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Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hat heute viele Fragen zu beantworten.
© picture alliance / dpa
Update

Sondersitzung zu Polizeieinsatz in Berlin-Friedrichshain: Henkel steht harte Befragung zu Rigaer bevor

Der Konflikt um die Rigaer 94 ist heute Thema im Innenausschuss. Um 10 Uhr beginnt die Debatte, der Tagesspiegel bloggt live. Am Morgen hat Ex-Pirat Lauer neue Vorwürfe gegen die Polizei erhoben.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) muss am Donnerstag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses beweisen, dass der Polizeieinsatz am 22. Juni in der Rigaer Straße 94, als 300 Polizeibeamte eine Räumungsaktion des Eigentümers bewachten, rechtmäßig war. Grüne, Linke und Piraten, aber auch ein Abgeordneter der SPD, haben die Sondersitzung beantragt, um die Hintergründe der umstrittenen Polizeiaktion zu klären. Ab 10 Uhr muss Henkel, an seiner Seite der Polizeipräsident Klaus Kandt, lange Fragenkataloge der Opposition beantworten. Unterstützung kann er nur von der CDU-Fraktion erwarten. (Wir bloggen live aus dem Innenausschuss. Dafür hier klicken.)

Vor der Sitzung hat Christopher Lauer, Innenpolitiker der Piratenfraktion, neue Vorwürfe gegen die Polizei, aber auch gegen Henkel erhoben. Wie andere Politiker auch hatte Lauer am Mittwoch Akten eingesehen. Er kommt zu dem Schluss, die Initiative zu weiteren Polizeieinsätzen nach jenem vom Januar sei nicht vom Eigentümer, sondern von der Polizei selbst ausgegangen. Interne Mails legten diesen Schluss nahe. So sei die Polizei aktiv auf den Eigentümer zugegangen und habe ihn ermuntert, um Hilfe zu bitten. Von sich aus habe die Polizei den möglicherweise mangelhaften Brandschutz im Haus thematisiert, obwohl ein solches Thema eigentlich in der Zuständigkeit des Bezirks liege. Lauer sagte, die Berliner Polizei habe sich "vollkommen verselbstständigt" und nehme den Innensenator nicht ernst. Er erneuerte seine Rücktrittsforderung an die Adresse von Henkel. Dieser sei erst am Vorabend des geplanten Einsatzes informiert worden, Lauer spricht von einem "massiven Versagen bezüglich der Dienstaufsicht". Ob die Vertreter der anderen Oppositionsparteien diese Vorwürfe teilen und wie sich Senator Henkel dazu äußert, wird die Ausschusssitzung ab 10 Uhr ergeben.

Die Hausverwaltung hatte den Polizeischutz namens des Eigentümers schon am 20. Mai beantragt, um Teile des Gebäudes in der Rigaer Straße 94 zu inspizieren und zu entmüllen.  Nach Einschätzung der Polizei konnte der Eigentümer glaubhaft machen, dass es keine fremden Besitzansprüche gebe. Der Verein „Kadterschmiede“, der 2003 gegründet wurde und der Teile des Hauses seit Jahren nutzt, war der Polizei angeblich nicht bekannt. Und so kamen die Juristen der Berliner Polizei zu dem Schluss, dass es rechtens sei, zur Gefahrenabwehr die Bauarbeiter und privaten Sicherheitsleute zu beschützen, die am 22. Juni in das Gebäude eindrangen. Rechtsgrundlage war das Allgemeine Sicherheits-und Ordnungsgesetz (ASOG).

Einen Tag vor dem Polizeieinsatz informierte Polizeipräsident Kandt den Innensenator Henkel persönlich.  Der war mit der Aktion und deren juristischen Grundlagen einverstanden und sieht bis heute keinen Grund, von dieser Auffassung abzuweichen. Obwohl das Landgericht am 13. Juli mit einem Versäumnisurteil feststellte, dass es für die Räumungsaktion des Hauseigentümers, die auch Räume der Kadterschmiede betraf, keinen Rechtstitel gab. Auch war ein Gerichtsvollzieher nicht vor Ort.

Das Gericht argumentierte mit dem Schutz des Besitzes. Besitzer ist der, der die Sache tatsächlich hat – in diesem Fall also die Betreiber der Kadterschmiede. Eigentümer ist der, dem sie gehört – also der Investmentfonds als Eigentümer des Hauses. Die Richterin stellte klar, das Eigentum sei grundsätzlich das stärkere Recht, der Sieg der Kläger also nur vorläufig. Doch der klagende Verein und seine Vorgänger sind schon seit rund 20 Jahren in den Räumen. Deshalb konnte der Eigentümer nicht einfach hineingehen und sich die Räume zurückholen. "Der Weg, den der Eigentümer gewählt hat, war vom Gesetz nicht vorgesehen", befand die Richterin.

Zusätzliche Brisanz gewann der Prozess durch eine Brandstiftung: Der Anwalt des Eigentümer erschien nicht vor Gericht, weil in der Nacht vor dem Prozess vor seinem Haus ein Auto abgebrannt worden war. Er fühlte sich und seine Familie bedroht und legte sein Mandat nieder. "Wir haben eine Eskalationsstufe erreicht, die wir nicht hinnehmen können", kommentierte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) diese Einschüchterung später.

Die Polizei musste nach dem Urteil die Nutzer der Kadterschmiede wieder ins Haus lassen. Dem christdemokratischen Innensenator wird seitdem von der Opposition und dem Koalitionspartner SPD vorgeworfen, die Falschen geschützt und einem rechtswidrigen Polizeieinsatz zugestimmt zu haben. Zwar hat der Eigentümer Einspruch gegen das Urteil im laufenden Eilverfahren eingelegt, aber wann und wie darüber entschieden wird, ist offen. Bis zur Klärung der Rechtsfragen vor Gericht schwelt ein erbitterter politischer Streit, noch angefacht durch den Berliner Wahlkampf.

Abgeordnete von Grünen, Linken, Piraten und SPD haben am Mittwochnachmittag Einsicht in die Akten der Innenverwaltung zum Polizeieinsatz in der Rigaer Straße genommen. Im Innenausschuss muss Henkel damit rechnen, hart befragt zu werden. Er weiß, dass er kaum Chancen hat, für seine politische Linie im Parlament Unterstützer zu finden, mit Ausnahme der CDU, die ihm mit eigenen Fragen zur linksextremen Gewalt in Berlin zur Seite springen will.  Beschlüsse werden im Ausschuss nicht gefasst, es steht ein heftiger Schlagabtausch mit offenem Ausgang bevor. Am Dienstag war die Rigaer Straße auch Thema im Senat. Der sparte sich aber lange Diskussionen und handelte das Thema in gerade einmal fünf Minuten ab.

Fünfeinhalb Jahre lang ließ sich unsere Autorin in der Rigaer Straße den Schlaf rauben. Was das Kampfgebrüll der Linksextremen bedeuten soll, ist ihr bis heute unklar. Ein Leidensbericht von einer, die auszog.

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