Marode Schulen in Berlin: Hier hakt es bei der Schulsanierung
In Berlin werden derzeit viele Schulen erneuert. Ein prominenter Fall - das Fichtenberg-Gymnasium - zeigt, welche Probleme es dabei geben kann.
Die Aula – nur noch ein Gewirr von Balken, die Fassade – eingerüstet, die Klassenräume – nur eingeschränkt nutzbar: Ein halbes Jahr nach dem ganz großen Baubeginn ist ein Besuch am Steglitzer Fichtenberg-Gymnasium ein spektakuläres Erlebnis. Die Schule, die einst ein Synonym für Berlins marode öffentliche Infrastruktur war, wird gerade neu erschaffen. Rund 27 Millionen Euro sollen fließen, aber jetzt droht Verzögerung: Ein Nachbar klagt gegen die Aufstellung des dringend benötigten Modularen Ergänzungsbaus (MEB). Ausgang: offen.
Der Fall ist nicht nur deshalb brisant, weil sich das Gymnasium schon seit zehn Jahren im baulichen Ausnahmezustand befindet, sondern auch deshalb, weil er eine Vorstellung davon gibt, mit welchen Schwierigkeiten auch dann noch zu rechnen ist, wenn das ersehnte Geld für die Sanierung endlich fließen soll.
Über zehn Meter hoch soll der Bau werden
Im konkreten Fall geht es um ein Doppelhaus, das an den Sportplatz des Gymnasiums grenzt: Beide Eigentümerparteien haben geklagt, weil sie ihre Rechte verletzt sehen: Der dreigeschossige MEB würde das angrenzende idyllische Grundstück verschatten, zudem stünde er so nah, „so dass die Schüler aus ihren Fenstern direkt in die Essdiele sehen würden“, wie eine Anwohnerin anmerkt.
Tatsächlich würde der über zehn Meter hohe, klotzige Modulbau dem Doppelhäuschen stark auf die Pelle rücken: 8,66 Meter lägen zwischen ihm und der Grundstücksgrenze. Zudem übersteigen Höhe und Gesamtausdehnung die in der Wohngegend vorgeschriebenen Maße.
Der Senat verantwortet den Bau
Ausgeführt wird das gesamte Sanierungs- und Bauvorhaben wegen seines großen Volumens von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Das Projekt steht somit für den neuen Weg, den Berlin geht, um die rund fünf Milliarden teure Sanierung und Erweiterung der Berliner Schulen voranzubringen: Künftig sollen Dutzende millionenschwere Schulprojekte auf diese Weise vom Senat umgesetzt werden, um die personell ausgedünnten Bezirksämter zu entlasten.
Im September war der Baubeginn geplant
Das Fichtenberg-Gymnasium ist somit eine Art Prototyp – was die Schule zu schätzen weiß: Als Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) vor den Herbstferien zusammen mit dem SPD-Wahlkreisabgeordneten Andreas Kugler die berühmte Baustelle besichtigte, waren Schulleiter Andreas Steiner und die Schülervertreter voll des Lobes über die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Stadtentwicklungsbehörde, die ihre Wünsche berücksichtige und mit ihnen im regelmäßigen Austausch sei. Allerdings machte Steiner bei der Gelegenheit bekannt, dass es mit dem MEB, der eigentlich zwischen September 2017 und März 2018 errichtet werden sollte, Probleme gebe. Eile ist geboten, weil viele Schulklassen wegen der Bauarbeiten dringend ausgelagert werden müssten. Zudem soll die beliebte Schule insgesamt mehr Schüler aufnehmen können.
Die Kläger kennen die Probleme der Schule, und sehen auch ein, dass der MEB gebaut werden muss, allerdings fragen sie, warum der Bau nicht einfach an das andere Ende des Sportplatzes verschoben wird. Davon aber will der Bezirk nichts wissen: Bildungsstadtrat Frank Mückisch (CDU) argumentiert mit „besseren Zuleitungen“ und der „besseren Erschließung an das Hauptgebäude“ beim jetzt geplanten Standort. Zudem verweist die Stadtentwicklungsbehörde darauf, dass die Schüler andernfalls „viel“ längere Wege zurücklegen müssten, was insbesondere für die in der Schule geförderten sehbehinderten Schüler nicht zumutbar sei. Die Kläger fragen allerdings, warum ein zusätzlicher Weg von „20 Metern“ nicht zumutbar sei soll.
Über das Maß der Verschattung wird gestritten
Auch sonst gehen die Einschätzungen stark auseinander. So spricht die Behörde nur von einer „geringfügigen bis unerheblichen“, der Kläger aber von einer „erheblichen“ Verschattung, was zu einer „deutlichen Wertminderung“ seines Hauses führe. Ansonsten räumt die Behörde zwar ein, dass das Vorhaben hinsichtlich der geplanten Ausdehnung nicht dem Baunutzungsplan entspricht. Allerdings seien die notwendigen Ausnahmebescheide erteilt worden. Zudem bestreitet die Behörde den Vorwurf des Klägers, dass er nicht rechtzeitig über das Vorhaben informiert worden sei.
Zwar hat die Klage an sich keine aufschiebende Wirkung. Allerdings haben die Eigentümer der Doppelhaushälfte einen Eilantrag gestellt. „Wenn das Verwaltungsgericht dem Eilantrag der Kläger stattgeben sollte und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen nicht Beschwerde einlegt, wäre die aufschiebende Wirkung hergestellt, was einem Baustopp gleichkäme“, erläutert die Behörde auf Anfrage.
Ausgleich für die Wertminderung?
Es wäre nicht das erste Mal, dass Schulbauten langfristig durch Anwohnerklagen lahmgelegt würden. Mitunter werden solche Konflikte beigelegt, indem der Bauherr einen Ausgleich für die Wertminderung der betroffenen Nachbarimmobilie zahlt. Darüber könne man reden, hieß es am Freitag von Klägerseite.