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Keine Fans der Idee: Viola Kleinau, Rainer Jurisch und Friedhelm Schipper vom Vorstand der Gartenfreunde Pankow können sich auf dem Hertha-Grundstück kein Stadion vorstellen.
© Thomas Lo

Berliner Stadionpläne: Hertha BSC und seine vergessene Kleingartenanlage

Könnte der Fußballklub für ein neues Stadion ein wiederentdecktes Grundstück in Pankow nutzen? Dort finden sich rund 50 Kleingartenparzellen - und früher gab es einen Sportplatz. Ein Ortsbesuch.

Hertha hat nichts, sagen die Fans. Sagen auch die Vereinschefs. War ja immer ein Arme-Leute-Verein, schon damals am Gesundbrunnen, als man noch in der Plumpe spielte. Das vereinseigene Stadion wurde dann verkauft, weil man dringend Geld brauchte. Jetzt soll ein neues Stadion her, weil Hertha eben Hauptstadtclub ist. Und erstklassig dazu. Auf der Mitgliederversammlung am Montagabend fiel einem aufmerksamen Herthaner auf, dass der Verein offenbar doch noch Immobilienwerte besitzt und regelmäßige Pachteinnahmen verzeichnet. Immerhin 10.000 Euro im Jahr. Ja, da gebe es ein Grundstück in Pankow, erklärte Vizepräsident Thorsten Manske.

Rund 15.000 Quadratmeter groß. Konnte man das nicht verkaufen? Oder ein neues Stadion drauf bauen? Manske kürzte die Diskussion mit dem Satz ab, er wolle den Mitgliedern Erläuterungen zum Bundeskleingartengesetz ersparen.

Damit ist das Geheimnis gelüftet: Hertha besitzt kein Stadion, aber eine Kleingartenanlage. Der Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow weiß schon lange davon, möchte das Thema aber nicht an die große Glocke hängen. Kleingärtner sind ängstlich, fürchten im wachsenden Berlin, von ihren Parzellen vertrieben zu werden. Damit dort neue Straßen oder Wohnungen entstehen können. Die neue Stadtautobahn von Neukölln nach Treptow hat rund 300 Parzellen geschluckt, die Kolonie Oeynhausen verlor 150 Parzellen an den Investor Groth. Die neue rot-rot-grüne Koalition profiliert sich zwar als Schutzmacht der Schrebergärten, aber wirklich sicher fühlen sich Parzellenpächter deshalb noch lange nicht.

Neben dem ehemaligen Wasserwerk hat Hertha rund 50 Parzellen

Die Gartenfreunde sind trotz anfänglicher Skepsis zu einer Vor-Ort-Begehung bereit. Treffpunkt ist die Anlage „Am Anger“ in Pankow-Rosenthal, neben dem ehemaligen Wasserwerk. Hier hat Hertha rund 50 Parzellen, deren Pächter aber oftmals nichts davon ahnen. Sie mieten die Fläche beim Bezirksverband, der pachtet die Gesamtfläche bei Hertha. Rainer Jurisch, 72 Jahre , war bis vor Kurzem Vorsitzender der Kleingärtner. Er sei Hertha-Fan wie viele hier, aber nur solange der Verein nicht auf dumme Ideen komme. Wie Anfang der 1990er Jahre, als Hertha, so erzählt es Jurisch, aus den Kleingärten wieder einen Trainingsplatz machen wollte und das Vereinsheim der Gartenfreunde schon mal für sich reklamierte.

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Ursprünglich war das Gelände ein Fußballplatz, versichern Jurisch und seine Kollegen. Vor dem Krieg trainierte hier die Hitler-Jugend, nach dem Krieg die Hertha. Nur lag der Platz eben in der sowjetischen Zone. 1950 wurde der Platz „Volkseigentum“, sagt Viola Kleinau. Die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) Pankow hatte fortan das Sagen und ordnete die Parzellierung an.

Bei Hertha geriet der Platz in Vergessenheit. Nach der Wende, so erzählen es einige Pächter, soll ein vorwitziger Gartenfreund beim Club angefragt haben, ob er das Gelände kaufen könne. So hätten die Vereinsoberen überhaupt erst von ihrem schlummernden Vermögen erfahren. Gegen das Vorhaben, den alten Trainingsplatz zu reaktivieren, habe man damals erfolgreich protestiert. Hertha gab die Sache auf, betrieb aber die Rückübertragung, die schließlich auch vollzogen wurde.

Eine Gegend, die vom Immobilienboom verschont wurde

Vom alten Sportplatz sei nichts mehr übrig, sagt Jurisch. „Das war ein Hartplatz mit Brettersitzbänken an den Seiten.“ Nur das Schild „Sportpl.-weg“ kündet von der Vergangenheit. Siegfried Piepenburg, der Äpfel und Kartoffeln aus seiner Laube holen will, weiß aber noch von einem alten Zaun um den Platz. „Bei mir habe ich den weggerissen“, bei seinem Kumpel Klaus sind noch ein paar rostende Streben übrig geblieben. Das mit dem neuen Stadion hält Piepenburg, der früher als Zimmermann arbeitete, für „Quatsch“. das Olympiastadion sei doch „vom Feinsten“. Da sei er selbst öfters hingefahren, um ein Spiel zu sehen, jetzt seien die Eintrittskarten aber zu teuer.

Die Angerstraße verrät noch ihre DDR-Vergangenheit, mit Drahtgeflechtzäunen, alten Laternen und niedrigen Remisen, grau verputzt, in denen gewohnt wird. Eine Gegend, die vom Immobilienboom bislang verschont wurde. Für Hertha sei es hier viel zu verschlafen, sagen die Gartenfreunde. Keine S-Bahn in der Nähe, nur eine Straßenbahn, die alle 20 Minuten kommt. Im Infokasten der Kolonie sind die Ruheregeln aufgelistet. Samstags ab 15 Uhr, kurz vor Spielbeginn also, hat „allgemeine Ruhe (nicht Stille) zu herrschen“. Bis Montag um acht.

Hertha hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben

Hertha ist nicht der einzige private Kleingartenbesitzer in der Gegend. Nicht weit entfernt stünden rund 50 Parzellen brach, die einer Erbengemeinschaft gehörten. Die Erben hätten den Pächtern gekündigt, um dort Wohnungen bauen zu können, seien beim Bezirk damit aber nicht durchgekommen. Das sollte Hertha eine Lehre sein.

Beim Verein haben sie längst eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um einen geeigneten Standort für ein neues Stadion zu finden. Im Februar sollen Ergebnisse vorliegen. Könnte gut sein, dass Hertha dann eher ins Umland blickt, weil viele Berliner Politiker und Freunde des Olympiastadions eine Konkurrenz-Arena nicht unterstützen wollen. Das Tempelhofer Feld böte ausreichend Platz, ist aber gesetzlich geschützt. Das große Maifeld neben dem Olympiastadion steht unter Denkmalschutz. Dreilinden würde gehen, ist ja auch fast noch Berlin.

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