine Gasultrazentrifuge zur Urananreicherung im Atomwaffenbau. Eine Sprengstoffweste und eine improvisierte Sprengvorrichtung aus Afghanistan. Satellitenaufnahmen einer Raketenrampe in Nordkorea.
Die Handtasche der legendären Doppelagentin Gabriele Gast. Der Bundesnachrichtendienst (BND) öffnet an diesem Dienstag sein Besucherzentrum in der neuen Zentrale mitten in Berlin. Exponate aus 60 Jahren Geheimdienst-Geschichte sind auf zwei Etagen zu sehen. Alles Originale.
Selbst Mitarbeiter kommen nur durch Handerkennung herein
Ein normales Spionagemuseum ist es nicht, was die Experten vom deutschen Auslandsgeheimdienst konzipiert haben. Die erst im Februar eröffnete neue BND-Zentrale in der Hauptstadt ist hermetisch abgeriegelt, selbst die Mitarbeiter kommen nur nach einem Venenscan hinein. Weltweit arbeiten die meisten der 6500 Spione des deutschen Auslandsnachrichtendienstes unter strenger Geheimhaltung, oft mit Tarnnamen, damit sie bei der gefährlichen Arbeit geschützt sind.
Die Räume des Besucherzentrums sind in einer Ecke des riesigen BND-Neubaukomplexes untergebracht - streng abgeschirmt vom Rest der Gebäude mit Lagezentren, Geheimdienst-Labors und Auswerterbüros. Wer ins Besucherzentrum möchte, wird wie am Flughafen durchleuchtet. Es herrscht striktes Fotografierverbot, nur angemeldete Gruppen sind zugelassen. Wann die Ausstellung für jeden geöffnet wird, ist unklar.
Gut zwei Millionen Euro hat sich der Geheimdienst die ungewöhnliche Präsentation kosten lassen. „Wir können ja schlecht hier mitten in der Stadt so prominent sitzen in einem sehr auffälligen und großen Haus, ohne auch den Bürgern zu erklären, wer wir sind und was wir machen“, sagt BND-Präsident Bruno Kahl der Deutschen Presse-Agentur. Der Dienst lege viel mehr Wert auf Transparenz als früher. „Bis zu gewissen Grenzen natürlich“, schiebt Kahl hinterher.
Ein Glitternetz, dass die multipolare Welt symbolisiert
Eine hochmoderne Kulisse empfängt die Besucher, getaucht in bläuliches Licht, untermalt mit Sphärenklängen. Auf einem 73 Quadratmeter großen Bildschirm ist ein sich ständig veränderndes Gitternetz zu sehen mit Knotenpunkten über den ganzen Globus. Es soll die multipolare Welt symbolisieren, das internationale Geflecht der Ereignisse, geheimen Kontakte und Informationen, denen Beschaffer und Analysten des Geheimdienstes hinterherspüren.
„UN-Bericht: IS ist weiter eine ernsthafte Bedrohung der Welt“ - über den Videoscreen flimmern minutenaktuelle dpa-Meldungen. Der BND selbst produziert 5000 Meldungen pro Tag weltweit. Daraus werden etwa 450 Berichte, die im Monat an Abnehmer in Regierung und anderen Sicherheitsbehörden gehen.
Im Erdgeschoss sind multimediale Ausstellungsstelen zu sehen. Es geht um Themen wie internationalen Terrorismus, Krisenregionen, Migration, Cyberbedrohung oder Proliferation. Warum gibt es den Dienst, was tut er, wie wird er kontrolliert - Besucher können sich über die Grundlagen der Geheimdienstarbeit informieren. Der BND hofft, dass mit mehr Offenheit Ressentiments gegenüber seiner Arbeit abgebaut werden - das ist der Grundgedanke hinter der Ausstellung.
1500 BND-Mitarbeiter als Probebesucher
Auch eine multimediale Installation, mit deren Hilfe die Besucher zwischen größter Geheimhaltung und größter Transparenz wählen können, soll zur realistischen Einschätzung der Geheimdienstarbeit beitragen. Am Ausgang kann man sehen, wie sich bisherige Besucher entschieden haben. Die Auswertung zeigt einen klaren Ausschlag bei „Streng geheim“. Kunststück - bisher waren 1.500 BND-Mitarbeiter als Probebesucher in den Ausstellungsräumen unterwegs.
Eines der außergewöhnlichsten Ausstellungsstücke wird ein paar Meter weiter gezeigt: Unter dem Punkt Proliferation - es geht um die Verbreitung von Atomwaffen. Tritt man der entsprechenden Stele näher, wird der Blick freigegeben auf eine Gas-Ultrazentrifuge im Original. Solche Apparate spielen eine zentrale Rolle beim Bau von Atombomben - und werden etwa vom Iran verwendet. Die Zentrifuge ist tatsächlich schon zur Herstellung von angereichertem Uran verwendet worden.
Wie das ungewöhnliche Exponat den Weg in die Asservatenkammer und die Ausstellung gefunden hat, bleibt Staatsgeheimnis. Die Röhre aus Aluminium ist so geheim, dass die Experten in den BND-Werkstätten oben eine Verblendung angebracht haben - damit mögliche ausländische Spione unter den Besuchern die Technik der Anschlussgewinde nicht fotografieren und so nachbauen können.
Gegenwart und Geschichte des BND
In einer anderen Stele hängt eine sandfarbene Sprengstoffweste aus Afghanistan. Sie und Ausstellungsstücke wie ein schultergestütztes Flugabwehr-Raketensystem oder eine behelfsmäßig zusammengebastelte Sprengvorrichtung sollen Auftrag und Arbeit der Spione verdeutlichen. Bekommt der BND solche Dinge in die Hände, können sie Aufschluss über Strukturen von Terrorgruppen, Modus Operandi und technischen Möglichkeiten geben.
Im ersten Stock geht es um Gegenwart und Geschichte des BND. An vier multimedialen Tischen werden die Methoden der Auslandsspionage gezeigt. Dort, wo es um menschliche Quellen (BND: Die „„Königsdisziplin“ nachrichtendienstlicher Arbeit“) geht, ist zu sehen, wie sich ein „Verbindungsführer“ irgendwo im Orient mit einem „Informanten“ trifft, dem Führer einer Miliz mit 1000 Kämpfern.
Im Text wird die Motivation des Mannes erklärt: „Durch den Kontakt zu einem westlichen Nachrichtendienst fühlt er sich in seiner Position gestärkt und aufgewertet.“ Ein Übersetzer und ein zweiter bewaffneter BND-Mann zur Rückendeckung sind auch dabei. Im Schaukasten sind Ausrüstungsgegenstände zu sehen, von der Dienstwaffe über das GPS-Gerät bis zum Geld für den Informanten und dem Medi-Pack, einer medizinischen Erstausrüstung.
Die BND-Agenten sind trainiert, sich bei Verletzungen auch selbst und gegenseitig zu versorgen.
Fast liebevoll tätschelt Kim Jong Un die Rakete
Bei einem der visuellen Höhepunkte der Ausstellung geht es um „Imagery Intelligence“ (IMINT), die Auswertung von Satelliten- und Luftaufnahmen. Zu sehen sind die Veränderungen an einer realen Raketenstartanlage in Nordkorea - im Zeitraffer. Damit der Betrachter etwas mit den Satellitenaufnahmen anfangen kann, sind die einzelnen Teile der Anlage detailliert erklärt.
Am Ende ist sogar Machthaber Kim Jong Un zu sehen, der die Rakete fast liebevoll tätschelt. Es sind Bilder aus dem nordkoreanischen Staatsfernsehen. (dpa)